13.46.54

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herz­lich willkommen im schwarz-blauen Chaos! (Abg. Rosenkranz: Das Chaos kommt erst ab 3 Uhr!) Nichtraucherschutz: einmal Ja, einmal Nein. (Anhaltende Zwischenrufe und Heiterkeit bei der FPÖ.) Hartz IV: einmal Ja, einmal Nein. Erwachsenenschutz-Gesetz: einmal Ja, einmal Nein. Aktion 20 000: einmal Ja, einmal Nein. (Abg. Belakowitsch: Das war schon immer Nein!) Und was kommt? – Die Betroffenen wissen es nicht, und die Regierungsmitglieder widersprechen sich laufend. (Abg. Rosenkranz: Chaospoli­tik, da waren Sie einer der Ersten!)

Jetzt ist es so, dass man in zwei Punkten relativ schnell ist, nämlich wenn es darum geht, in schwarz-blau umzufärben, Posten zu verändern. Da ist man schnell, da bringt man etwas zusammen. (Abg. Rosenkranz: Das hat man vom Gusenbauer gelernt!) Das Zweite ist, wenn es um den Abbau von Arbeitnehmerschutz und die Verschlech­terung von Arbeitsbedingungen geht. (Abg. Belakowitsch: Wie viele Illegale haben Sie ins Land geholt?) Da will man unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus die Arbeits­bedingungen verschlechtern. Man will, dass man in Zukunft nicht nur den Stand der Technik verlangt, sondern den Stand der Praxis. Bei der Dampfmaschine ist der Stand der Praxis uralt.

Ich möchte allen Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren Danke sagen, sie si­chern das Leben der Menschen in Österreich am Arbeitsplatz. Ich bitte die Regierungs­parteien: Fragen Sie Ihren Minister Moser, warum er verlangt hat, dass es einen sol­chen Erlass gibt! (Abg. Belakowitsch: Sie können Ihren Erlass nicht verteidigen! Der war schlecht!) Er hat nämlich gesagt, dass die Arbeitsinspektoren dorthin gehen sollen, wo es ein Risiko gibt, nicht ins Büro, sondern in die Werkstatt. Darum geht es. (Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Das Motto: weniger Regulierung, Schutzvorschriften reduzieren, Österreich auf EU-Mi­nimalanforderungen zurückfahren – das geht nicht. Es soll der Arbeitsschutzausschuss in den Betrieben reduziert oder abgeschafft werden. Es soll die Arbeitsinspektion ihrer Kontrollfunktion beraubt werden – nur beraten, das geht nicht. Daher hat der Rech­nungshof zu Recht eine Personalaufstockung und auch kürzere Überprüfungsintervalle gefordert. (Abg. Belakowitsch: Sie haben die Quote eingeführt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie gefährden die Gesundheit, damit die Profite bei einigen wenigen steigen. Es wird zum Beispiel der 12-Stunden-Tag verlangt. Das führt zu Übermüdung, das steigert das Unfallrisiko. (Abg. Rädler: Geh, hör einmal auf!) Österreich wird das Schlusslicht beim Nichtraucherschutz sein. Das geht alles auf Kosten der Bediensteten. (Anhaltende Zwischenrufe und Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehen Sie sich das an, das weiß jeder, der rechnen kann: Wenn man 500 Millionen Euro bei der Unfallversicherung einsparen will – das steht in eurem Regierungsübereinkommen, -abkommen, oder wie ihr es nennt –, dann kann das nur zu Leistungskürzungen führen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Angriff auf die Sicherheit und Gesundheit der arbeitenden Menschen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, keinerlei Maßnahmen zu setzen, die die Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen gefährdet und stattdessen mehr Personal für die Arbeitsinspektion zur Verfügung zu stellen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ihr eigenes Versagen steht in dem Antrag! – Abg. Rosenkranz: Eine geschickte Vertuschung Ihres Unver­mögens! – Abg. Rädler: Ein Wischiwaschi-Antrag! Eine reine Verzweiflungstat!)

13.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Stöger, Katzian, Keck, Knes, Ing. Vogl, Ulrike Königsber­ger-Ludwig, Gabriele Heinisch-Hosek

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Angriff auf die Sicherheit und Gesundheit der arbeitenden Menschen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion in den Jahren 2015 und 2016

Der Angriff auf die Rechte im ArbeitnehmerInnenschutz würde bei Umsetzung der im Regierungsprogramm genannten Vorhaben unter dem Vorwand von zu viel Bürokratie die Arbeitsbedingungen verschlechtern. Die Gesundheit der arbeitenden Menschen hat für die Regierung keinen Wert. Die verheerenden Folgen sind absehbar: Mehr mensch­liches Leid, mehr arbeitsbedingte Erkrankungen und mehr Arbeitsunfälle.

Die Bundesregierung will die Regulierungslast für Unternehmer abbauen, erkennt aber nicht den Sinn und Zweck von Schutzvorschriften, die die Sicherheit und Gesundheit der arbeitenden Menschen gewährleisten. Anstatt den staatlichen Aufgaben nachzu­kommen und Schwächere mehr zu unterstützen und zu helfen, steuert die Regierung in die gesundheitspolitische Katastrophe. Alles nur zu dem Zweck höhere Profite auf Kosten der Gesundheit der vielen arbeitenden Menschen zu machen.

Was steht im Regierungsprogramm zum ArbeitnehmerInnenschutz:

•           Finanzieller Aderlass der AUVA – Prävention stünde vor dem Aus:

o          Durch die unüberlegt angekündigte Senkung des Unfallversicherungsbeitrags von 1,3% auf 0,8% steht das Haftungsprivileg für Arbeitgeber auf dem Spiel (Die Un­fallversicherung löst die Haftpflicht des einzelnen Unternehmers ab und begründet eine auf öffentlich-rechtlicher Basis beruhende Gesamthaftung aller Unternehmen; § 333 ASVG).

o          Die AUVA hatte 2015 rund 1,4 Milliarden Euro an Aufwendungen. Diese um 500 Millionen pro Jahr zu senken, wird ohne massive Leistungskürzungen schlichtweg unmöglich sein.

o          Die Bundesregierung droht zugleich der AUVA mit ihrer Auflösung, falls sie das „Einsparungsziel“ bis Ende 2018 nicht erreicht. Rote Zahlen sind vorprogrammiert.

o          Die Prävention stünde vor ihrem Aus. Das Haftungsprivileg würde ausgehöhlt.

•           „Beraten STATT Strafen“ bricht mit ILO-Übereinkommen und EU-Rahmenricht­linie:

o          Die Arbeitsinspektion würde ihrer Kontrollfunktion und ihrem Überwachungs­auftrag beraubt.

o          Zur Beratung stehen Sicherheitsfachkräfte, ArbeitsmedizinerInnen, Arbeits- und OrganisationspsychologInnen und die AUVA bereit.

o          Die Arbeitsinspektion berät bevor sie (sehr selten) Strafanträge stellt. Es gilt der Grundsatz: Beraten VOR Strafen.

•           Reduktion der Beauftragten:

o          Beauftragte sind Expert/innen, die einen Mehrwert für den Betrieb darstellen und keine bürokratischen Hindernisse.

o          Bei der Abschaffung bestimmter Beauftragter würde Österreich auch gegen EU-Recht und internationale Abkommen verstoßen.

o          Das Konzept, Beauftragte zu bestellen, hat sich viele Jahrzehnte bewährt. Eine bessere Alternative dazu ist nicht in Sicht.

•           Kein Stand der Technik mehr - Steinzeitmaschinen treffen dann auf Steinzeit­grenzwerte:

o          Die Bundesregierung will die technischen Anforderungen verringern, so dass künftig ein „Stand der Praxis“ genügt.

o          Der „Stand der Praxis“ hätte schwerwiegende negative Auswirkungen. Unsiche­re und veraltete Arbeitsmittel (Maschinen und Anlagen) dürfen dann weiter betrieben werden. Die Arbeitsplatzevaluierung wäre überflüssig, weil keine Maßnahmen mehr gesetzt oder erzwungen werden könnten. Beispielsweise müssten Emissionen trotz technischer Machbarkeit nicht reduziert werden. Steinzeitmaschinen treffen auf Stein­zeitgrenzwerte.

•           Rücknahme von Gold-Plating:

o          In diesem Zusammenhang gibt es eine Vielzahl konkreter Bestimmungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) und seinen Durchführungsverordnungen, wel­che „besser sind“ als die EU-Mindestvorschriften in ihren Richtlinien (nur ein Beispiel: Schutz bei Arbeiten im Freien vor natürlicher UV-Strahlung = die Sonne).

o          Die Rücknahme besserer Regelungen hat jedoch ihre Grenzen: Die EU-Rah­menrichtlinie bestimmt, dass aus Anlass der innerstaatlichen Umsetzung keine national besseren Regelungen eingeschränkt werden dürfen (vgl. RL 89/391/EWG).

•           Abbau der Meldeverpflichtung für Sicherheitsvertrauenspersonen (SVP):

o          SVP vertreten die Interessen der ArbeitnehmerInnen im ArbeitnehmerInnen­schutz.

o          Kommt es zum Abbau der SVP-Meldeverpflichtung beraubt man die Arbeiter­kammern um den Zugang zu Informationen um SVP zielgerichtet und effizient betreuen zu können.

•           Abschaffung des Arbeitsschutzausschusses (ASA):

o          Der ASA ist das einzige betriebliche Forum, welches die AkteurInnen des be­trieblichen ArbeitnehmerInneschutzes gezielt versammelt.

o          Der strukturierte Rahmen ermöglicht die Diskussion von aktuellen und zukünftig anstehenden Themen, gewährleistet gemeinsame Lösungen von betrieblichen Frage­stellungen sowie die zeit- und praxisnahe Umsetzung von Schutzmaßnahmen.

o          Nicht zuletzt stellt er durch „kurze Wege“ den notwendigen Informationsfluss von oben nach unten und umgekehrt sicher.

•           12-Stunden-Arbeitstage machen krank:

o          Aus arbeitsmedizinischer und arbeitswissenschaftlicher Sicht sind Arbeitszeiten von 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich abzulehnen. Durch die lange Ar­beitsdauer entstehen körperliche und psychische Belastungen, welche die Gesundheit der Arbeitnehmer/innen enorm gefährden.

o          Längere Arbeitszeiten machen krank, führen zu einem progressiven Anstieg der Ermüdung, zu geringerer Leistung pro Zeiteinheit, zu einem höheren Arbeitsunfallrisi­ko, zu einem Anstieg des Krankenstandes und zu gesundheitlichen Problemen in Be­zug auf die Aufnahme und den Abbau von gesundheitsschädigenden Arbeitsstoffen im Körper.

•           Österreich wieder Schlusslicht beim NichtraucherInnenschutz:

o          Das Kippen des generellen Rauchverbotes in der Gastronomie ist gesundheits­politisch unverantwortlich, da viele Menschen durch Tabakrauch sterben (in Österreich ca. 14.000 pro Jahr). Das zeugt von Verantwortungslosigkeit gegenüber der zu schüt­zenden Bevölkerung und macht Österreich wieder zum Schlusslicht in der EU beim NichtraucherInnenschutz.

o          Für die Beschäftigten in der Gastronomie ist besonders relevant, dass Passiv­raucherInnen einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Eine rauchfreie Gastronomie ist essenziell für den Schutz der Gesundheit von tausendenden Beschäftigten in Öster­reich und einer noch viel größeren Anzahl von KundenInnen. PassivraucherInnen sind langfristig mit den gleichen Risiken konfrontiert, wie RaucherInnen selbst – sie haben die gleichen krebserregenden Substanzen im Körper. Von den 6 Millionen Menschen, die jährlich an den Folgen des Rauchens sterben, sind jährlich 600.000 Passiv­raucherInnen. Sie trifft das Ende des Rauchverbots in der Gastronomie ganz beson­ders.

o          Die Konsequenz der Verbannung von Jugendlichen bis 18 aus Raucherlokalen wäre, dass zahlreiche Gastronomiebetriebe keine jugendlichen Lehrlinge mehr ausbil­den dürfen („Lehrlingsverbot“ für Raucherlokale).

o          Das generelle Rauchverbot in der Gastronomie zählt in Europa mittlerweile zum Standard, dem Österreich noch immer hinterherhinkt. Mit einer Aufhebung der 2015 beschlossenen Novelle des Tabakgesetzes geht Österreich weiterhin als „Europas Aschenbecher“ einen isolierten Weg. Es ist völlig unverständlich, die endlich begonne­ne Trendwende jetzt plötzlich wieder umzukehren und nachhaltig vernichten zu wollen.

Statt dieses Angriffs auf die Sicherheit und Gesundheit der Menschen, sollte es mehr Personal für die Arbeitsinspektion geben. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO – International Labour Organization) legt im Übereinkommen Nr. 81, Artikel 10, als Richt­wert für industrielle Marktwirtschaften eine/n Aufsichtsbeamt/in pro 10.000 Beschäftigte fest. Schon 2015 waren rund 3,2 Millionen ArbeitnehmerInnen von der Arbeitsinspek­tion erfasst. Der ILO-Richtwert wird bundesweit gesehen somit gerade nicht mehr er­reicht! In Oberösterreich ist man bereits weit davon entfernt. Entgegen den Plänen der Regierung bedarf es hier dringend einer Erhöhung des Personalstandes in den Ar­beitsinspektoraten und im Zentral-Arbeitsinspektorat.

Auch der Rechnungshof fordert in seinem Bericht zum „Arbeitnehmerschutz in Öster­reich“, dass die Arbeitsinspektion eine Aufstockung des Personals um etwa das 7-fa­che bräuchte, um ihrem Auftrag adäquat nachgehen zu können. Der Rechnungshof verdeutlichte auch, dass die aktuellen Überprüfungsintervalle zu verkürzen und die Reichweite der Arbeitsinspektion zu erhöhen sind.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, keinerlei Maßnahmen zu setzen, die die Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen gefährdet und stattdessen mehr Personal für die Arbeitsinspektion zur Verfügung zu stellen.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller|: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Graf. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP, FPÖ und SPÖ.)