9.37.16

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ)|: Herr Präsident! Die Herren Minister! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Das Sicherheitspaket und seine Geschichte: Am 10. Juli 1917 haben das Innen- und das Justizministerium das alte Sicherheitspaket in Begutachtung geschickt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Zwischen 13. Juli und 21. August sind viele Stellungnahmen eingegangen. (Bundesminister Kickl – den Kopf wiegend –: 1917? – Abg. Rosenkranz: Ist eine ziemlich lange Begutachtung!) Es ist sogar so weit gegan­gen, dass das Justizministerium zeitweise die Mails blockiert hat, mit denen Stellung­nahmen eingegangen sind. Somit hat man Tausende Menschen ignoriert, die damals eine Stellungnahme abgegeben haben – und das sind nicht irgendwelche Menschen, und da sind auch Institutionen darunter, die sich wirklich ausführlich mit Datenschutz beschäftigen: Epicenter.works, der Oberste Gerichtshof, Ispa, die Sozialdemokrati­schen Rechtsanwälte, Kija, das Amt der Wiener Landesregierung, das Rote Kreuz; über 9 000 Personen haben kritische Stellungnahmen abgegeben. (Abg. Belakowitsch: 9 000 Personen und acht Millionen ...!)

Und dann kam der 26.7. (Ruf bei der FPÖ: 1917!) Am 26.7. des Vorjahres (Abg. Ro­senkranz: Also hundert Jahre später!) hat sich der damalige Noch-nicht-Minister Kickl hingestellt und folgende Aussendung gemacht – wenn Sie heute sagen, Herr Minister, es sei kein gefährliches Überwachungspaket, nicht für die Masse, und es sei unseriös, es zu bekritteln, dann möchte ich Sie noch einmal mit Ihren Aussagen vom 26.7. konfrontieren –: „Sicherheitspaket der ÖVP ist gefährliche Drohung und wird von der FPÖ abgelehnt“, ein „Papier der Grässlichkeiten“, es zeichnet das „autoritäre Denk­muster [...], das sich auch in deren staatspolitischen Vorstellungen widerspiegelt“ (Abg. Kassegger: Reden wir jetzt vom selben? Ist das Sicherheitspaket ...?) – hören Sie weiter zu! (Abg. Belakowitsch: Das ist ja ein anderes ...! – neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kassegger) –, ein Vergleich mit den „Phantasien von Erich Mielke“ und „Kri­tik des Rechtsanwälte-Präsidenten Rupert Wolff“, der damals auch gesagt hat, bei die­sem Gesetz stehen einem die Haare zu Berge, „DDR 4.0“. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Nur weil es Sicherheitspaket heißt, ist es nicht dasselbe!)

Sie haben damals gesagt, Herr Minister, mit diesem Gesetz würden einem Spitzel­system Tür und Tor für geöffnet (Abg. Haider: Mit dem damaligen Gesetz! – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch) und es werde niemals Sache der FPÖ sein (Abg. Schieder: Hört! Hört!) und auch nicht im Interesse der FPÖ. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Kickl. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dann rückt Sobotka aus und macht eine Pressekonferenz, bei der er sagt, alle innerhalb und außerhalb des Parlaments, die gegen gesetzliche Anpassungen sind, planen einen Anschlag auf die österreichi­sche Sicherheit.

Was passiert dann im Ministerrat letzte Woche? (Abg. Belakowitsch: Waren Sie da dabei? – Abg. Höbart: Da sind Sie ja nicht mehr dabei!) – Da wird das neue Sicher­heitspaket beschlossen. (Abg. Rosenkranz: Das neue, genau!) Herr Minister Kickl, Sie haben gesagt, ich glaube, es ist nichts Verbotenes, gescheiter zu werden – das finde ich recht positiv (Abg. Belakowitsch: Das ist das, was bei Ihnen noch nicht eingetreten ist! Das wäre jetzt einmal Zeit!) –, aber es geht da um das größte Überwachungspaket der Zweiten Republik!

Schauen Sie sich an, was für IT-Pannen alleine in den Ministerien passieren! Wenn Sie jetzt von Sicherheit sprechen, Herr Minister, dann ist das verwegen. Im Zusammen­hang mit den beiden Volksbegehren, für die man zurzeit Unterstützungserklärungen abgeben kann, war tagelang von Systemabstürzen die Rede, es gab lange Wartezei­ten, man spricht von Serverpannen, man spricht von Problemen mit der zentralen Wählerevidenz. Sie wissen nicht wirklich, wo das Problem tatsächlich liegt, haben Sie damals gesagt – ein Schelm, der jetzt im Zusammenhang mit dem alten Sicherheits­paket Böses denkt. Bis letzten Freitag ist die Website des Innenministeriums nicht ge­gangen, und viele Experten, etwa jene von Cert.at, sagen, dass keine sicheren Verbin­dungen vorhanden sind.

Wenn ich mir das Überwachungspaket anschaue, das jetzt neu vorgelegt wird, dann muss ich sagen: Ja, es gibt Veränderungen. Es werden zum Beispiel die Aufbewah­rungsfristen von drei auf fünf Jahre beziehungsweise von einem Jahr auf drei Jahre ausgedehnt. Wir werden ja noch viele Möglichkeiten haben, das alles zu diskutieren und zu besprechen. Dass es, wie ich heute gehört habe, doch eine Ausschussbegut­achtung und ein Expertenhearing geben soll, halte ich für sehr positiv.

Wenn Sie heute sagen, es gehe um den Kampf gegen schwere Kriminalität und gegen staatsfeindlichen Terrorismus und auch das subjektive Sicherheitsgefühl sei zu stär­ken, dann möchte ich Ihnen antworten: Ihre eigene Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit hat gemeint, wir sind, wie die Kriminalstatistik zeigt, gut aufgestellt. (Abg. Rosenkranz: Na dann brauchen wir überhaupt keine Polizisten mehr, eigentlich!) Die Anzeigen gehen zurück, die Aufklärungsrate steigt, nur bei der Cybersicherheit, da sind wir ganz schlecht – und von der Wirtschaftskriminalität rede ich erst gar nicht.

Herr Minister, da Sie vorhin die Polizisten – diese leisten hervorragende Arbeit! – und das Thema Überstunden erwähnt haben: Bereits jetzt gibt es eine Urlaubssperre für die Zeit der EU-Ratspräsidentschaft. Da bin ich gespannt, wie die Polizisten ihre Über­stunden abbauen können. Und hinsichtlich des Personalausbaus, von dem wir schon sehr lange hören, der bis 2022 erfolgen soll, bin ich gespannt, ob dieser – wir werden ja bald das Budget diskutieren und beschließen – finanzierbar sein wird.

Herr Minister! Begutachtung, Expertenhearing  ja! Kein Generalverdacht gegenüber der Bevölkerung, keine Massenüberwachung! Herr Minister, das Leben ist kein Pony­hof. Kümmern Sie sich um diese Dinge und vergessen Sie Reiterfantasien! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. Abg. Rosenkranz: Wenn ich mir das jetzt so anhöre, stimmt dann die Sozialdemokratie letztlich zu! Weiterer Ruf bei der FPÖ: Schlechte Rede!)

9.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Johann Gudenus. – Bitte.