21.07

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung, ich gratuliere zur Angelobung! Liebe Frau Köstinger, für Ihre neue Aufgabe als Nachhaltigkeitsministerin wünsche ich Ihnen alles Gute! Sie ha­ben eine Herkules-Aufgabe vor sich: Energie, Umwelt und Landwirtschaft in einem Mi­nisterium – na bum! Sie bekommen von mir einen Vertrauensvorschuss. Ich hoffe, dass Sie Ihr Ministerium offen lassen für uns, die Opposition, und für die Menschen und das Know-how in der Zivilgesellschaft.

Im Regierungsprogramm finden sich in den Bereichen, die nachhaltiges Wirtschaften betreffen, einige gute Ansätze, die allerdings noch mit konkreten Zielsetzungen und Maßnahmen gefüllt werden müssen, wie etwa im Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie und Energieeffizienz. Diesbezüglich findet sich für den Zeitraum der aktuellen Legislaturperiode keine konkrete Zielsetzung. Woran sollen wir den Erfolg dieser Regierung messen?

Manche Ansätze in der Landwirtschaft irritieren richtiggehend. Liebe Regierung, haben Sie den Öxit vor? Oder wie sonst kann ich die Zielsetzung verstehen, wenn Sie möch­ten, dass die heimischen Landwirte die Bevölkerung zu 100 Prozent selbst mit Lebens­mitteln versorgen? Sie sagen, nur dann könne Österreich frei sein, Sie meinen aber wohl, freiheitlich sein! Wo sollen die Zitronen und Bananen bei uns wachsen? Wie sol­len wir uns an so langen Sitzungstagen wach halten, wenn wir keinen Kaffee mehr im­portieren dürfen? – Sie setzen wohl auf den beschleunigten Klimawandel!

Zum Klimaschutz müssen wir viel mehr tun, um das 2-Grad-Ziel von Paris zu errei­chen. Einige wirksame Hebel sind gar nicht im Programm enthalten, so etwa die Mas­sentierhaltung, einer der erheblichsten Treibhausgasemittenten weltweit. Wir brauchen auch einen europäischen Energiewendevertrag und so weiter und so fort.

Es gibt aber sehr wohl eine sehr konkrete Stelle im Programm, die mir positiv auf­gefallen ist, nämlich dem Neu- und Ausbau von Atomkraftwerken in Europa, insbeson­dere in den Nachbarländern, mit allen zur Verfügung stehenden politischen und rechtli­chen Mitteln entgegenzuwirken. Die ungarische Regierung plant aber genau das! Sie plant den Bau eines Atomkraftwerks am Standort Paks – es ist ein unerprobter Re­aktortyp – ohne öffentliche Ausschreibung. Dafür hat sich Ungarn gemeinsam mit der Europäischen Kommission einen Plan zusammengepfuscht, der einem wirklich die Haa­re zu Berge stehen lässt! Das ist außenpolitisch, sicherheitstechnisch, EU-rechtlich und beihilfenrechtlich ein Pfusch, der sich über alle Ebenen zieht!

Dubios ist auch die Finanzierungsstruktur. (Zwischenruf des Abg. Lopatka.) Da liefert ein russisches Staatsunternehmen einen Reaktor, der in Ungarn errichtet wird, und die­ses Projekt beziehungsweise dieser Reaktor wird durch einen russischen Staatskredit finanziert. Steht dieses Atomkraftwerk in Ungarn, produziert Ungarn viel mehr Strom, als es selbst brauchen kann. Das heißt, man wird diesen stark subventionierten Atom­strom in die Nachbarländer exportieren. Das verzerrt den Wettbewerb auf dem euro­päischen Strommarkt! Als wäre das alles nicht schlimm genug, soll dieses Atomkraft­werk auch noch auf Erdbebengebiet errichtet werden!

Wir können das heute verhindern. Herr Kurz – er ist nicht mehr da –, Herr Vizekanzler Strache, wenn Sie zu den Worten in Ihrem Regierungsprogramm stehen, Atomkraft­werke in Nachbarländern zu verhindern, dann stimmen Sie diesem Entschließungsan­trag zu, den ich heute hier gemeinsam mit den NEOS einbringe! Kollege Michael Bern­hard, vielen Dank für die gute Zusammenarbeit in dieser wichtigen Sache.

Ich bringe somit folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rechtliche Schritte gegen staatliche AKW-Förderung im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Prüfung des Vorhabens Paks II durch die EU-Kommission“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Genehmigung der staatlichen Beihilfe für die Errichtung des ungarischen AKW Paks II rechtzeitig, innerhalb offener Frist, eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof einzubringen.

Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für einen Energiewendevertrag einzusetzen.

*****

Bestehen Sie diese Nagelprobe oder fallen Sie um? (Beifall bei Liste Pilz und NEOS.)

21.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbstständiger Antrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Schritte gegen staatliche AKW-Förderung im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Prüfung des Vorhabens Paks II durch die EU-Kommission

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 2 „Erklärung der Bun­desregierung“.

Begründung

Ungarn beabsichtigt mit Hilfe eines durch Russland finanzierten Staatskredites zwei zusätzliche Reaktoren („Paks II“) am Standort Paks zu finanzieren. Dabei soll ein bis­lang unzureichend erprobter Reaktortyp ohne Ausschreibung errichtet werden.

Die Gesamtkosten von 10 bis 12 Milliarden Euro werden durch Russland mit einem Kredit in Höhe von mehr als 10 Mrd. Euro gesichert. Russland (Föderale Agentur „Ro­satom“) übernimmt zusätzlich die Lieferung der Reaktorblöcke sowie den Abtransport des radioaktiven Brennmaterials.

Der Bauauftrag an Rosatom erfolgte ohne öffentliche Ausschreibung. Zudem ist die Fi­nanzierung undurchsichtig. Im November 2015 leitete die EU Kommission ein Ver­tragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Ausschreibung von Paks II ein, im Jän­ner 2016 ein Verfahren wegen möglicher unrechtmäßiger staatlicher Beihilfe.

Anhand von oben beschriebenen Tatsachen vertreten die unterfertigten Abgeordneten die Rechtsauffassung, dass die von Ungarn geplante Maßnahme nicht mit dem Bin­nenmarkt vereinbar und daher beihilfenrechtlich unzulässig ist.

Im März 2016 hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft einen Konsultationsbericht veröffentlicht, welcher aus Sicht Öster­reichs gewichtige offene sicherheitstechnische Fragen aufwirft.

Sicherheitstechnische Aspekte haben bei der Beurteilung des Projektes für die Euro­päische Kommission keine Rolle gespielt, obwohl gerade offene sicherheitstechnische Fragen die Fertigstellungskosten bedeutend beeinflussen können. In diesem Zusam­menhang ist auch auf den aktuell relevanten Umstand hinzuweisen, dass seit dem Ju-li 2017 Unterlagen in Ungarn veröffentlicht wurden, die darauf hinweisen, dass der ge­wählte Standort aufgrund nachgewiesener Erdbebenstörungen als ungeeignet anzuse­hen ist. Eine Rechtfertigung seitens der ungarischen Atomaufsicht, die entgegen der veröffentlichten Studien, dennoch eine Standortbewilligung erteilt hat, ist nicht bekannt.

Dies bedeutet nicht nur, dass wichtige sicherheitstechnische Aspekte nicht berücksich­tigt worden sind, sondern ist auch insofern von Relevanz, da, sollte ein neuer Standort gesucht werden müssen, hieraus Kostensteigerungen entstehen, wie auch für den Nach­weis der Standorteignung selbst, weitere zeitaufwendige Untersuchungen mehr als an­gebracht erscheinen - ein Umstand der zu Projektverzögerungen und Kostensteigerun­gen führen muss - alles Umstände, die seitens der EK im Zuge des Beihilfeverfahrens nicht geprüft worden sind.

Um erneuerbaren Energien generell mehr Gewicht auf europäischer Ebene zu verlei­hen, ist es wichtig, die Idee eines europäischen Energiewendevertrages weiterzuverfol­gen. Dieser Energiewendevertrag kann auch ein wichtiges Instrument zur Erreichung der COP21-Ziele sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Genehmigung der staatlichen Beihilfe für die Errichtung des ungarischen AKW Paks II rechtzeitig, innerhalb offener Frist, eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof einzubringen.

Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für einen Energiewendevertrag einzusetzen.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der eben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wendelin Mölzer. Ich erteile es ihm.