10.52

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Liebe Evelyn und liebe Angelika! Es ist gut so, dass sich die erste Europastunde in dieser Legislaturperiode mit dem Thema der zukünftigen Ratspräsidentschaft Öster­reichs im zweiten Halbjahr beschäftigt, und es ist gut, dass der zuständige Minister ein bisschen das Umfeld darstellt.

Österreich ist seit dem 1. Jänner 2018 – es ist angedeutet worden – Mitglied der Rats­troika. Diese verstärkte Mitverantwortung für die Arbeit des Rates und die Zusammen­arbeit der Regierungen der Mitgliedstaaten werden wir bis 30. Juni 2019, also bis nach der Neuwahl der europäischen Bürgerkammer, des Europäischen Parlaments, inneha­ben. Das Bild, das die Europäische Union bei dieser Wahl zeigt, wird wesentlich davon abhängen, wie man während der österreichischen Ratspräsidentschaft und wie Öster­reich innerhalb der Troika agiert.

Von der Troika hat derzeit Bulgarien die Ratspräsidentschaft inne, ab 1. Juli 2018 wer­den wir die Ratspräsidentschaft selbst übernehmen; Rumänien folgt uns im Vorsitz nach. Die Zusammenarbeit mit diesen Ländern und die Koordinierung ist daher für unseren Erfolg und jenen der EU besonders wichtig. Ich sage das auch deshalb, weil natürlich eine enorme Erwartungshaltung gerade auf jenem Halbjahr, in dem wir die Ratspräsidentschaft innehaben, liegt, weil es das letzte Halbjahr ist, in dem man Ge­setze fertig machen kann, und weil wir zu den Brückenbauern zwischen den neuen und den traditionell demokratischen westlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ge­hören.

Die Ratspräsidentschaft, das ist angedeutet worden, hat sich seit dem 1.12.2009, dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags, sehr verändert. Der Ratspräsident bleibt Donald Tusk. Die Position des Eurogruppenchefs rotiert nicht. Die EU-Außenbeauftragte wech­selt nicht. Der Brexitverhandler bleibt Michel Barnier. Trotzdem stehen unser Land, Österreich, unsere Bereitschaft, die EU handlungsfähiger und zukunftsfitter zu machen, die Brückenbauerfunktion im Rat und als Kogesetzgeber mit dem Europäischen Par­lament im Rampenlicht.

Wir sind Gastgeber, Motor, Initiator, Partner, Troubleshooter, ja, wir üben eine Dienst­leistungsfunktion in der und für die Europäische Union aus. Einigungen gibt es nur, wenn wir wissen, was die anderen wollen, und das betreffend, was wir für richtig, not­wendig und dringend erachten und worauf wir, Österreich, uns mit den Verhandlern des Europäischen Parlaments in der Gesetzgebung einigen. Wir werden nichts errei­chen, wenn jemand glaubt, sich auf Kosten der Europäischen Union profilieren zu kön­nen. Nur wenn wir die Handlungsfähigkeit, die Zukunft der EU über alle nationalen, parteipolitischen, ideologischen, taktischen Einzelinteressen stellen, werden wir es schaf­fen.

Die Idee Europa ist stärker als das, was uns scheinbar trennt. Die finanzielle Vo­rausschau für die nächsten fünf, sieben oder zehn Jahre muss vorangetrieben werden. Die Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich müssen abgeschlossen werden. Die Weichen für das Spitzenkandidatenmodell für die Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten und seine Kommission sind zu stellen. Die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion ist konsequent nach dem Modell Macron und der Rede von Jean-Claude Juncker zur Lage der Union voranzutreiben. Die Proportionali­tät im Finanzwesen hat beschlossen zu werden. Der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche ist abzuschließen. (Zwischenruf bei der Liste Pilz.) Die Russland­sanktionen sind zu verlängern, wenn das Friedensabkommen von Minsk weiter nicht umgesetzt wird. Der Sanktionsmechanismus bei der Verletzung von Rechts- und Wer­teregelungen der Europäischen Union ist effizient zu gestalten. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schluss.

Die Ratspräsidentschaft sollte auch für die Information der Bürger und das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern genützt und die Rolle Österreichs in der Europäi­schen Union sichtbar gemacht werden. Stehen wir zu unserer Mitverantwortung! Freu­en wir uns auf die Präsidentschaft innerhalb der Europäischen Union! Wir vom Euro­päischen Parlament sind Partner, wir sind Begleiter; und wir Parlamentarier sollten al­les daran setzen, dass die EU demokratischer wird, dass sie nicht zu einer EU der Regierungen und der Intransparenz wird (Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glo­ckenzeichen), sondern dass die Bürgerinnen und Bürger und die Parlamente die Zu­kunft der Europäischen Union bestimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

10.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.