19.02

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Kanz­ler Kurz hat erklärt, dass die niedrigen Einkommen besonders entlastet werden sollen. Der Klubobmann der FPÖ hat gemeint, es werde gerechter werden. – Ja, die Botschaft höre ich wohl, und ich habe mir dieses Regierungsprogramm sehr genau daraufhin an­gesehen, welche verteilungspolitischen Auswirkungen es hat und ob es wirklich ge­rechter oder nicht vielmehr ungerechter wird. Das Ergebnis meiner Analyse ist – ich kann es vorweg gleich einmal sagen –: Es wird nicht gerechter werden (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ – Abg. Lugar: Wo hast du reingeschaut, bei Verkehr oder was?) – ich werde anhand einiger Beispiele gleich erzählen, warum das so ist –, denn das un­tere Einkommensdrittel, das ärmste Einkommensdrittel wird der Verlierer, ganz eindeu­tig der Verlierer sein.

Beginnen wir mit dem Beispiel, das gestern beschlossen wurde: die Senkung der Ar­beitslosenversicherungsbeiträge. Der Herr Finanzminister hat von Entlastungen bis 300 Euro gesprochen, hat aber wohlweislich übersehen, dass Menschen bis zu einem Einkommen von 1 348 Euro schon jetzt keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge zah­len, daher durch diese Maßnahme auch gar nicht entlastet werden können.

Herr Finanzminister, ich sage Ihnen, die Menschen unterhalb dieser Grenze sind 37 Pro­zent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Wenn man das Medianeinkommen von Frauen hernimmt – es liegt bei 1 725 Euro –, dann macht die Entlastung für diese Frau­en gerade einmal 50 Euro im Jahr, das sind etwas über 4 Euro pro Monat, aus. Das nennen Sie eine Entlastung der niedrigen Einkommen? – Da komme ich nicht mit, Herr Minister.

Nehmen wir den Steuerbonus für jedes Kind her – für jedes Kind: Wer Familienpolitik über Steuerbegünstigungen macht, begünstigt nicht die niedrigen Einkommen, sondern die höheren und hohen Einkommen. Warum? – Weil es in Österreich 2,5 bis drei Mil­lionen Menschen gibt, die gar keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen und daher von diesem Steuerbonus gar nicht profitieren können – null Cent für 40 Prozent aller Kin­der, die von diesen Leistungen ausgeschlossen werden.

Nehmen wir die Ankündigung einer Tarifreform her! Sie wollen die Einkommensteu­ertarife senken. Wer Einkommensteuertarife senkt, schließt ebenfalls jene 2,5 bis drei Millionen Menschen von der Entlastung aus, weil es sich bei ihnen um Menschen handelt, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen. Da reicht also nicht der Haus­verstand, von dem der Herr Kanzler gesprochen hat. Wenn man verteilungspolitische Fragen beurteilen will, dann braucht man doch etwas mehr Sachverstand.

Studiengebühren sind ebenfalls ein Beispiel. Sie wollen sie einführen, das geht zulas­ten der niedrigen Einkommen, klarerweise des unteren, des ärmsten Einkommensdrit­tels, es trifft aber auch die Mittelschicht.

Die Vorschläge zur Mindestsicherung – das ist überhaupt das skandalöseste Beispiel. Sie wollen das Existenzminimum halbieren und wollen ein bisschen etwas von Sach­leistungen für Menschen, die in höchster Not sind, drauflegen. Der Herr Kanzler hat einmal gesagt, er will diejenigen unterstützen, die Hilfe brauchen. – Ja nicht einmal das tut dieses Regierungsprogramm!

Ich könnte diese Liste noch länger fortsetzen. Ein weiteres Beispiel, das ich jetzt nur anreiße, ist die Abschaffung der Notstandshilfe, die De-facto-Einführung von Hartz IV. Das wird viele Menschen in die Armut treiben.

Wenn man sich die Frage stellt, wer das alles finanzieren wird: Da werden Sie noch einmal das untere Einkommensdrittel rasieren. Da von einer Entlastung und einer ge­rechteren Welt zu sprechen, ist ja wirklich eine Chuzpe!

Dieses Regierungsprogramm, meine Damen und Herren, ist eine Schande für ein rei­ches Land wie Österreich, welches das viertreichste Land in der Europäischen Union ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.06

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser, Sie sind als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.