13.14

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Fernsehschirmen! Zum einen herzlichen Dank für das Bekenntnis, dass Bil­dung ein ganz wesentlicher Baustein ist, um Kinder und junge Menschen ein selbstbe­stimmtes Leben führen zu lassen, oder wie Professor Rümelin es ausgedrückt hat: Bil­dung ermöglicht Kindern, der Autor, die Autorin des eigenen Lebens zu sein. – Da sind wir uns vollkommen einig.

Wenn ich aber weiter in die Analyse gehe, dann zeigen sich für mich folgende Über­schriften im Regierungsprogramm: Pflicht, Leistung, Disziplin, Konsequenzen, Separie­ren, Bestrafen. (Abg. Kassegger: Wo steht „Bestrafen“? Wo steht „Bestrafen“?) Das sind die eigentlichen Überschriften, die im Regierungsprogramm stehen. Wird mit so einem Verständnis von Politik das Kind in den Mittelpunkt der Pädagogik und der Schule gestellt, nämlich jedes Kind (Zwischenruf des Abg. Rädler), jedes Kind mit sei­nen Talenten, mit seinen Potenzialen, mit seinen Begabungen? (Abg. Hauser: Aber das haben die Pisaergebnisse ..., dass es nicht gepasst hat!)

Ich meine: Nein. Ich erinnere an die Vorhaben zur Wiedereinführung der Ziffernnoten bei unseren Kleinsten (Zwischenrufe der Abgeordneten Hauser und Rosenkranz): Tausende erfolgreiche Schulversuche in ganz Österreich, die Ihnen offensichtlich nicht Beweis genug sind, dass das gut funktioniert. Ich erinnere an das Aufnahmeverfahren, an die Deutschklassen, die heute schon sehr prominent herausgestrichen wurden, und an Ihren jüngsten Streich, nämlich die Strafen für die Schulschwänzer.

Sehr geehrte Damen und Herren in der Regierungsriege! Ist das moderne Bildungs­politik? – Ich meine nicht. (Abg. Hauser: Ja! Das ist eine gute Bildungspolitik!) – Nein, das ist sie nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Die Deutschklassen wurden heute schon sehr massiv und prominent herausgestrichen. Lieber Kollege Faßmann, uns eint das Ziel, dass wir am schnellstmöglichen Sprach­kompetenzerwerb für unsere Kinder interessiert sind. Das muss ganz, ganz, ganz schnell gehen und am besten, wie es Matthias Strolz auch gesagt hat, im Kindergarten. Dorthin müssen wir unser Augenmerk ganz stark legen, denn dort geschieht es ganz, ganz leicht und mit einer Selbstverständlichkeit. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie der Abg. Cox.)

Der Weg, wie wir zu dieser Sprachkompetenz kommen, der eint uns nicht. Ich habe als Bildungsministerin auf bildungswissenschaftliche Erkenntnisse Rücksicht genommen. Ich habe ganz genau zugehört, was mir die Sprachwissenschafter gesagt haben, die Bildungswissenschafter gesagt haben. (Abg. Rosenkranz: Nachdem vorher die Politik der Wissenschaft gesagt hat, was rauskommen soll!) Und die 11 Stunden waren nicht zufällig gewählt. Die 11 Stunden in Sprachstartgruppen und Sprachförderung waren so gewählt, dass ausreichend Zeit war, die Kinder in anderen Fächern gemeinsam in der Regelklasse zu unterrichten und gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern in der Klasse zu arbeiten. Sie haben es ja selbst gesagt, Sie wollen zwar einen Klassenver­band, aber nur in Turnen und Musik, da muss man nicht so viel reden. Sie haben es ja selbst noch gesagt! Das ist meiner Meinung nach nicht Integration in eine Klasse. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. – Abg. Rosenkranz: Man muss in einer Klasse auch zuhören, damit man versteht, was der Lehrer sagt! Auch Zuhören ist wichtig in einer Klasse! Aber das ist bei dieser Pädagogik in Verschütt geraten! – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Ich darf Ihnen auch die Lektüre der Pisasonderauswertung zur Resilienz empfehlen, die erst vorgestern vorgestellt wurde. Diese Studie ist sehr, sehr interessant. Zum ei­nen zeigt sie, dass sich im Zeitraum 2006 bis 2015 der Anteil der Kinder in Österreich, die trotz ungünstiger sozioökonomischer Bedingungen gute Leistungen erbringen, ver­ringert hat – leider. (Abg. Mölzer: Wer war da Unterrichtsminister? Wer war da Un­terrichtsminister?) Die Faktoren dazu, die drei wesentlichen Faktoren – Herr Mölzer, hören Sie ganz genau zu! – sind eine gute soziale Durchmischung an den Schulen, ein positives Schulklima, das von wertschätzender Kommunikation, gegenseitigem Re­spekt und einem Miteinander getragen wird, auch von einer vertrauensvollen Bezie­hung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen, und die ganztägige Schule mit zusätz­lichen Angeboten über den Unterricht hinaus. Das ist Chancengerechtigkeit, und das haben alle international erfolgreichen Länder längst und seit vielen Jahren umgesetzt. Schauen wir ins Regierungsprogramm, das spricht eine andere Sprache! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Bernhard und Griss. – Abg. Hauser: Deswegen diese tollen Pisaergebnisse! ... weil Sie den Kopf in den Sand stecken!)

Chancengerechtigkeit, gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jährigen, ganz, ganz wichtig, gekoppelt mit ganztägigen Schulformen – wir separieren mit 10!

Sehr geehrter Herr Bildungsminister Faßmann! Arbeiterkinder sind nicht dümmer als Kinder von Akademikern (Abg. Rosenkranz: Wer sagt das? Wer sagt das?), und Aka­demikerkinder sind auch nicht klüger als Arbeiterkinder. Es braucht die Chancenge­rechtigkeit und ein faires, faires Schulsystem, das sie auch entsprechend unterstützt.

Ich bitte Sie, bleiben Sie Ihren Vorsätzen treu, an wissenschaftlichen Grundlagen fest­zuhalten! Bauen Sie auch die ganztägige Schule weiter aus! Sie haben es auch ge­sagt, Sie haben sich zum Autonomiepaket bekannt, Sie haben sich auch zu den Mo­dellregionen bekannt. Bitte machen Sie da weiter, denn es kann nicht sein, dass Kinder ihre Bildungskarrieren quasi schon in der Geburtsurkunde stehen haben. Das kann nicht sein. Das kann sich ein Land wie Österreich nicht leisten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

13.19

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke.

Zu Wort ist Herr Abgeordneter Mölzer gemeldet. – Bitte.