20.48

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Als ich das Bildungsprogramm zum ersten Mal in die Hände bekam und sehr intensiv durchlas, kam immer wieder die Frage in meinen Kopf geschossen: Worum geht es eigentlich der neuen Regierung, wenn sie von Bildung spricht? Geht es ihr darum, die Kinder als Maschinen zu betrachten, die wir schleifen, gleichschalten wollen, damit sie im Sinne der Wirtschaft funktionieren, oder geht es bei Bildung um mündige BürgerIn­nen, die für unsere Demokratie extrem wichtig sind?

Diese Frage habe ich mir spannenderweise bereits vor drei Jahren gestellt. Das war ein Déjà-vu-Moment für mich. Vor drei Jahren war ich nämlich, weil ich damals schon diese Verdrossenheit hatte und mir diese Frage gestellt habe, zwei Wochen per Auto­stopp in Österreich unterwegs, habe neun Bundesländer besucht, bin mit 42 Mitfahrge­legenheiten mitgefahren und habe mit über 170 Menschen in ganz Österreich darüber gesprochen. Zurück in Wien fiel mir bei der Reflexion auf, dass bei meinen Gesprächs­partnerInnen, wenn sie über ihre Schullaufbahn gesprochen haben, immer wieder Er­innerungen an Demütigung, Stress und Anpassung zum Vorschein gekommen sind.

Bildung ist aber mehr als Ausbildung, und das war auch etwas, das ich von dieser Bil­dungsreise mitgenommen habe. Ich hätte mir von den VerhandlerInnen dieses Bil­dungsprogramms gewünscht, sie wären auch hinausgegangen und hätten mit diesen Menschen über ihre Sorgen in Sachen Bildung gesprochen. Dann wäre, glaube ich, dieses Bildungspapier in dieser Form nicht passiert. (Abg. Mölzer: Da haben Sie wahn­sinnig viel mit Leuten aus der Praxis gesprochen!) Es geht nämlich um Angst statt Freu­de, es geht gegen Arm für Reich. Dieses Papier, das hier vorliegt, steht für Ausgren­zung, Absonderung, Separation.

Ich habe gerade vom Kollegen Mahrer von der ÖVP gehört, Bildung erhöhe die Chan­cen auf dem Arbeitsmarkt, führe zur Integration und erhöhe die Sicherheit. – Das kann ich leider nicht sehen, wenn davon gesprochen wird, dass wir separate Klassen für Sprachförderungen, die Errichtung von Eliteschulen in jedem Bundesland und den Aus­bau von Sonderschulen brauchen. Ich glaube, das ist ein Nährboden von Dingen, die zu einer immer größeren Spaltung unserer Gesellschaft führen. Und da kommt etwas, was ich leider oft in der Politik sehe, zum Ausdruck, nämlich ein Wir gegen die ande­ren. Da würde ich mir einen anderen Kurs wünschen.

Ein weiterer roter Faden, den ich gesehen habe, ist das Thema Kontrolle und Strafen. Ich glaube, beim Problem Mangel an Vertrauen, den wir im Bildungssystem sehen, hilft es nicht, wenn wir Kontrolle und Strafe in den Vordergrund stellen. Misstrauen zwi­schen den Lehrkräften, zwischen Lehrern und Schulleitung, zwischen Schulleitung und den Ministerien – ich denke nicht, dass Kontrolle und Strafe dieses Misstrauen abbaut.

Da braucht es Dialog und Zusammenarbeit. Da gibt es zum Beispiel ein Projekt im 3. Wiener Gemeindebezirk, es heißt Markhof. Man arbeitet dort mit Vertrauen, Zutrau­en und Geduld. Herr Bildungsminister Faßmann, ich bin eine Freundin von Kooperation und Innovation und möchte Sie einladen, sich dieses Projekt mit mir gemeinsam anzu­schauen. Auf dem Weg dorthin können wir auch darüber sprechen, wie wir Querein­steigerInnen als LehrerInnen in die Schulen bringen können.

Mehr als 43 Prozent unserer LehrerInnen sind nämlich älter als 50 Jahre. Da stimme ich mit Ihnen überein, dass wir mehr Vielfalt und Kompetenz an den Schulen brauchen und QuereinsteigerInnen, natürlich mit der Unterstützung der Pädagogik, in das Schul­system bringen sollten.

Wir brauchen Vielfalt und Erneuerung an Schulen, aber nicht nur bei den Lehrkräften, sondern auch bei den SchülerInnen. Das ist ein wichtiger Punkt. Begeben Sie sich bitte nicht in den Elfenbeinturm, Herr Faßmann, begleiten Sie mich lieber zu den Menschen im Land! Es muss nicht im Wege von Autostoppen sein. Die Einladung steht. (Beifall bei der Liste Pilz.)

20.52

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Christian Lausch zu Wort. – Bitte.