19.58

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol­leginnen und Kollegen! Ich möchte heute ein paar Worte zum Thema Europa in diesem Regierungsprogramm sagen. (Beifall des Abg. Leichtfried.)

Wir, meine Generation, sind noch am Anfang unserer Karriere, unseres Berufsweges, aber was für uns ganz klar sein wird, was unser Leben am Wesentlichsten positiv oder auch negativ beeinflussen wird, ist die Frage, ob wir es schaffen werden, die Europäi­sche Union weiterzuentwickeln. Das wird der maßgebende Faktor sein, ob unser Le­ben erfolgreich sein wird oder nicht.

Im Regierungsprogramm heißt es, dass wir als Österreich die Chance der Ratspräsi­dentschaft dazu nutzen sollen, uns federführend dafür einzusetzen, einige Fehlentwick­lungen auf der europäischen Ebene zu korrigieren.

Wir alle wissen natürlich, was – ganz subtil – mit Fehlentwicklungen eigentlich gemeint sein soll. Das steht für vermeintlich falsche Entscheidungen, die diese Bundesregie­rung nicht mittragen möchte.

Es ist schon okay, wir können auch wirklich über Fehlentwicklungen reden, aber die einzige Fehlentwicklung, die es auf europäischer Ebene wirklich gibt, ist, dass die Ent­wicklung völlig fehlt, dass wir nicht bereit sind, eine Vision für ein gemeinsames, für ein gemeinsameres Europa zu gestalten und Führungspersönlichkeiten zu finden, die auch die Verantwortung übernehmen wollen, diese Vision in die Realität umzusetzen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben im Regierungsprogramm auch stehen, dass Sie die Eu­ropäische Union wieder in die richtige, ihrem Grundgedanken entsprechende Richtung lenken wollen. Was war denn dieser Grundgedanke? – Am 9. Mai 1950 hat Robert Schuman einen Satz geprägt, der die gewaltigen Herausforderungen der Weiterent­wicklung Europas immer noch gut zusammenfasst. Er hat nämlich gesagt: „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Grö­ße der Bedrohung entsprechen.“

Ich würde jetzt die These aufstellen, dass die größte Bedrohung, die wir derzeit haben, eigentlich das Erlöschen dieser europäischen Vision ist, dieser europäischen Werte und des europäischen Weges. Das heißt aber auch, dass die Instrumente, um diese Be­drohung zu bekämpfen, ganz sicher nicht in der Kleingeistigkeit dieses Regierungspro­gramms bestehen, sondern eben in einer schöpferischen Anstrengung. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Eine wirklich schöpferische Anstrengung wäre zurzeit zum Beispiel, sich den Bemü­hungen Emmanuel Macrons anzuschließen, sich dazu zu bekennen, die Europäische Union nicht nur ein paar kleine Schritte weiterzubringen, sondern sie einen großen Sprung weiterzubringen: eine Institutionenreform, Demokratisierung im Sinne der Bür­gerinnen und Bürger, eine Vision der Republik Europa – das findet man da drinnen na­türlich nicht.

Ich als Bürgerin der Europäischen Union möchte aber wissen, wie Sie, werte Kolle­ginnen und Kollegen von der Bundesregierung, das sehen, wo die Europäische Union in 20 oder 30 Jahren sein sollte. Ich finde, ich habe das Anrecht, zu wissen, wohin Sie wollen, denn das ist für mich maßgeblich, um zu wissen, wie sich mein Leben entwi­ckeln wird.

Man kann jetzt noch ein paar Dinge heraussuchen, die einem ein paar Ideen geben, in welche Richtung es gehen könnte. Im Bereich Arbeitsmarktpolitik soll einer der wich­tigsten Grundpfeiler der Europäischen Union, die Personenfreizügigkeit, beschränkt wer­den. Da geht es darum, das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu überprüfen, sich sekto­rale Schließungen des Arbeitsmarktes anzuschauen und so weiter.

In diesem Zusammenhang kann man natürlich den neuen Innenminister aus seinem Vorleben zitieren, als er in einer OTS zu diesem Thema einmal gesagt hat: „Wenn ein EU-Mitgliedsland wirklich den Zug zum Tor hat, kann es sich auch dem EU-Recht wi­dersetzen“. Ich hoffe doch, bitte nicht! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zur Indexierung der Familienbeihilfe steht drinnen, dass man eine „europarechtskon­forme Indexierung der Familienbeihilfe“ fordert. Das ist natürlich ein politischer Genie­streich, denn die gibt es nicht. Das heißt, wenn man es nicht umsetzen kann, ist die bö­se Europäische Union schuld daran, dass sie das nicht möglich gemacht hat.

Die Bereitschaft zur schöpferischen Anstrengung im Sinne der europäischen Zukunft ist nicht gegeben. Wir NEOS werden aber liefern, und Sie werden spüren, wie anstren­gend es sein kann, wenn man mit dieser schöpferischen Energie konfrontiert ist. Ich freue mich schon sehr auf die nächsten fünf Jahre. (Beifall bei den NEOS.)

20.02

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein. – Bitte.