16.58

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist heu­te ein besonderer Tag hier im Parlament; immer wenn die Regierung sich zum ersten Mal im Nationalrat präsentiert, ist das ein besonderes Ereignis. Es ist jetzt das fünfte Mal, dass ich es miterleben darf, dass sich eine Bundesregierung erklärt, immer nach einer Nationalratswahl. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Es ist auch für mich persönlich heute ein besonderer Tag, weil ich auf den Tag genau vor 15 Jahren angelobt wurde und Regierungen in unterschiedlichen Konstellationen er­lebt habe. (Beifall bei der ÖVP.)

Insbesondere bemerkenswert ist, dass man schon eine große Gemeinsamkeit in dieser Bundesregierung spürt. Das haben wir auch bei den Verhandlungen vernommen. Ich durfte selber in sechs Untergruppen mit dabei sein, im gesamten, im großen Bereich Soziales, neue Gerechtigkeit, und dort – und das sage ich als einer, der seit 15 Jahren als Mandatar hier in diesem Haus sitzt – haben wir schon gespürt, dass jetzt ein ande­rer Stil gepflegt wird, dass man anders miteinander umgeht, dass man dem anderen zuhört, dass man ihn respektiert, dass man auch die andere Meinung zulässt. Wir ha­ben nicht wochenlang um einen Halbsatz gestritten, sondern wir haben uns aufeinander zubewegt, sodass wir letzten Endes heute hier ein gutes Programm präsentieren kön­nen. Und das ist die Veränderung, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie glauben nicht, wie oft mich die Menschen vor allem im Rahmen der Wahlausein­andersetzung bei mir zu Hause in meinem Wahlkreis angesprochen und gesagt haben: I bitt di gar schön, Gust, hört auf mit dieser Streiterei! (Ruf bei der SPÖ: Hättets eh können! Hättets ja nicht streiten müssen!) Hört auf zu streiten, arbeitet für uns, für die Menschen in diesem Land – dazu ist die Politik da! Ich bin wirklich froh, dass wir hier gerade auch am heutigen Tag mit diesem neuen Stil beginnen können, dass wir der Bevölkerung signalisieren können: Ja, wir wollen miteinander, wir verstehen uns, wir akzeptieren einander, wir mögen einander auch, wir gehen die Probleme in diesem Land und die Herausforderungen, deren Lösung notwendig ist, an, und das gemein­sam. Wir richten uns nichts gegenseitig aus, sondern wir tun etwas gemeinsam zum Wohle der Menschen in diesem Lande! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist schon auch eine Sensation, dass wir nach 51 Tagen intensivster Verhandlun­gen – und dafür möchte ich dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler be­sonderen Respekt aussprechen –, nach Verhandlungen bis in die Nacht hinein, fast tag­täglich, auch in den 25 Untergruppen, in kürzester Zeit zum Abschluss gekommen sind. Auch auf Adventmärkten zum Beispiel – ich war in den Wochen nach der Wahl nicht viel zu Hause – haben uns die Menschen angesprochen und gefragt: Werdet ihr eh vor Weihnachten fertig? Geht es sich aus? (Abg. Rosenkranz: Richtig!) Wir wollen diese neue Regierung mit Kurz und Strache an der Spitze. Werdet fertig! – Wir sind fertig ge­worden. Wir können heute dieses Programm vorlegen, das ein gutes ist. Die Menschen wissen jetzt, dass diese Regierung für sie arbeiten wird. Wir haben es gemeinsam ge­schafft, Gott sei Dank, dass jetzt noch vor Weihnachten diese neue Bundesregierung steht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als Volkspartei – und ich bin froh und dankbar, dass ich jetzt Klubobmann dieser nun größten Fraktion hier im Haus sein darf – sind wir mit drei Schwerpunkten in die Wahl gegangen: erstens mit einem großen Entlastungspaket, mit einem Deregulierungs- und Entbürokratisierungspaket, zweitens mit dem Anspruch, eine neue soziale Gerechtig­keit in diesem Land einziehen zu lassen, und drittens mit dem Aspekt, dass die Sicher­heit einen noch größeren Stellenwert einnehmen muss, als das bisher der Fall war; nicht zuletzt auch aufgrund der Flüchtlingssituation, die wir gemeinsam bewerkstelligen mussten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kommt auch nicht von ungefähr, dass Hans Bürger gestern in der „ZIB 1“ gesagt hat: Wir waren schon alle überrascht, dass jetzt schon konkrete Beschlüsse auf dem Tisch liegen. Angesprochen hat er den gestrigen ersten Ministerrat in dieser neuen Kon­stellation, bei dem bereits ein Vortrag beschlossen wurde, in dem es um die Entlastung der niedrigen Einkommen geht, in dem es um die Entlastung jener Menschen geht, die bis zu 1 948 Euro brutto verdienen. Diese Menschen werden wir mit durchschnittlich 320 Euro pro Jahr entlasten. Das, meine Damen und Herren, ist ein Volumen von ins­gesamt 160 Millionen Euro, und das ist eine zutiefst sozialpolitische Maßnahme, mit der wir beginnen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Zweiten: Fest verankert in diesem Programm ist ein Familien-, ein Kinderbonus mit 1 500 Euro pro Jahr pro Kind als Absetzbetrag von der Steuer. Um das den Men­schen auch zu erklären: Das ist Cash, das ist Geld, das wirklich netto von der Steu­erlast abgezogen wird! Es wurden Beispiele gebracht, dass sich das nicht auswirkt. Die Sozialpartner haben sich im vorigen Jahr auf einen Mindestlohn von 1 500 Euro brutto verständigt – eine Maßnahme, die sehr in Ordnung ist –, und bei einem Einkommen von 1 500 Euro brutto liegt die Entlastung insgesamt, auch wenn man die Sonderzah­lungen miteinrechnet, bei 928 Euro pro Jahr pro Alleinerziehendem oder pro Familie, in der nur einer allein 1 500 Euro brutto verdient.

Meine Damen und Herren! So hoch könnten wir die Familienbeihilfe gar nicht anheben, um auf diese Summe zu kommen, und zwar beim Mindestlohn. Verdient man 2 000 Eu­ro, so ist ein Gesamtbetrag von 1 500 Euro netto mehr spürbar. Wenn man zum Bei­spiel 2 500 Euro verdient, dann geht das natürlich noch weiter in die Höhe, und je nach­dem, wie viele Kinder man hat, so oft wird dieser Betrag auch abgezogen. Das ist eine der größten familienpolitischen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir werden das gemeinsam – so wie wir jetzt begonnen haben – in Schritten umset­zen; in Schritten. Wir beginnen bei den Niedrigverdienern, dann kommen wir zum Fa­milienbonus, dann werden wir zur Lohnnebenkostensenkung kommen, was auch unse­re Betriebe notwendig brauchen; sehr viele stöhnen unter dieser großen Last, die wir an Abgabenquote insgesamt haben. Bis zum Ende dieser Legislaturperiode werden wir die Abgabenquote für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Richtung 40 Prozent senken können.

Was wir auch zugesagt haben und was in diesem Programm auch abgebildet ist, mei­ne Damen und Herren, sind klare Maßnahmen zur Deregulierung, zur Entbürokratisie­rung.

Wir bereiten uns auf die Digitalisierung vor. – Ja, natürlich, das ist auch die Aufgabe dieser Bundesregierung!

Ein Beispiel nenne ich Ihnen: den Breitbandausbau, der in dem Programm ganz klar verankert ist. Die Gemeinden stöhnen oft darunter, dass sie kein Geld bekommen, dass die Projekte verschleppt werden. Manche Bundesländer, mein Bundesland Ober­österreich zum Beispiel, setzen da einen Schwerpunkt, und die neue Bundesregierung tut das auch. Das sind ganz wichtige Maßnahmen, wenn es um die Entlastung, um die Deregulierung und um die Vorbereitung auf die Digitalisierung geht, gerade auch im ländlichen Raum. Breitbandausbau ist klar verankert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der zweite wesentliche Bereich: neue soziale Gerechtigkeit. Als sozusagen scheiden­der Sozialsprecher der Volkspartei möchte ich sagen, ich bin wirklich froh, dass wir einige sehr, sehr wichtige sozialpolitische Maßnahmen verankern konnten, positive Din­ge, die vielen Menschen helfen; so zum Beispiel den pflegenden Angehörigen durch die Anhebung des Pflegegeldes vor allem in den Bereichen der Stufen 4 bis 7. Es ist auch klar verankert, dass es eine zusätzliche Gegenfinanzierungsmaßnahme beim Pfle­geregress geben muss. Pflegeregress ist eigentumsfeindlich und wurde abgeschafft, mit allen Stimmen hier im Hohen Haus (Abg. Scherak: M-mh!) – außer denen der NEOS –, aber die Gegenfinanzierung sicherzustellen ist auch wichtig, vor allem auch für dieje­nigen, die für unsere Alten- und Pflegeheime vor Ort Verantwortung tragen.

Wir bekämpfen die Altersarmut, indem wir bei langen Beitragszeiten – bei 40 Jahren –eine Mindestpension von 1 200 Euro – bei Familien 1 500 Euro – einführen. Das ist ge­rechtfertigt, meine Damen und Herren! Das betrifft jene, die lange Zeit gearbeitet und lange Zeit eingezahlt haben, denen müssen wir etwas mehr zur Verfügung stellen als jenen, die das nicht getan haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Leistung muss sich lohnen – dieses Prinzip zieht sich durch das Regierungsprogramm. Das war in anderen Konstellationen bisher leider immer schwierig oder de facto nicht möglich, dass wir das auch abbilden können. Wir stehen dazu.

Das führt mich zum Thema Mindestsicherung. Ich weiß nicht, wie oft ich am Rednerpult gestanden bin, vor allem im historischen Parlamentsgebäude, wenn wir das Thema Min­destsicherung erörtert haben. Was bitte ist denn da dabei? – Wir tun jetzt das Richtige. Oberösterreich, Niederösterreich und sogar das rot-blaue Burgenland haben das be­schlossen. Herr Klubobmann Kern, Sie müssten sich bei Herrn Landeshauptmann Niessl erkundigen, dieser hat genau diese niedrigere Mindestsicherung von 584 Euro pro Mo­nat für Asylberechtigte und Menschen, die in den letzten fünf Jahren nicht im Land ge­lebt haben, eingeführt. (Abg. Bösch: So ist es!) Das ist gerechtfertigt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Präsidentin Kitzmüller gibt das Glockenzeichen.) – Freiwillige Redezeitbe­schränkung, Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren! Wir können nicht erklären, weshalb zum Beispiel eine Min­destpensionistin in Wien, die womöglich auch lange Zeit gearbeitet und Kinder großge­zogen hat, mit knapp 900 Euro das Gleiche bekommt wie jemand, der in den letzten Jahren gar nicht da war, der sozusagen als Asylberechtigter in unser Land gekommen ist. Das können auch Sie in Wahrheit nicht erklären, und das ist sozial ungerecht, wenn man in beiden Fällen den gleichen Betrag zur Verfügung stellt. Genau das bilden wir in unserem Programm ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder ist eine Maßnah­me, die gerechtfertigt ist und ebenfalls ihren Niederschlag findet.

Ein Wort auch zum Arbeitslosengeld Neu: Wenn man unser Programm genau liest, dann weiß man, dass wir Arbeitslosengeld und Sozialleistung sozusagen zusammen­führen, mit einem entsprechenden Zeitabstand und wieder unter der Berücksichtigung: Wer lange ins System eingezahlt hat, erhält natürlich auch länger Arbeitslosengeld. Das wird hier verschwiegen, das wird nicht dazugesagt, aber das ist das, was wir wol­len. Das ist eine Versicherungsleistung, und umso länger man einzahlt, umso länger bekommt man diese Leistung auch.

Damit sind genau die über 50-Jährigen gemeint, Herr Klubobmann Kern! Wir wissen, dass das Schicksale sind, und wir nehmen diese auch ernst und bilden sie auch in un­serem Programm ab. Diese Menschen werden nicht das Problem haben, dass sie kein Arbeitslosengeld bekommen, weil sie entsprechend lange eingezahlt und gearbeitet ha­ben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Meine Damen und Herren! Der letzte Punkt ist der gesamte Bereich der Sicherheit. Si­cherheit hat Vorrang. Wir haben gesagt: Stopp der illegalen Migration, kontrollierte Zu­wanderung, Umsetzung eines Sicherheitspakets, das wir leider bisher nicht realisieren konnten. Wer hat denn ein Problem damit, wenn das Foto, das auf der Autobahn von der Asfinag-Kamera gemacht wird, den Exekutivbeamten zur Verfügung gestellt wird? Das sind doch Dinge, die selbstverständlich sind, wenn wir uns dazu bekennen, dass wir auch den Terrorismus bekämpfen wollen. Es ist notwendig, das umzusetzen.

Ein Plus von über 2 000 Polizisten ist ebenso in dem Programm verankert wie schär­fere Strafen bei Sexual- und Gewaltdelikten. So verstehen wir die Sicherheitspolitik für die Menschen in unserem Land.

Abschließend möchte ich noch ein Projekt unterstreichen, weil so getan wird, als würde sich da nichts ändern: Ich spreche von der Reform der Sozialversicherungsträger. Ich bin jetzt seit 15 Jahren Abgeordneter, die Diskussion verfolge ich seit mehr als 20 Jah­ren, und nie ist irgendetwas möglich gewesen. Es geht ja gar nicht darum, dass man dort jetzt irgendwelche Strukturen mutwillig verändern will, sondern es geht darum, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: Diejenigen, die die gleichen Beiträge zahlen, sol­len die gleiche Leistung erhalten, Mehrfachversicherungen werden abgeschafft. Letzten Endes geht es den Menschen doch darum, dass man in einer vereinfachten Struktur weiterhin ein gutes Gesundheitssystem zur Verfügung stellt. Auch das ist in unserem Programm abgebildet.

Im Übrigen ist das ein Modell, das aus dem 1 400-Seiten-Schinken stammt, den Herr Kollege Stöger noch als Sozialminister um über 600 000 Euro in Auftrag gegeben hat. Es ist also sozusagen auch deshalb in Ordnung, weil es ein Modell ist, das unter einer Vielzahl von Modellen in dieser Studie abgebildet ist. Wir legen zusammen (Abg. Droz­da: Was ist mit der Beamtenversicherung?), verschlanken die Struktur, aber wir sparen nicht bei den Leistungen für die Menschen im Gesundheitssystem. Das bilden wir da­mit ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Wort auch noch zum 12-Stunden-Tag, weil uns diesbezüglich auch mitgeteilt wor­den ist, wir hätten das Programm nicht gelesen: Herr Kollege Kern, der 12-Stunden-Tag war im Übrigen auch in Ihrem Plan A enthalten; man hat ihn dort gefunden! Was machen wir? – Es bleibt – um das den Bürgerinnen und Bürgern auch zu sagen – bei 8 Stunden Normalarbeitszeit; das ist klar festgehalten und geregelt! Wir haben jetzt schon Systematiken, im Rahmen derer man unter gewissen Bedingungen auf 10, 12 Stunden ausweiten kann, und das verändern wir nicht. Es muss auch die Zustim­mung seitens des Betriebsrates über Betriebsvereinbarungen, der Kollektivvertrags­partner beziehungsweise der jeweils Betroffenen geben. Wir ändern nur einen Absatz im Arbeitszeitgesetz, damit das auch leichter durchführbar wird, und zwar natürlich nur für eine gewisse begrenzte Zeit. Niemand redet davon, dass die Menschen ein ganzes Jahr lang 12 Stunden am Tag beziehungsweise 60 Stunden in der Woche arbeiten müs­sen. Das Gegenteil ist der Fall! Wir haben eine EU-Arbeitszeitrichtlinie mit 48 Stunden, die das gar nicht zulässt. Wir wollen aber mehr Flexibilität im Sinne der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Arbeitgeber brauchen sie, damit der Standort und damit auch die Arbeitsplätze abgesichert werden können, und den Arbeitnehmern wird mehr Geld durch die Überstundenzuschläge und auch mehr Freizeit angeboten, und Freizeit wird den arbeitenden Menschen immer wichtiger. Das ist die Wahrheit zum Thema Arbeits­zeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Abschließend möchte ich noch einmal allen neuen Bundesregierungsmitgliedern gratu­lieren. Ich wünsche allen eine gute, eine glückliche Hand bei ihren Tätigkeiten in den jeweiligen Ressorts. Ich bin überzeugt davon, dass diese Bundesregierung zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, zum Wohl der Österreicherinnen und Ös­terreicher arbeiten wird – und das mit Respekt, Anstand und Hausverstand, und darauf kommt es an! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.15

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank für die Wortmeldung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Strolz. – Bitte.