15.00

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen, liebe Besucher! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe an den Innenminister eine schriftliche Anfrage zum Fall Friedrich F. gestellt, der im Bezirk Graz-Umgebung eine Frau und einen Mann ermordet haben und eine Frau schwer verletzt haben soll. Ich habe eine Anfrage vor allem wegen des rechts­extremen Hintergrunds der Person Friedrich F. gestellt. Leider ist die Anfragebeantwor­tung nicht ausreichend ausgefallen, denn die Fragen wurden kaum bis gar nicht be­antwortet.

Herr Friedrich F. ist im Jahr 2016 bereits zweimal angezeigt worden, weil er mit einem Bus mit der Aufschrift „Heil Hitler“ durch Graz gefahren ist. Auf seiner Homepage wur­den Besucher und Besucherinnen mit dem Gruß „Heil Hitler“ begrüßt. Es ist bekannt, dass er im September 2015 an einer Kundgebung der rechtsextremen „Partei des Vol­kes“ teilgenommen hat, und er selbst schreibt, dass er immer wieder mit den rechts­extremen Identitären in Kontakt gewesen ist. Man kann also klar festhalten, Herr Fried­rich F. hat einen einschlägig rechtsextremen Hintergrund.

Ich habe mir die Frage gestellt, wie es passieren kann, dass jemand, der so oft rechts­extrem aufgefallen ist, nicht intensiver beobachtet wird. Deswegen habe ich auch diese Anfrage gestellt. Die Fragen in meiner Anfrage sind aber leider gar nicht bis nur sehr ausweichend beantwortet worden.

Der Fall Friedrich F. verweist für mich aber auf ein viel größeres Problem, nämlich auf die Ausweitung des Rechtsextremismus in Österreich. Ich wollte unter anderem vom Herrn Innenminister wissen, wie viele Personen und Organisationen in Österreich als rechtsextrem eingestuft werden können. Sie haben auch diese Frage nur ausweichend beantwortet und dazu gesagt, dass Rechtsextremismus in Österreich ja per se nicht verboten ist. Da ist für mich schon die Wurzel des Problems: Sich auf die Position zurückzuziehen, dass Rechtsextremismus kein Straftatbestand ist, zeigt den fehlenden politischen Willen, eine verfassungs- und demokratiefeindliche Ideologie, wie sie der Rechtsextremismus auf jeden Fall darstellt, zu benennen und zu bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie widersprechen da auch ganz klar dem Verfassungsschutzbericht 2016 des damali­gen Innenministers Sobotka, in dem es ganz klar heißt, dass rechtsextremistische Ak­tivitäten „nach wie vor eine demokratiegefährdende Tatsache in Österreich“ darstellen.

Aus einer Anfragebeantwortung zum Fall Friedrich F. des Justizministeriums habe ich erfahren, dass es bis Ende Oktober 2017 bereits zu 1 052 Beschuldigungen und zu 93 Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz gekommen ist. Das ist ein historisch hoher Wert, und das zeigt auch, wie dringend notwendig es ist, dass wir uns in der Politik aktiv gegen rechtsextreme und demokratiefeindliche Ideologien und Tendenzen einset­zen, dass wir uns dagegen wehren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe Sie in meiner Anfrage auch gefragt, ob Sie als Innenminister vorhaben, den Rechtsextremismusbericht, der 2002 von der schwarz-blauen Bundesregierung abge­schafft worden ist, wieder einzuführen. Sie haben diese Frage mit Nein beantwortet und auf den Verfassungsschutzbericht verwiesen. Gestern haben wir Sozialdemokra­ten einen Antrag im Nationalen Sicherheitsrat eingebracht, der mit den Stimmen von Schwarz und Blau abgelehnt worden ist, gegen die Stimmen der Opposition. (Zwi­schenruf des Abg. Rädler.)

Man könnte jetzt fast meinen, Sie verschließen sich per se einem solchen Rechtsextre­mismusbericht (Abg. Bösch: Woher wissen Sie das, Frau Kollegin? Wer hat Ihnen das ...?), weil Sie selbst 2016 Stargast eines rechten Kongresses in Oberösterreich ge­wesen sind. (Abg. Bösch: Herr Klubobmann, erklären Sie das! Woher weiß die Kolle­gin das?) Sie waren Referent beim rechten „Kongress der Verteidiger Europas“. Dieser Kongress und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden vom Verfassungsschutz beobachtet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Herbert.)

Oder verschließen Sie sich diesem Rechtsextremismusbericht aus dem Grund, weil er eine protokollarische Darstellung der sogenannten Einzelfälle Ihrer Partei darstellen würde? Ich erwähne Einzelfall Nummer eins: FPÖ-Funktionär Andreas Bors konnte sein Bundesratsmandat nicht annehmen, weil ein Foto aufgetaucht ist, das ihn in Hitler­grußpose zeigt.

Einzelfall Nummer zwei: FPÖ-Gemeinderat Blochberger verschickt eine Grußkarte mit einer Abbildung aus einem NS-Magazin.

Einzelfall Nummer drei: Ein Stadtwachemitarbeiter aus Wels und ehemaliges FPÖ-Mitglied ist auf einem Foto mit einer Hakenkreuzfahne zu sehen. (Zwischenruf der Abg. Schimanek. – Abg. Rädler: ... Germania!)

Einzelfall Nummer vier: Ein FPÖ-Gemeinderat aus Niederösterreich likt ein Lied einer Rechtsrockband auf YouTube. (Abg. Schimanek: Gott sei Dank sind das keine Kinder­schänder! – Weitere Zwischenrufe.)

Einzelfall Nummer fünf: Ein Salzburger FPÖ-Funktionär fährt mit dem Wunschkennzei­chen 88, und wir wissen, dass das ein Code für „Heil Hitler“ ist. (Abg. Rosenkranz: Meine Waage zeigt auch manchmal 88 an! – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Das sind die Einzelfälle, die nach der Nationalratswahl im Oktober 2017 bekannt ge­worden sind. Für eine konkrete Auflistung empfehle ich Ihnen eine Broschüre des Maut­hausen Komitee Österreich, wo Sie 59 weitere Einzelfälle Ihrer Partei wiederfinden.

Der wohl bekannteste Einzelfall aber – der wurde heute auch schon mehrmals ange­sprochen – ist die Causa Landbauer, die aktuelle Debatte rund um dieses abscheuli­che antisemitische Lied in dem Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt (Zwischenruf der Abg. Schimanek – Abg. Hauser: Geschrieben und illus­triert von der SPÖ!), wo Ihr Parteifreund und Spitzenkandidat der FPÖ Niederösterreich für die Landtagswahl bis vor Kurzem stellvertretender Vorsitzender war. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich brauche diesen widerlichen Liedtext hier im Hohen Haus, glaube ich, nicht zu zi­tieren, um auf den Ernst der Lage hinzuweisen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ein NS-verherrlichender, antisemitischer Text zeigt uns ganz klar die hässliche Fratze deutschnationaler Burschenschaften. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann und werde auch die ÖVP in diesem Fall Landbauer nicht aus der Verant­wortung nehmen. (Abg. Lugar: Einmal zur Sache, Herr Präsident!) Sie haben – und an der Spitze Ihr Bundeskanzler Sebastian Kurz – Verantwortung, denn Sie haben diese Ideologie mit Ihrem Koalitionspartner auf die Regierungsbank gebracht. (Abg. Hauser: Jetzt tun Sie sich einmal mäßigen, bitte!) Sie müssen Stellung beziehen, Sie müssen Ihren Worten Taten folgen lassen. Es braucht eine Konsequenz, es braucht einen Rücktritt von Udo Landbauer. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn der Herr Bundeskanzler heute angekündigt hat, dass er ein Auflösungsver­fahren der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt einleiten will (Abg. Hauser: Das ist ja ungeheuerlich!), dann frage ich Sie: Warum haben Sie dann gestern im Na­tionalen Sicherheitsrat die präventive Überwachung von Burschenschaften abgelehnt? (Abg. Neubauer: Sie feiern heute noch den Nazimörder Tschadek! Was ist denn da­mit?)

Besonders verstört bin ich übrigens auch, Herr Innenminister, dass Sie in der Causa Landbauer auf Anfrage gesagt haben, dass Sie keine Ermittlungen gegen Udo Land­bauer einleiten wollen. Das ist ein Versuch parteipolitischer Einflussnahme auf die Jus­tiz, und ich ersuche Sie oder ich fordere Sie auf, diesbezüglich ganz klar die Objek­tivität der Justiz zu wahren und sich nicht parteipolitisch für Ihren Parteifreund einzuset­zen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Sie ersuchen, zur Sache zu sprechen, zur Anfragebeantwortung, und das nicht zu nutzen, um über ganz andere Dinge zu sprechen. (Abg. Schieder: Das ist zur Sache! Es geht um das Thema Rechtsextre­mismus!)

Abgeordnete Sabine Schatz (fortsetzend): Das ist zur Sache, es geht um das Thema Rechtsextremismus, und meine Fragen zum Thema Rechtsextremismus wurden in die­ser Anfragebeantwortung konsequent nicht beantwortet. Ich gebe aber dem Herrn In­nenminister heute eine zweite Chance. (Ruf bei der FPÖ: Mein Gott, na danke!)

Herr Innenminister, ich stelle meine Anfrage heute erneut, und ich ersuche Sie wirklich, diese bitte mit aller Ernsthaftigkeit zu beantworten. Rechtsextremismus ist eine demo­kratiefeindliche Ideologie. (Abg. Herbert: Linksextremismus aber auch!) Ich werde die­se Anfrage stellen. Bitte legen Sie die Fakten auf den Tisch und weichen Sie nicht vom gemeinsamen antifaschistischen Grundkonsens der Zweiten Republik ab! – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

15.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kickl. Auch seine Redezeit, würde ich bitten, soll 10 Minuten nicht übersteigen.

Entschuldigung, vorher gelangt Herr Klubobmann Rosenkranz zur Geschäftsbehand­lung zu Wort. – Bitte.