10.33

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! „Wir werden als aktiver und zuverlässiger Part­ner an der Weiterentwicklung der EU mitarbeiten.“ – Das ist für mich, was die Europa- und Außenpolitik betrifft, der Schlüsselsatz in diesem Regierungsprogramm (ein Ex­emplar des Regierungsprogramms in die Höhe haltend), nämlich die Zukunft unseres Kontinents aktiv und zuverlässig mitzugestalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es war Bundeskanzler Sebastian Kurz, der in Brüssel, in Paris, in Berlin sehr klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sich diese Bundesregierung in ihrer proeuropäischen Haltung in der Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte dafür einsetzen wird, dass sich Europa in eine gute Richtung weiterentwickelt.

Ja, wir wollen die EU entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip, das schon den Grün­dervätern der Europäischen Union sehr wichtig war, weiterentwickeln. Daher ist es gut – und ich freue mich darüber –, dass Bundesminister Gernot Blümel heute die erste Aktuelle Europastunde in dieser Legislaturperiode bestreitet, denn er wird im Herbst eine zentrale Aufgabe zu erfüllen haben, wenn wir diese Präsidentschaft über die Büh­ne bringen.

Wo steht die Europäische Union am Beginn des Jahres 2018? Was wird auf der Ta­gesordnung stehen, wenn wir die Präsidentschaft innehaben? – Wirtschaftlich, und das haben wir in der Debatte zuvor schon gehört, präsentiert sich die EU – und damit tun das auch die öffentlichen Haushalte der Mitgliedstaaten – eigentlich sehr positiv.

Wir haben eine Situation, die wir in den letzten zehn Jahren nicht hatten: Die Verschul­dungsquote insgesamt geht zurück, die Arbeitslosigkeit geht zurück, wir haben einen Rekordbeschäftigtenstand. Man könnte also meinen, alles sei in Ordnung. Nein, ganz so ist es nicht! Wir haben natürlich auch schwierige offene Fragen, die in der Präsi­dentschaft in der zweiten Jahreshälfte dann teilweise sogar kulminieren werden, wenn ich an den Brexit denke, betreffend den wir einen Abschluss in den Verhandlungen zu finden haben.

Unsere Präsidentschaft, und es ist die dritte für Österreich – wir hatten schon 1998 und 2006 die EU-Ratspräsidentschaft inne –, wird diesmal eine in einer neuen Form sein. Es gibt jetzt eine sogenannte Triopräsidentschaft. Diese Triopräsidentschaft wird mit Estland, das die Präsidentschaft in der vorangegangenen Jahreshälfte innehatte, mit Bulgarien, das sie in der ersten Jahreshälfte 2018 innehat, und mit Österreich gebildet, und gerade die Esten – ein kleines Land – haben gezeigt, dass in Europa nicht nur die Großen – die Deutschen, die Franzosen – das Sagen haben, sondern dass durchaus auch ein kleines Land nicht nur bemerkt wird, sondern ganz entscheidend für einen Fortschritt sorgen kann.

In der Digitalisierung sind die Esten durchaus auch für uns ein Vorbild, und wir werden deren Arbeit auch während unserer Präsidentschaft entsprechend fortsetzen, aber – ich habe das schon gesagt – dazu kommen neue Aufgaben wie der Brexit.

Ja, es war sicherlich ein schwerer Verlust für die Europäische Union, als die Briten mit ihrem Referendum im Juni 2016 so entschieden haben, denn es ist nicht nur der Verlust von mehr als 10 Milliarden Euro dieses zweitgrößten Nettozahlers der Europäi­schen Union, sondern es ist für mich auch der Verlust von sehr vielen inhaltlichen Beiträgen, die die Briten geleistet haben, die dieser Europäischen Union jetzt fehlen werden. Gerade in den transatlantischen Beziehungen war Großbritannien ganz wich­tig für die Europäische Union, etwa als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates, und es gibt viele andere Bereiche, in denen uns die Briten fehlen werden.

Jetzt geht es darum, diesen Brexit bestmöglich zu Ende zu führen und die Briten, das Vereinigte Königreich, in Zukunft als guten Nachbarn zu haben. Das ist auch für Ös­terreich sehr wichtig und wird eine der Schlüsselaufgaben unserer Präsidentschaft sein.

Direkt damit verbunden ist auch der mehrjährige Finanzrahmen, denn wenn es weniger Geld gibt, dann muss man umso sorgsamer mit dem Geld umgehen. Das wird unser Leitmotiv sein, wenn wir in die Verhandlungen treten, was den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen betrifft, denn nach dem Austritt von Großbritannien wird es weniger Geld in der Europäischen Union geben; umso sorgsamer müssen wir mit diesem Geld umgehen.

Ein dritter Punkt, den ich ansprechen darf, ist ganz wichtig, und dabei zeigt sich eu­ropaweit eine Bewegung in die Richtung, die Bundeskanzler Sebastian Kurz als Au­ßenminister schon immer eingefordert hat, nämlich den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union der Debatte voranzustellen, wie wir dann Flüchtlinge verteilen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass da auch Deutschland in Bewegung gekommen ist. Die letzten Aussagen des deutschen Innenministers stimmen mich sehr positiv, dass die­ses Konzept, das unser Bundeskanzler vertreten hat, jetzt auch europaweit so gese­hen wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Dass wir Migrations- und Sicherheitsfragen in das Zentrum unserer Präsidentschaft rü­cken, das erwartet sich die österreichische Bevölkerung zu Recht von uns.

Noch einen vierten Punkt darf ich erwähnen: Österreich war es immer sehr wichtig, dass die Westbalkanstaaten eine Beitrittsperspektive haben. Alois Mock war als Au­ßenminister ein Vorreiter, was zum Beispiel Kroatien betrifft, was Slowenien betrifft, die jetzt wertvolle Mitglieder der Europäischen Union sind. Diese Beitrittsperspektive brau­chen auch andere Westbalkanstaaten. Daher trifft es sich gut, dass auch Bulgarien das während der aktuellen Triopräsidentschaft so, wie wir es sehen, sieht und dass dann nach uns wieder zwei Staaten Teil der Triopräsidentschaft sein werden, die diesen Schwerpunkt fortsetzen werden; das werden dann nämlich die Rumänen und die Kro­aten sein, die die Präsidentschaft innehaben.

Jetzt stellt sich die Frage: Welche Aufgabe kommt da dem Parlament zu? Haben wir als Abgeordnete hier eine Aufgabe zu erfüllen? – Ja, das haben wir. Erstens: Seit dem Vertrag von Lissabon wird uns als nationalstaatlichem Parlament eine Palette von Mit­wirkungsmöglichkeiten eingeräumt, die wir vorher nicht hatten. Ja, wir sind auch ein Teil der parlamentarischen Kontrolle auf der europäischen Ebene. Natürlich haben uns unsere Regierungsmitglieder, die im Rat vertreten sind, hier Rede und Antwort zu ste­hen. Wir haben auch gesagt, wir wollen, dass auch die Europaabgeordneten hier das Wort ergreifen dürfen; nach mir wird heute auch unser Delegationsleiter Othmar Karas als einer der Europaabgeordneten hier reden. Dieses Zusammenspiel ist ganz wichtig.

Wenn die Europäische Kommission Vorschläge macht, die nicht nach unserem Ge­schmack sind, so haben wir gemeinsam mit den anderen Parlamenten der Europäi­schen Union die Möglichkeit, der Kommission die Gelbe Karte zu zeigen, zu sagen: So nicht! Wir haben die Möglichkeit dieser Subsidiaritätsrüge; und gerade der Bundesrat, unsere zweite Kammer, ist in diesem Bereich sehr aktiv. Wenn auf europäischer Ebene aber trotzdem ein Gesetzesbeschluss gefasst wird, mit dem wir nicht zufrieden sind, können wir als Nationalrat auch eine Subsidiaritätsklage an den Gerichtshof der Eu­ropäischen Union richten.

Bevor es aber so weit kommt, gilt es immer, dass man sich gut mit den anderen Parla­menten abstimmt. Sechs Jahre bevor Österreich der Europäischen Union beigetreten ist, nämlich schon im Jahr 1989, haben sich die Europaausschüsse der nationalen Par­lamente in der Cosac zusammengefunden, um gemeinsam vonseiten nationalstaatli­cher Parlamente, vonseiten unserer nationalstaatlichen Kammern die Weiterentwick­lung von Europa aktiv mitzugestalten. Wir werden hier in Wien in der zweiten Jahres­hälfte auch zwei wichtige Konferenzen der Cosac haben, im Rahmen derer wir die Subsidiarität, nämlich die Fragen: Was soll auf europäischer Ebene geregelt werden, wo brauchen wir mehr Europa? – auch diese Bereiche gibt es –, aber auch: Was soll besser nationalstaatlich geregelt werden?, näher beleuchten.

Einen Punkt, der ganz wichtig ist, möchte ich noch kurz ansprechen, und zwar die ge­meinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Auch diese betreffend haben wir seit dem Jahr 2012 eine gemeinsame Konferenz, auf der die entsprechenden Ausschuss­vorsitzenden europaweit zusammenkommen.

Ich fasse zusammen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Daher wird nicht nur die Bundesregierung diese Chance der EU-Präsidentschaft nützen, sondern auch wir als gesamtes Parlament sind aufgefordert, gemeinsam entsprechend staatspolitisch vorzugehen, damit diese Präsidentschaft eine wird (Präsident Sobotka gibt das Glo­ckenzeichen), nach der die Republik Österreich mit sich selbst sehr zufrieden sein kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.43

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Mag. Gernot Blümel. – Bitte.