9.53

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Wenn einer Verständnis für Zwischenrufe hat, dann bin das sicher ich, aber das, was der SPÖ-Klub heute aufgeführt hat, wie Sie die Ministerin niedergebrüllt haben, war unter jeder Kritik. (Beifall bei NEOS, ÖVP und FPÖ.)

Zum Arbeitsmarkt: Wir haben in Österreich eine Rekordzahl an offenen Stellen, 35 Pro­zent mehr als vor einem Jahr. Die Wirtschaft brummt und bekommt die Leute nicht, die sie braucht. Da kommt dann aus der sozialdemokratischen Ecke oft: Ja, dann müsst ihr halt mehr zahlen, dann kriegt ihr die Leute schon! Aber das ist keine Frage der Wirt­schaft, das ist auch eine Frage des öffentlichen Dienstes. Der Zoll in Vorarlberg hat 200 Planstellen, davon sind 25 nicht besetzt, weil gar keine Bewerber daherkommen.

Jetzt haben wir folgende Situation: Wir haben, wie man am Arbeitsmarkt sagt, einen Mismatch, nämlich ein Nichtzusammenpassen der Qualifikationen, aber wir haben auch einen regionalen Mismatch, wir haben Arbeitskräfte im Osten, die einen Job suchen, und wir haben Arbeitsplätze im Westen, für die man die Arbeitskräfte nicht findet. Die Unternehmen im Westen Österreichs stellen Arbeitskräfte aus Dresden, aus Chemnitz, aus Rostock an, aber in Österreich kann man einem Niederösterreicher nicht zumuten, dass er in den Westen des Landes fährt, um einen Job anzunehmen. Das ist die Form, wie Sie in den letzten Jahren Arbeitsmarktpolitik gemacht haben, und das müssen wir jetzt leider ausbaden.

Frau Ministerin, ich bin Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, die Aktion 20 000 bläht nur den öffentlichen Sektor auf. Da werden Jobs, Posten ohne Arbeit geschaffen. Das ist de­mütigend, wenn ich irgendwo hingestellt werde und das mache, was der damalige So­zialminister Stöger zu mir gesagt hat, nämlich ein paar Kopien in der Schule. Da fühlt man sich auch nicht wertgeschätzt, wenn man auf so einen Posten ohne Arbeit gesetzt wird. Aber, Frau Ministerin, wenn die Aktion 20 000, wie Sie sagen, ein kommunisti­sches Teufelswerk ist, dann frage ich mich: Warum haben Sie sie nur ausgesetzt und nicht überhaupt abgeschafft? Da sehe ich auch eine Inkonsequenz.

Wenn wir bei den Inkonsequenzen bleiben: Im Anschluss an diese Sitzung findet eine Hauptausschusssitzung statt, und da werden Zuwandererkontingente beschlossen. Die schwarz-blaue Mehrheit wird, wie vorher die alte rot-schwarze Regierung, wieder die Saisonnierkontingente herunterfahren und gleichzeitig die Quoten für Familienzusam­menführung hinauffahren. Also die Leute, die bei uns arbeiten würden, die lassen Sie nicht herein, aber die anderen holen Sie. (Abg. Rosenkranz: Das schreibt die EU vor, Kollege!) – Die EU, Kollege, schreibt nicht vor, dass wir die Saisonnierkontingente hi­nunterfahren. (Abg. Rosenkranz: Nein, nein! Die zur Familienzusammenführung!) – Ja, dann drehen Sie es nicht um! (Abg. Rosenkranz: Sie sind normalerweise sach­licher! Was fehlt heute?) Sie fahren die Saisonnierkontingente herunter und wollen nicht, dass die Leute zu uns kommen, die hier arbeiten wollen.

Besonders witzig finde ich es, wenn die SPÖ sich da als arbeitsmarktkompetent auf­spielt, denn die Behauptung von Klubobmann Kern, über die Mangelberufsliste würden 150 000 Leute zu uns kommen, die den Österreichern die Jobs wegnehmen, war jetzt nicht gerade ein Kompetenzbeweis. Wenn ich so etwas behauptet hätte, dann hätten mich der Hundstorfer und der Stöger zu Recht in der Luft zerrissen. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Derart neben der Spur stehend eine Ak­tuelle Stunde zum Arbeitsmarkt anzuzetteln ist durchaus mutig.

Nun, man muss auf dem Arbeitsmarkt einiges tun. Wir müssen, Klubobmann Wöginger hat es gesagt, in Bildung investieren. Wir von den NEOS haben ein Konzept für ein individuelles Bildungskonto vorgelegt. Die Pläne liegen auf dem Tisch, und wir freuen uns, wenn die Regierungsmehrheit dazu Ideen von uns aufnimmt. Wir haben in der letzten Gesetzgebungsperiode ein Thema aufgebracht, nämlich die Notstandshilfe und die Mindestsicherung zu einem System der sozialen Absicherung zusammenzuführen. Ich freue mich, dass ich das im Regierungsprogramm lese, und wünsche mir eine baldige Umsetzung dessen, aber eine Versachlichung der Debatte tut dringend not. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

9.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Daniela Holzinger-Vogten­huber. – Ich darf ihr das Wort erteilen.