9.23

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren der Sozialdemokratie! (Abgeordnete der SPÖ halten Transparente mit den Aufschriften „20.000x Hoffnung“, „20.000x Chancen“, „20.000x Perspektiven“, „20.000x Würde“, „20.000x Zukunft“, „20.000x Arbeit“, „Aktion 20.000 beibehalten“ in die Höhe. Ruf bei der FPÖ: Nein! Retropolitik! Aktionismus! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich bin Ihnen wirklich dankbar für das Thema dieser Aktuellen Stunde, denn das gibt uns die Gelegenheit, einmal den Status quo zu betrachten. (Rufe bei der FPÖ: Herr Präsident! Schreiten Sie ein!) Die Wirtschaft boomt. Wir hatten im letzten Jahr ein Wirt­schaftswachstum von rund 3 Prozent.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Sie ersuchen, die Plakate wieder einzu­rollen. Sie wurden gesehen, und ich glaube, es ist klar, was sie zum Ausdruck bringen. (Abg. Rosenkranz: Was denn? Das neue Gehalt des SPÖ-Vorsitzenden? – Die Abge­ordneten der SPÖ entfernen die Transparente.)

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Ich darf es wiederholen, während Sie Ihre Plakate wieder einrollen: Die Wirtschaft boomt. Wir hatten ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent. Man könnte erwarten, dass wir Vollbeschäftigung haben. Man könnte erwarten, dass die Wirtschaft gute Gehälter zahlt und die Menschen gut verdienen. Man könnte erwarten, dass es keine Armut mehr gibt. Aber ist es so? Haben Sie uns solch eine Situation hinterlassen? (Nein-Rufe bei der FPÖ.) – Nein, das haben Sie nicht, ganz und gar nicht.

Im Jahresdurchschnitt 2017 hatten wir 340 000 Arbeitslose, und 70 000 Menschen wa­ren in Schulungen. Das sind zusammen 410 000 Arbeit suchende Menschen. Ich sage immer, das ist fast zwei Mal die Stadt Graz – nur damit man ein bisschen ein Bild hat, wie viele Menschen das sind. Das ist eine riesige Zahl, die in Zeiten, in denen es in der Wirtschaft gut läuft, eigentlich nicht zu rechtfertigen ist.

Im Vergleich dazu das Jahr 2008: Damals gab es nur rund 260 000 Arbeitsuchende. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Wir haben also heute um 150 000 Arbeitslose mehr – Herr Kollege, bitte passen Sie auf! (Abg. Rosenkranz: Das fällt dem schwer!) – als 2008. Und was war 2008? – Eine Finanzkrise! Das heißt also, bei einer guten Wirt­schaftslage haben wir jetzt mehr Arbeitslose als damals. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In wirtschaftlich guten Zeiten mehr Arbeitslose zu haben als in wirtschaftlichen Krisen­zeiten ist schon ein starkes Stück. (Abg. Wittmann: Sie selbst sprechen dazu, dass es eine schwierige Situation ist! ... Maßnahmen!)

Und jetzt stellen Sie sich her und fragen uns, wie wir das rückgängig machen. (Abg. Belakowitsch: Ja, genau, warum?) Bevor wir über Konzepte reden, müssen wir uns aber schon einmal anschauen, mit welchen Konzepten Sie sich der Situation ange­nommen haben. (Abg. Wittmann: Sie brauchen keine Konzepte, Sie ...!) Da haben wir die Aktion 20 000, die Sie jetzt so schön plakatiert haben. Ich habe sie übrigens sistiert, weil ich mir das genau anschauen wollte. Es gibt eine Evaluierung der Zwischener­gebnisse, und daraus möchte ich zitieren. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.– Hören Sie zu, Herr Kollege, Sie können noch etwas lernen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Loacker. Abg. Rosenkranz – in Richtung SPÖ : Die frühere Frau Unter­richtsministerin schüttelt den Kopf, die weiß, dass er nichts mehr lernen kann! Abg. Stöger: Das war das Ziel: 4 000 Leute ...!)

Ich möchte aus diesem Evaluierungsbericht zitieren:

Erster Punkt: Seltsamerweise gibt es kaum oder nur wenig Interesse von Vereinen. Die derzeitige Vermittlung findet fast ausschließlich in kommunalen Bereichen statt.

Zweiter Punkt: Momentan wird von den Gemeinden kommuniziert, dass nach Ende der Förderung mangels Budget eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist. – Zitatende. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich will dem Endbericht nicht vorgreifen, aber: Nachhaltigkeit? Diese Arbeitsplätze gibt es nicht. Das heißt, Sie halten diesen Leuten die Karotte vor die Nase, und nach zwei Jahren können sie wieder arbeitslos werden. – Das ist Ihr Ziel! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Rufe bei der FPÖ: Genau! So ist es! Solange die Karotte rot ist! Ruf bei der SPÖ: Keine Arbeitsplätze ...!)

Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie! Das sind Methoden des Kommunis­mus. Verstaatlichte Arbeitsplatzbeschaffung, das funktioniert nicht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Abg. Rosenkranz: Richtig, das muss einmal gesagt werden! Zwischenrufe der Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Krainer und Wittmann.)

Ich darf Ihnen noch zwei andere Zitate bringen:

Die Mindestanforderung von 30 Wochenstunden ist für Personen aus der Zielgruppe teilweise zu hoch. – Zitatende. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. Präsident So­botka gibt das Glockenzeichen. Abg. Krainer: Hat sie „Kommunismus“ gesagt?!)

Der zweite Punkt: Es gibt ein strukturelles Gap. (Abg. Krainer: Schreiten Sie bitte ein!) In der Aktion 20 000 werden hochwertige Jobs angeboten, aber niederschwellige Jobs nachgefragt. (Abg. Krainer: Das ist der Vorwurf eines totalitären Systems! Das ist ein Vorwurf, den muss man sich nicht gefallen lassen! – Ruf bei der FPÖ: Na das ent­scheiden nicht Sie! – Abg. Krainer: Schreiten Sie doch bitte ein! Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren der SPÖ! Bitte hören Sie doch einmal zu, Herr Kollege! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. Abg. Krainer: Das muss man sich nicht gefallen lassen! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben Ihre verstaatlichten Ar­beitsplätze an der Zielgruppe vorbeiproduziert, und so kann das natürlich nicht funktio­nieren. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Krainer: Sie können das doch nicht durchgehen lassen! Hier sitzen ausschließlich aufrechte Demokraten! Herr Präsident, bitte! Abg. Hauser: Wir hören nichts, Herr Präsident!)

Aber woher kommt das strukturelle Gap? Da gibt es Menschen, die sehen einen Zu­sammenhang mit den über 1,3 Millionen - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich höre nichts, und ich kann nicht einschreiten, weil ich das nicht beurteilen kann, wenn Ihre ständigen Zwischenrufe die akustische Überprüfung unmöglich machen. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Krainer: Das ist ja lächerlich! Das ist ja nachher passiert! Ich lasse mir das Protokoll holen! Hier sind nur aufrechte Demokraten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.  Abg. Rosenkranz: Ha­ben wir ein paar Baldriantropfen für den Kollegen Krainer? Abg. Wittmann: Was ist das für eine Vorsitzführung?)

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Da gibt es Menschen, die einen Zusam­menhang mit den 1,3 Millionen Ausländern sehen, die in Österreich leben, konkret mit den Migranten, die Sie auf rechtswidrigem Wege in den letzten Jahren nach Österreich gebeten haben, weil viele davon weder schreiben noch lesen können. Diese Diskus­sion kommt dann heute Nachmittag. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich persönlich möchte es mir nicht so einfach machen, aber weil ich von Ihrer Seite immer höre: Die Ausländer machen nur die Jobs, für die sich die Österreicher zu scha­de sind!, möchte ich Ihnen sagen: Genau an diesem Punkt haben Sie die wichtigen Chancen vertan. (Abg. Wittmann: Wer hat denn die Rede geschrieben? Sie hätten die Rede vorher lesen müssen!) Sie haben die Chance vertan, dass man für einen nieder­schwelligen Job ein anständiges Gehalt bekommt. Sie haben die Chance vertan, dass jene Menschen, die bereit sind, anderer Leute Mist wegzuräumen, hervorragend davon leben könnten. Sie haben die Chance vertan, dass auch die schlecht ausgebildeten Österreicher einen fairen Anteil an der Wertschöpfung haben. Das ist Ihre Verantwor­tung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abge­ordneten Krainer und Wittmann.)

Sie haben mit billigsten Arbeitskräften aus dem Ausland dazu beigetragen, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Wenn wir von der EU einfordern, dass sie die Schengenaußengrenze absichert, dann stellen Sie sich hin und nennen uns EU-feindlich und ausländerfeindlich. (Abg. Königsberger-Ludwig: Was hat das mit der Aktion 20 000 zu tun?) Wir kümmern uns damit aber um Österreicher, deren Chancen Sie leichtfertig vertan haben.

Und ich höre jetzt schon etwas anderes: die Mangelberufsliste! (Abg. Königsberger-Ludwig: Aktion 20 000!) Das zeigt nur, wie wenig Sie sich eigentlich wirklich um die Fakten kümmern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Klubobmann Kern, Sie reden von solchen Dingen, aber Sie kümmern sich über­haupt nicht um die Dinge, die wirklich notwendig sind. Das haben Sie nie gemacht! Die Mangelberufsliste: Eine Handvoll Köche können Sie nicht mit Abertausenden Migran­ten vergleichen, die Sie ins Land gewunken haben. Diese Handvoll Köche brauchen wir. Wir sind ein Tourismusland, wir sind ein Dienstleistungsland, die Gruppe der Kö­che muss auf die Mangelberufsliste. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Loacker. Abg. Stöger: Dann müssen die Unternehmen sie ausbil­den!)

Sie vergessen nämlich Folgendes: Wenn jemand wo kocht, dann braucht es dort noch andere Menschen, Menschen, die servieren, abräumen und wieder sauber machen. Sie schaffen damit aber auch Arbeitsplätze bei den Zulieferern, wenn Sie der Gastro­nomie und dem Tourismusbereich Köche geben – aber das alles scheint Sie ja nicht zu interessieren.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Thema Enteignen, denn das ist mir ganz wichtig: Sie betreiben seit Jahr und Tag eine Politik der Enteignung. Dabei rede ich gar nicht von Ihrer sozialpolitischen Errungenschaft, der Mindestsicherung, mit der Sie seit Jahren auf die Vermögen der Ärmsten zugreifen, nein, meine Damen und Herren, son­dern worüber wir beim Thema Enteignen schon reden müssen, das ist die unersättliche Schuldenpolitik, mit der Sie seit Jahren die Bürger dieses Landes enteignet haben. Das müssen Sie einmal betrachten! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Un­glaublich! Was steht in Ihrem Regierungsprogramm? Sie greifen zurück auf das Ver­mögen!)

Was ist das denn anderes als eine Enteignung des fleißigen Bürgers, des fleißigen Österreichers, wenn Sie ungedeckte Schecks verteilen und Zahlungsversprechen an die Superreichen abgeben? (Ruf bei der SPÖ: Propaganda ...!) Ihre Politik des Schul­denmachens ist nichts anderes als eine Umverteilung von Fleiß und Reichtum. Ihre Politik des Schuldenmachens belastet Arbeitnehmer und Arbeitgeber. (Abg. Krainer: Das kann jetzt nicht Ihr Ernst sein! Abg. Schieder: Reden Sie einmal zum Thema!) Ihre Politik des Schuldenmachens ist hauptverantwortlich dafür, dass sich das Schaf­fen von Arbeitsplätzen für die Wirtschaft immer weniger lohnt. (Abg. Wittmann: Sie sind ja nicht auf dem Parteitag da!) Ihre Politik des Schuldenmachens verhindert das Schaffen von Arbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, Sie alle kennen den ehemaligen Hauptverbandspräsidenten Böhm. Der hat gesagt, soziale Sicherheit ist die Grundlage der Demokratie! – Das war Ihr Präsident: Soziale Sicherheit ist die Grundlage der De­mokratie! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unsere Regierung schafft das: Sie schafft Arbeitsplätze und senkt Steuern, sodass dem Österreicher wirklich mehr Geld im Börserl bleibt, und sie schafft dementspre­chend auch einen wirklich funktionierenden Sozialstaat, was Sie nicht geschafft haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Wittmann: ... Propagan­da! Zwischenruf des Abg. Keck.)

Ich bitte Sie wirklich: Verunsichern Sie die Menschen in unserem Land nicht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.) Unsere Regierung sichert den Sozialstaat. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

9.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung? – Bitte, Herr Abge­ordneter Schieder. (Ruf bei der FPÖ: Jössas Maria!)