17.57

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Die Vorgängerregierung und damit auch die Sozialdemokratie über­gibt ein Land mit starker Wirtschaft, mit hoher Beschäftigung, mit sinkender Arbeitslo­sigkeit und mit gutem sozialem Zusammenhalt. Die Frage ist jetzt: Wird das so blei­ben? – Ich fürchte, nicht zwingend. (Abg. Winzig: Es wird besser!)

Bei der Erklärung, die wir heute vom Bundeskanzler gehört haben, stellt sich die Frage: In welche Richtung wird das Land gehen? Die Erklärung selbst war ja wesentlich in­haltsleerer als das Regierungsprogramm, das man sich im Internet herunterladen kann, und da wird uns auch nicht das Faktum darüber hinweghelfen, dass der neue Regie­rungssprecher schon ein E-Mail geschrieben hat, dass wir uns gerne an ihn wenden können, denn das ist wiederum nicht die Form von parlamentarischer Diskussion, dass der Regierungssprecher den Abgeordneten sagt: Wenn ihr Fragen an die Regierung habt, dann ruft mich an oder schreibt mir ein E-Mail!, nein, die politische Diskussion muss hier im Parlament stattfinden. Daher hätte ich mir erwartet, dass die Präsentation des Regierungsprogramms durch den Bundeskanzler neben den hohlen Phrasen auch noch ein, zwei, drei Inhalte umfasst hätte. – Schade, war’s nicht, macht ja nichts. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Das zweite Interessante ist: Normalerweise erwartet man sich ja auch, dass sich die einzelnen Regierungsmitglieder, genannt Ministerinnen und Minister, zu Wort melden und sagen, was sie in ihrem Bereich vorhaben – passiert heute nicht, so wie gestern beim Ministerrat, da gehen alle mit einem Maulkorb brav an den Journalisten vorbei, weil in der neuen Regierung Kurz nur mehr zwei sprechen, nämlich Kurz und Strache, und dann halt manchmal eher händeringend und verzweifelnd der Regierungssprecher wie gestern in der „ZIB 2“.

Ich finde das nicht okay, denn ich hätte mir eigentlich auch erwartet, dass jeder Mi­nister und jede Ministerin von euch die Erlaubnis bekommt, dass er oder sie auch ein bisschen sagen darf, wofür er oder sie steht. Wir werden darauf warten, spätestens im Ausschuss werden wir es erfahren. Vielleicht sind ja dann auch die Redemanuskripte von Herrn Launsky schon vorgeschrieben, damit jeder vortragen darf.

Parallel dazu erleben wir übrigens den Abgesang von Schwarz-Blau I – im Wiener Lan­desgericht. Dort findet der Prozess statt, bei dem Schwarz-Blau I gerade für all das ver­urteilt wird, was es gemacht hat, nämlich die Leute in diesem Land bestohlen hat, und das ist gut so. Ich hoffe nur, dass wir mit Schwarz-Blau II nicht wieder vor Gericht lan­den. Die Verantwortung liegt bei Ihnen, dass das nicht passiert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Das ist so billig!)

Na, so billig ist es nicht! Es ist ehrlich gesagt schweineteuer, was da passiert ist! Über­haupt nicht billig! Sie sind ein Zyniker! Das ist nicht billig! Die ganze BUWOG ist ver­scherbelt worden – und Sie sagen: billig. Na das ist typisch; ich glaube, Sie arbeiten schon wieder an einem neuen Plan. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Hände raus aus den Taschen der Bürger, sage ich Ihnen! Hände raus aus den Ta­schen der Bürger! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das ist aber eine sehr spä­te Selbstreflexion! – Abg. Neubauer: ..., das ist eine Schande!)

Der Selbstreflektor heute war der Kollege Strache, wenn Sie zugehört haben. Also sei­en Sie vorsichtig, sonst bekommen Sie dann in der Klubversammlung eins auf die Mütze! Das ist nicht gescheit! (Abg. Rosenkranz: Was Sie aus den Taschen der Bür­ger herausgeholt haben, das geht auf gar keine Kuhhaut! – Abg. Neubauer: Gehen Sie in den Gemeinderat nach Wien! Zu mehr reicht es eh nicht!)

Die ÖVP hat plakatiert: „Zeit für Neues“. Was ist gekommen? – Rückschritt: 12-Stun­den-Tag, Rauchen, Studiengebühren, Bildungsrückschritt. Die FPÖ hat plakatiert, sie sei für den kleinen Mann da. Was ist passiert? – Die sozial Schwachen werden als Erste im Regen stehen gelassen: Kürzung von Mitteln für die Arbeitsmarktpolitik, damit ja die Arbeitslosigkeit nicht sinkt, sondern hoch bleibt. Was wird noch gemacht? – So­zialabbau, Hartz IV wird eingeführt, der Kinderbonus kommt, aber das, was verspro­chen worden ist, nämlich dass die AlleinerzieherInnen etwas davon bekommen, pas­siert nicht. Ein Drittel derer, die das bekommen sollten, bekommt es nicht. Das ist zy­nische Sozialpolitik, damit ist klar, was passiert. (Abg. Rosenkranz: In welcher Wirk­lichkeit, in welchem Paralleluniversum leben Sie eigentlich?)

Interessant ist auch ein Blick auf das Mietrecht. (Abg. Neubauer: Das ist bei der Frau Wehsely so! – Abg. Rosenkranz: Sie leben in einem Paralleluniversum!) Das Miet­recht ist eines – das, was Sie wollen – der Zinshausbesitzer. Es steht ja auch im Re­gierungsprogramm drinnen – sagen hat es sich keiner getraut –: Eigentum, das ist die neue Freiheit. Das ist so frei nach Marie Antoinette: Wenn es kein Brot gibt, esst halt Kuchen! Wenn es kein Mietrecht gibt, kauft euch halt Wohnungen! – Das ist der Zy­nismus aus dem Cottageviertel des 12. Bezirks, wo der Herr Kurz aufgewachsen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitsmarktpolitik: Die FPÖ hat noch plakatiert: Keinen ungeregelten Zuzug von Bil­ligarbeitskräften in den Arbeitsmarkt! Was machen Sie? – Auf! Damit Billigköche he­reinkommen noch und nöcher – und die armen Köche, die schon hier sind, bekommen erst recht keinen Job. Das ist die freiheitliche Arbeitsmarktpolitik, die am Schluss ge­macht wird; die ist schlecht und schändlich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Winzig: Wo sind die Köche? Wo sind die Köche, Herr Kollege Schieder?)

Dann werden auch Studiengebühren eingeführt, und der ÖH wird gleich dazu ein Maul­korb ins Regierungsprogramm geschrieben: Die Hochschülerschaft darf nämlich in Zu­kunft nur mehr engste Interessenthemen behandeln und sich darüber hinaus nicht mehr äußern. Das ist das Mundtotmachen der Interessenvertretung auch noch! (Abg. Ro­senkranz: Na Scheiben einschmeißen darf sie nicht, das ist richtig! Das darf aber kei­ner! – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

So, jetzt bleibt die Frage: Warum das alles? Warum? Und da müssen wir auf den Wahlkampf zurückschauen. Da hat es den Herrn Pierer gegeben, der ganz offen und ehrlich gesagt hat: Ich habe einen Wunsch, nämlich den 12-Stunden-Tag, und für die Erfüllung dieses Wunsches gebe ich euch Geld! Und was passiert jetzt? – Jetzt kommt der 12-Stunden-Tag. Das ist eine Art von Politik, die ich wirklich nicht richtig finde, we­der inhaltlich noch moralisch, das muss ich Ihnen sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Winzig: Das ist eine langjährige Forderung des Wirtschaftsbundes, Herr Kollege Schie­der! – Abg. Rosenkranz: Also die Moral der Sozialdemokratie haben wir im Wahl­kampf gesehen!)

Und: Was fehlt im Regierungsprogramm? – Der Kampf gegen die Steuerflüchtigen, der Kampf gegen die legale und illegale Steuerhinterziehung: nicht mehr drinnen. Eine Kli­mastrategie, mit der man der globalen Erwärmung begegnen kann: kein Wort mehr drin­nen.

Wir werden heute hier den Elchtest mit Ihnen machen, nämlich indem wir Anträge ein­bringen, die zeigen werden: Wie halten Sie es mit Ceta, wie halten Sie es mit den Stu­diengebühren, wie halten Sie es mit dem Rauchverbot – was haben Sie vor der Wahl gesagt und was machen Sie nachher? Wir wollen, dass das Umfallen, das Sie betrei­ben, hier auch dokumentiert wird, damit die Leute wissen, woran sie bei Ihnen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann machen Sie ja interessante Personalrochaden: Zack, der Kollege Gudenus kommt als Klubobmann ins Haus und sagt gleich im ersten Interview, er will die Flüchtlinge in Zukunft am Stadtrand konzentrieren. – Das ist natürlich die Art und Weise, wie man es gar nicht machen soll, und da braucht man auch gar nicht irgendwie zu polemisieren. Das zeigt nur Ihren wahren Charakter, und das ist so schändlich, denn das ist genau das Gegenteil von dem, was die Wienerinnen und Wiener wollen. Die Wienerinnen und Wiener wollen nämlich, dass die Leute hier integriert werden, einen Job bekommen und ihr Leben leben können – und nicht, dass Sie Elendsviertel am Stadtrand schaffen, wo die Leute dann erst recht wieder Sorgen haben, Herr Gudenus! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es ist ja ganz einfach: Zeig mir deine Freunde, und ich weiß, wer du bist! Das ist die Frau Le Pen (Abg. Svazek: Silberstein!), und das sind die Jubelorgien der rechts­extremen AfD im Internet, die sagen, wir freuen uns schon auf die österreichische Poli­tik. – Weisen Sie das endlich zurück! Das ist ja zur Schande Österreichs, was hier pas­siert! Wenn Sie mit denen nicht in einem Boot sitzen wollen, dann steigen Sie aus die­ser europäischen Fraktion aus und sagen Sie, dass Sie dieses Lob von der AfD nicht wollen! Kommen Sie heraus und sagen Sie es! Es wäre höchst an der Zeit.

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Schieder, ich habe jetzt eine Zeitlang zugehört, was Sie gesagt haben, und bitte Sie doch, die Würde des Hauses zu respektieren und sich in der Wortwahl zu mäßigen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schieder: Und was stört Sie? Was stört Sie? Das müssen Sie auch sagen!) – Der Vorwurf Schaden für Österreich und zuvor - - (Abg. Schieder: Ja, ist ja wahr!) „Zur Schande Österreichs“ haben Sie gesagt! (Abg. Schieder: Schaden! Schaden! – Abg. Wöginger: „Gestohlen“ hast du auch gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Zuhören! Zuhören! Katastrophale Vorsitzführung!)

Bitte setzen Sie jetzt Ihre Rede fort, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (fortsetzend): Ich komme eh schon zum Schluss.

Die Wahrheit ist: Die FPÖ wollte unbedingt in die Regierung, weil der heutige Vize­kanzler Strache gewusst hat, das ist seine letzte Gelegenheit. Die andere Wahrheit ist: Der heutige Bundeskanzler Kurz hat auch gewusst, schnell muss es gehen, denn er will unbedingt Bundeskanzler werden. Worauf man vergessen hat, das ist die Zukunft Österreichs, die Weiterentwicklung unseres Landes, das sind die Antworten auf die Zu­kunftsherausforderungen.

Was Sie machen, das ist, Politik für wenige in diesem Land zu machen, nämlich für die Oberen, und die vielen anderen in unserer Gesellschaft zu täuschen und zu verraten. Sie spalten die Gesellschaft, und das ist kein guter Weg für Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

18.07

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gudenus. – Bitte.