12.50

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Re­gierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Debatte mit dem Innenminister und mit dem Bildungs- und Wissenschaftsminister. – Nun denn, wenn man jetzt einmal ausblendet, dass der Herr Innenminister Herbert Kickl heißt, und ihm nur so zuhört, dann ist da ganz vieles, was Sinn macht, das muss ich offen gestehen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravorufe bei der FPÖ.) – Wir sind immer für Fairness und für Differenzierung. Es ist aber natürlich wichtig, genau hinzuschauen.

Es ist natürlich endlich an der Zeit, dass wir in den Köpfen, in den Gesetzen, im Voll­zug eine klare Trennung zwischen Arbeitsmigration und Asyl schaffen – das ist längst ausständig! Es ist natürlich wichtig, dass wir viel entschlossener die Rückführungen dort vornehmen, wo Asyl nicht zugestanden wird, weil es dafür keine Gründe gibt – längst ausständig, also machen!

Ich hätte natürlich zum Bereich Integration gerne mehr gehört. Ich weiß, Sie sind nicht zuständig. Das Problem ist jedoch, dass sich die Ministerin, die zuständig ist – auch von Ihrer Partei nominiert –, auch für nicht zuständig erklärt. Das Problem ist also: Wer ist zuständig? – Niemand, so wie bisher lassen wir das irgendwie unter den Tisch fal­len. (Abg. Rosenkranz: Stimmt gar nicht! Wieso?)

Ich komme zurück zum Herrn Innenminister: Es macht einiges ziemlich viel Sinn, das Problem ist nur, die FPÖ und Herr Kickl sind eine echte Wort-Bild-Schere, denn das Bild, das Sie sonst so über die Wochen abgeben, ist ein ganz anderes. Da haben Sie in Ihrem Umfeld Leute, die hinter verschlossenen Türen in Bierseligkeit Nazilieder sin­gen, und Sie finden nichts dabei, außer man erwischt Sie. – Das ist halt die andere Realität. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Deswegen wird es natürlich an einer wachsamen Opposition liegen, immer auch mit Augenmaß das einzumahnen, was Sie hier gerade in Ihrer Rede als Wortkünstler, der Sie klarerweise sind, hochgehalten haben – Demokratie, Menschenrechte, Humanis­mus –, und das gerade auch nach dem Tag, an dem Sie Viktor Orbán getroffen haben, Ihr großes, leuchtendes Vorbild, der jedenfalls nicht der Promotor einer lebendigen De­mokratie ist, sondern natürlich einer illiberalen Demokratie, einer „Scheindemokratie“, wie es Lendvai gestern genannt hat.

Deswegen werden wir wachsam sein, ganz klar als die Wächter des Rechtsstaates, der Rechtsstaatlichkeit, der Freiheitsrechte, der Bürgerrechte. Auch eine verbal gut ge­setzte Antrittsrede des Innenministers kann uns nicht davon überzeugen, dass nicht Gefahr in Verzug wäre, wenn das Innenministerium in blauer Hand ist. Wir werden also sehr wachsam sein – und werden es angesichts dessen, was wir in diesen Monaten er­leben, auch sein müssen.

Zu Ihnen, Herr Bildungsminister: Ich habe den Bildungsbegriff, den Sie Ihren Ausfüh­rungen vorangestellt haben, als sehr positiv empfunden, diesen emanzipatorischen Charakter, den Sie der Bildung zuschreiben; wir teilen das. Die Bildung als der Schlüs­sel zur Selbstermächtigung des Menschen ist unendlich wichtig, und ebenso, diese zu fördern.

Ich bin aber nicht bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass das Bildungssystem grundsätzlich gut aufgestellt ist. Herr Minister, das grenzt meines Erachtens an Ignoranz. Solang, wie wir wissen, 23 Prozent nach neun Jahren Schule nicht ordentlich sinnerfassend lesen können, solang es um die Chancengerechtigkeit – Sie haben es dann eh später aus­geführt – ganz schlecht bestellt ist, da nämlich die Bildungskarrieren und auch die Be­rufskarrieren in Österreich ganz entschieden immer noch entlang der Frage: Was ist dein Papa, was ist deine Mama?, und nicht: Was ist dein Talent, dein Bedürfnis, dein Potenzial?, laufen, solang das der Status quo ist, kann und darf ein Bildungsminister nicht hier stehen und sagen: Es ist grosso modo eh alles gut aufgestellt und alles in Ordnung. – Es ist nicht in Ordnung! (Beifall bei den NEOS.)

Da dürfen wir nicht weichen! Das heißt, die Chancengerechtigkeit muss noch viel stär­ker in den Vordergrund rücken. Natürlich gibt es auch Bereiche, über die ich noch gar nichts von der Regierung gehört habe. Die Erwachsenenbildung etwa ist unendlich wichtig.

Herr Minister, wenn Sie diesen Bildungsbegriff ernst meinen, dann können wir nicht sagen, wir machen Bildung bis 16, bis 15, bis 18, bis 22, und die nächsten 60 Jahre machen wir Bildung irgendwie erratisch, willkürlich, nicht mehr im Interesse des Staa­tes. – Nein, Bildung bleibt von der Wiege bis zur Bahre die Priorität des Gemeinwe­sens, weil sie natürlich der Schlüssel zu einem selbstbewussten, selbstermächtigten Leben ist, auch über die Grundschule hinaus. Deswegen bitte ich Sie, schauen Sie noch einmal auf unser Konzept LELA 5000: ein Bildungskonto auch für Erwachsene. Ich halte das für immens wichtig, gerade auch im Kampf gegen Arbeitslosigkeit 50+. Diese entsteht nicht mit 50+, sondern wir haben davor natürlich etwas in der Qualifizie­rungsarbeit übersehen, auch in der Ermutigung: Schau auf deine Beschäftigungsfähig­keit!

Die duale Ausbildung: Man kann das nicht einfach den Sozialpartnern geben und sa­gen: Macht ihr das! Die haben in der Attraktivierung der Lehre in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu wenig weitergebracht. Da müssen Sie als Bildungsminister auch da­rauf schauen.

Und dass Sie schlussendlich Deutsch in den Fokus nehmen – jawohl, einverstanden, da haben wir viel versäumt, aber ich bitte, auch da den Fokus nicht zu sehr auf Sank­tionen zu legen und auch die ganz differenzierte Umsetzung dieser Deutschförderklas­sen vorzunehmen. Es darf nie um Ausschluss gehen, sondern es muss um einen Tur­bo für Integration gehen. Wenn das die Haltung ist, sind wir gesprächsbereit.

Das möchte ich auch vertiefen und schärfe abschließend den Blick dafür: Wenn Kinder in die Schule kommen und nicht ordentlich Deutsch können, dann ist eigentlich der Schaden schon zu groß und angerichtet. Das heißt, wir müssen in der Sprachförde­rung natürlich viel mehr auf das Kindergartenalter schauen. Wir alle, die wir Kinder haben oder Kinder beobachten, wissen, dass ein Kind im Alter von vier, fünf Jahren wirklich spielend eine Sprache erlernt, wenn man ihm den richtigen Rahmen dafür gibt. Diesen Rahmen haben wir offensichtlich bisher nicht gegeben, den müssen wir schaf­fen, und dann müssen wir auch weniger über Sanktionen, Bestrafungen, Zucht und Ordnung und andere Phantasien dieser Regierung reden. (Beifall bei den NEOS.)

12.57

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Axel Kassegger. – Bitte.