22.40

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Regierungsprogramm ist das größte Umverteilungsprogramm weg von der arbeitenden Bevölkerung hin zu der Vermietergruppe, das es in der Zweiten Republik je gegeben hat. Darin findet sich kein einziger Satz, kein einziger Gedanke zu dem dringendsten Problem, dazu, dass sich die Menschen Wohnen in diesem Land nicht mehr leisten kön­nen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Die SPÖ hat ein sehr flexibles Mietrecht, ein modernes Mietrecht vorgelegt. Sie be­schränken sich in Ihrem Regierungsprogramm darauf, die wesentlichen Mieterschutz­bestimmungen zu beseitigen, die Säulen des bestehenden Mietrechts abzureißen und das Segment des leistbaren Wohnraums systematisch zu verkleinern. (Beifall bei der SPÖ.)

Von einem neuen Mietrecht ist in Ihrem Programm keine Rede. Sie wurden dafür na­türlich auch von den Haus- und Grundbesitzern gelobt, die freuen sich darüber, dass den Mietzinsbeschränkungen eine Absage erteilt und den Interessen der Vermieter end­lich wieder Rechnung getragen wurde.

Ich habe mir heute Früh im Internet die Wohnungsangebote für eine dreiköpfige Fami­lie im zweiten und dritten Bezirk durchgesehen, und das Topangebot, das aufgeschie­nen ist, beträgt einmal 10 000 Euro Fixkosten, nämlich 1 450 Euro Miete – befristet na­türlich –, zwei Monatsmieten Maklergebühren, sechs Monatsmieten Kaution, und das bei einem Medianeinkommen für eine dreiköpfige Familie von 3 600 Euro. Und dieser Familie sagen Sie von der Regierung: Wir werden bei einer Enquete 2018 darüber nachdenken, ob Ihre Situation befriedigend ist oder nicht!

Diese Familie hat keine Zeit. In der Zwischenzeit verdienen und profitieren weiterhin die Makler, die Vermieter, die Rechtsanwälte und die Gutachter von diesem so unüber­sichtlichen Mietrecht. Konkret angekündigt im Regierungsprogramm – und hier be­schränke ich mich aufgrund der geringen Redezeit wirklich nur auf vier Bereiche – ist einerseits ein neuer Lagezuschlag im Gründerzeitviertel, und das, obwohl der Verfas­sungsgerichtshof das aus sozialpolitischen Gründen vor kurzer Zeit abgelehnt hat, um dort die Mieten auch leistbar zu halten. Sie vernichten da sozusagen günstigen Wohn­raum, der ganz dringend benötigt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Nach der Buwog-Privatisierung von Schwarz-Blau I – Sie erinnern sich, der Staat hat damals 30 000 Euro für eine Wohnung, insgesamt weniger als 1 Milliarde Euro erhal­ten – wird von Schwarz-Blau III erneut beabsichtigt, Steuermittel zu privatisieren, näm­lich in den Altbauten. Da gibt es die Möglichkeit, sich aus den Wohnungen rauszusa­nieren und die geregelte Miete zu verlassen; es können dann angemessene Mieten verlangt werden. In Wien allein – von den anderen Bundesländern weiß ich es nicht genau – sind 2,5 Milliarden Euro an Steuermitteln in diese Häuser geflossen, und diese sollen nun privatisiert werden können und den günstigen Mieten, den geregelten Mie­ten entzogen werden.

Eintrittsrechte sollen gekappt werden. Sie formulieren das eigentlich sehr zynisch: Der Mietadel soll beseitigt werden. – Das betrifft nämlich alle Menschen. Alle, die in die Woh­nung ihrer Eltern eintreten wollen und über 25 sind, haben dann eine angemessene Miete zu bezahlen, auch, wenn sie selbst in die Wohnung investiert haben. Jetzt ist es schon so, dass eine höhere Miete verlangt wird. Es ist ja nicht so, dass die alle ir­gendeine günstige Miete bezahlen, sondern die müssen ja schon die entsprechende Kategoriemiete bezahlen. Der Vermieter hat nichts investiert. Und die vorgesehenen Einkommensgrenzen, das Einkommensmonitoring bedeutet: Wer mehr arbeitet, wer sich fortbildet, wer besser verdient, der zahlt mehr, der wird bestraft, und diejenigen, die Teilzeit arbeiten, die schwarz arbeiten, die von Aktien leben, werden belohnt, weil sie ein geringeres Einkommen haben.

Das alles ist natürlich Gift für die soziale Durchmischung, und außerdem müsste es auch für alle, die Fördermittel erhalten haben, gelten, das heißt, auch für die Eigen­heimbesitzer und für die Eigentumswohnungsbesitzer, denn die profitieren ihr gesam­tes Leben von dem Fördervorteil, den sie erhalten haben, und können das noch verer­ben.

Insgesamt, glaube ich, kann man wie folgt zusammenfassen, was dieses Regierungs­programm bringt: Die ÖVP macht Politik für die Immobilieninvestoren, und Sie von der FPÖ haben die österreichische Bevölkerung für ein paar Ministerposten verkauft. Ich kann nur sagen: Schämen Sie sich dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

22.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Natio­nalrat Werner Neubauer. Ich erteile ihm das Wort.