10.26.35

Abgeordneter Mag. Christian Kern (SPÖ)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren im Saal und vor den Fernsehgeräten! Wir erleben heute eine Plenarsitzung, in der die neue Bundesregierung, konstituiert aus ÖVP und FPÖ, die ersten Gesetzesanträge mit ihren Fraktionen im Parlament an das Hohe Haus herangetragen hat. Ich denke, es lohnt sich, sich diese Gesetze etwas näher anzusehen, wobei zwei Punkte dabei be­sonders bemerkenswert sind.

Wir werden heute noch eine Abstimmung über die Aufhebung des Rauchverbots erle­ben. Diese Abstimmung kann jetzt plötzlich gar nicht mehr schnell genug gehen: Man versucht, entgegen dem Rat aller Experten, entgegen dem Rat von Ärzten und entge­gen der Meinung der Bevölkerung, die Abschaffung des Rauchverbots an diesem Tag durchzuziehen.

Die zweite bemerkenswerte Materie, mit der wir heute konfrontiert sind, ist das Hoch­schulwesen. Hinsichtlich des Hochschulwesens sind wir uns einig, dass es sich dabei um eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Fragestellungen unserer Zeit handelt. Wissen ist der Rohstoff der Zukunft, und ich denke, wir alle miteinander teilen die Ein­schätzung, dass wir wollen, dass unsere Kinder an den besten Universitäten studieren können, und das in Österreich. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir sind der Auffassung, dass diese Universitäten auch ordentlich und anständig finan­ziert werden müssen. Das war der Grund dafür, dass wir gegen den Willen der ÖVP in der vorigen Legislaturperiode eine entsprechende Dotierung hier im Hohen Haus durch­gesetzt haben.

Aber wir wissen auch, dass wir hier einen Reformweg vor uns haben, dass es not­wendig ist, an der Verbesserung der Universitäten zu arbeiten. Diese Fragestellung sollten wir unter der Perspektive der zukünftigen Rolle der Universitäten bearbeiten. Es geht darum, festzustellen, was Universitäten eigentlich in Zukunft leisten müssen. Es geht darum, festzustellen, wie eine Universität der Zukunft eigentlich aussehen muss. Ganz besonders geht es mir außerdem auch um die Frage, wie wir dafür sorgen können, dass alle, die studieren wollen und dazu auch befähigt sind, die Möglichkeit haben, ein Studium an unseren Hochschulen zu absolvieren. (Abg. Kassegger: Durch ein differenziertes Aufnahmeverfahren!)

Was wir bei dem Antrag der Bundesregierung allerdings erleben, ist, dass wir hier kein umfassendes Reformkonzept und auch nicht einmal eine Reformdebatte sehen. Viel­mehr ist das, was Sie hier vorschlagen, in Wahrheit eine Beschränkung der Zahl der Studienplätze. Was wir sehen, ist, dass Wissen, ein entscheidender Faktor der Zu­kunft, im Zugang limitiert wird, indem nämlich dafür gesorgt wird, dass ein Fünftel der Studienplätze für Studienanfänger einfach gestrichen wird.

Aber nicht nur das: Wir haben im zuständigen Ausschuss auch einen Antrag vorgelegt, der dafür sorgen soll, dass berufstätige Studierende keine Studiengebühren zahlen. Das ist ein Anliegen, mit dem wir leider in der Minderheit geblieben sind, weil das der ÖVP und der FPÖ offenbar nicht so wichtig ist und weil man sich entschlossen hat, wieder Studiengebühren einzuführen.

Der spannende Punkt dabei ist: Man beginnt in diesem Zusammenhang zunächst ein­mal bei den Berufstätigen. Wir reden also über Studenten, die sich ihr Studium durch Erwerbsarbeit finanzieren müssen. Diese sind die Ersten, die mit den Studiengebühren drankommen. Ich finde das deshalb interessant, weil Sie immer wieder versprochen haben, dass Sie keine neuen Steuern wollen. Der erste Beschluss, den Sie in diesem Hohen Haus fassen werden, sind jedoch in Wahrheit Steuern für berufstätige Studie­rende. (Beifall bei der SPÖ.)

Was man auch unterstreichen muss – und ich bin der Auffassung, dass das kein Zufall ist, sondern dass es sich dabei um ein Muster handelt –: Wir haben in den letzten Wo­chen und Monaten immer wieder gehört, dass es ums Sparen im System geht. Ich hal­te das für die größtmögliche Irreführung der österreichischen Bevölkerung! Das ist re­gelrecht Orwellʼscher Neusprech. Das ist eine Umdeutung der Realität.

Was ist nämlich gestern geschehen? – Als es in den Gremien des AMS um die Arbeits­marktpolitik und um die Mittel, um den Arbeitnehmern einen Wiedereinstieg in den Be­ruf zu erlauben, gegangen ist, sind die nächsten Kürzungen gekommen!

Nicht, dass wir uns missverstehen: Ich glaube, dass auch hier, genauso wie bei den Universitäten, ein Reformprozess notwendig ist. Ich glaube, dass es notwendig ist, über Effizienz nachzudenken und sorgfältig zu schauen, ob mit dem Steuergeld sorg­sam umgegangen wird. Aber was da gestern vorgeschlagen wurde, ist ein massiver Kahlschlag bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Das ist etwas, was nicht ohne Auswirkungen bleibt. Genauso wie Ihre Politik auf dem Rücken der Studierenden endet, wird sie in diesem Fall auf dem Rücken der älteren Arbeitslosen enden. Die Frau Sozialministerin ist hier gesessen und hat uns erklärt, dass die Aktion 20 000 gar nicht gestoppt ist, dass sie noch evaluiert werden wird. Gestern haben Sie die Mittel dafür aber restlos gekürzt, und die Konsequenz ist, dass Menschen, die über 50 sind und aus dem Arbeitsmarkt hinausfliegen, keine Berufs­perspektive mehr bekommen.

Und nicht nur das: Das endet nicht nur bei den älteren Arbeitslosen, sondern jetzt sind auch die Lehrlinge betroffen, weil aus diesen Mitteln die überbetrieblichen Lehrwerk­stätten bezahlt werden, und das bedeutet im Klartext, dass Lehrlingen, die keine Chan­ce haben, in Unternehmen eine Ausbildung zu bekommen, und die bislang die Chance hatten, in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte unterzukommen, diese Möglichkeit gestrichen wird.

Sie betreiben eine Politik, die zulasten der Studierenden und der Berufstätigen geht, eine Politik, die zulasten der älteren Arbeitslosen und der Lehrlinge geht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Wovon sprechen Sie eigentlich?)

All das kann man tun, aber dann erzählen Sie uns bitte nicht mehr den Lavendel vom Sparen im System, denn Sie kürzen direkt bei den Menschen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.