11.56

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Ratspräsidentschaft innezuhaben bedeutet für ein kleines Land, dass alle Augen auf uns gerichtet sein werden, und deshalb fände ich es auch eine gescheite Idee, wenn wir en détail darüber reden, was wir eigentlich vorhaben – aber wirklich gehört hat man das heute nicht.

Vom jetzigen Bundeskanzler haben wir vor einem halben Jahr eine Anfragebeantwor­tung über die Schwerpunktthemen bekommen, in der es hieß: Arbeitsplätze, Wachs­tum, Wettbewerbsfähigkeit, Schutz der BürgerInnen, Energieunion, Klimapolitik, und noch zwei, drei Punkte mehr. Das könnte jetzt auch eher als eine Wortwolke gesehen werden, aber es war jedenfalls mehr, als wir heute gehört haben.

Das Einzige, was vom zuständigen Minister als Topthema genannt worden ist, war das Thema Subsidiarität. Entweder man interpretiert das so, dass wieder etwas erfunden wird, was es schon gibt, aber vielleicht nicht gelebt wird, oder man möchte damit subtil andeuten, in welche Richtung man europapolitisch gehen will, und das ist eine Rich­tung in die Vergangenheit und nicht in die Zukunft und Weiterentwicklung der Europäi­schen Union. Nichts anderes ist diese Forderung nach einem Subsidiaritätspakt oder etwas in dieser Art. Man lässt diese Worthülse wie einen Zauberstab wirken, mit dem man alles, was negative Assoziationen mit der Europäischen Union hervorruft, wo Ös­terreich natürlich meistens mitgestimmt und mitgewirkt hat, einfach schnell verschwin­den lassen möchte.

Subsidiarität – das wissen wir, und das hat auch Abgeordneter Lopatka zu Beginn sehr genau erklärt – ist ein wichtiger Bestandteil des Vertrages von Lissabon. Das ist ein Grundprinzip. Das muss man weder erfinden noch reparieren noch sonst irgendetwas, man muss es halt leben, aber vielleicht ist diese kleine Zeile im Regierungsprogramm, dass mit dem Gold Plating jetzt aufgehört wird, also der freiwilligen Übererfüllung von EU-Vorschriften, ja eh ein bisschen das, was man damit sagen wollte. Man fängt jetzt vielleicht an, diese Instrumente, die man jetzt schon dank des Vertrages von Lissabon hat, zu nutzen.

Wir haben heute doch wieder gehört, es soll ein Mehr dort geben, wo die EU sinnvoll ist, und ein Weniger dort, wo sie nicht sinnvoll ist. Das klingt alles sehr logisch, und der Vertrag von Lissabon schreit laut zurück: Ja, eh, das kann man mit mir schon machen! Was das jetzt aber genau heißt, wo denn mehr Europa oder wo weniger Europa kom­men soll, darüber diskutieren wir hier nicht. Ich würde das gerne von dieser Regierung hören – im Regierungsprogramm steht im Kapitel Europa nicht viel drinnen –: Was heißt denn mehr Europa? Da bräuchte man ein Bekenntnis dafür, wo denn mehr Europa notwendig ist. Heißt das dann wirklich eine gemeinsame Außen- und Verteidi­gungspolitik? Was würde das bedeuten? Und: Wo wäre denn weniger Europa notwen­dig?

Ich finde, es ist eine interessante Frage, auch intellektuell eine spannende Diskussion, aber man müsste diese halt auch führen, man müsste wirklich konkrete Vorschläge ha­ben, und dann könnten wir hier darüber diskutieren, ob das sinnvoll ist oder nicht. Was hier aber in den Raum gestellt wird, der Stopp der europäischen Integration und dieses Hirngespinst, dass wir auch nur irgendeine nennenswerte Herausforderung auf natio­nalstaatlicher Ebene besser lösen könnten als gemeinsam auf europäischer Ebene, das ist eigentlich politisch völlig verantwortungslos.

Für mich als junge Europäerin, muss ich sagen, ist dieses Programm für die österrei­chische Ratspräsidentschaft schlichtweg zu wenig. Es ist mir einfach zu wenig, denn ich habe da mehr Erwartungen. Die Chance zu haben, die Europäische Union ein hal­bes Jahr lang in dieser Art und Weise mitgestalten, weiterbringen zu können, dass man überhaupt einmal in seiner politischen Karriere die Gelegenheit hat, die Europäische Union mitgestalten zu können, das müsste doch wirklich jeden in närrische, freudige Erwartung und Aufregung bringen.

Wir Jungen in Österreich – ich weiß natürlich, dass es da ein generational gap in der Wahrnehmung gibt – wollen mehr Europa, und wir wollen auch mehr von Europa. Wir wollen mehr aus Europa herausholen können. Diese Chance sollte man als Politikerin und als Politiker wahrnehmen. Die Europäische Union ist für uns keine Bürde. Sie ist eine Chance, sie ist ein Traum, sie ist die Hoffnung auf ein erfolgreiches Leben für viele junge Menschen in Europa, die das im Moment noch nicht sehen.

Wir waren gerade bei der Frage, wie das andere sehen. Im Europäischen Parlament sehen das auch sehr viele Kollegen der ÖVP anders. Wie man heute in der „Presse“ lesen konnte, ist Minister Blümel mit seinem Vorschlag, das EU-Budget zu kürzen, auch bei den Kollegen der EVP abgeblitzt. Ich finde es positiv, dass es dort auch Kolle­gen mit Verantwortungsbewusstsein gibt, die solchen Ideen schnell eine Absage er­teilen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Rosenkranz: Das ist so in einer pluralistischen Partei! Die sind nicht alle so gleichgeschaltet wie die NEOS!)

Das, was wir heute gehört haben, ist einfach zu wenig. Das kann nicht unser Pro­gramm für die Ratspräsidentschaft sein. Und wenn es so sein muss, dann werden wir wieder eine Anfrage einbringen, wir werden dieses Thema wieder hier hereinholen, bis wir eine konkrete Antwort auf die Frage kriegen, wo es mehr Europa und wo es we­niger Europa geben soll. (Abg. Gudenus: Das steht im Weißbuch drinnen! Szenario 4 im Weißbuch!) Wenn dieser eine Satz wirklich Ihr Programm sein sollte, dann wird der hoffentlich mit Leben erfüllt, damit wir eine Antwort darauf geben können, warum das möglicherweise der falsche Schritt ist. Es ist der falsche Schritt, weil wir mehr Europa wollen. Wir stehen dazu. (Abg. Gudenus: ... Parlament ausschalten! ... Abschaffung Österreichs!) Das ist auch ein Grund dafür, warum man NEOS wählen kann, wenn man mehr Europa will. (Beifall bei den NEOS.)

12.01

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.