Fragestunde

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch den Bundeskanzler vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute nicht übersteigen. Wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit werde ich auf deren Ablauf aufmerksam machen.

Bundeskanzleramt

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im zweiten Halbjahr steht die dritte öster­reichische EU-Ratspräsidentschaft an, dieses Mal in Form einer sogenannten Trio­präsidentschaft. Nach den Esten haben gerade die Bulgaren den Vorsitz inne, und wir bilden in diesem Trio dann im zweiten Halbjahr den Abschluss.

Österreich rückt damit natürlich in den Blickpunkt des Geschehens der Europäischen Union und kann da auch entsprechende Akzente setzen. Die Vorbereitungen seitens der Bundesregierung für diesen Ratsvorsitz laufen ja auf Hochtouren, und meine Frage lautet daher ganz konkret:

7/M

„Welche Schwerpunkte plant die Bundesregierung im Zuge des EU-Ratsvorsitzes im 2. Halbjahr 2018?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzter Herr Abgeordneter Reinhold Lopatka, ich darf Ihnen berichten, dass es einen intensiven Prozess in der gesamten Bundesregierung gibt. Die Koordination liegt beim Bundeskanzleramt , bei Kanzleramtsminister Gernot Blümel in enger Abstimmung mit der Außenministerin und allen anderen Ministern. Es ist eine interministerielle Lenkungsgruppe eingesetzt worden, und wir arbeiten derzeit am nationalen Präsidentschaftsprogramm, natürlich auf Basis des Trioprogramms.

Zentrale Themen werden Themen sein, die uns als Österreich wichtig sind – das Thema Subsidiarität, das Thema Sicherheit mit einem speziellen Fokus auf den Kampf gegen illegale Migration, der EU-Außengrenzschutz –, und dann natürlich auch The­men, die uns als Österreich schon lange am Herzen liegen, wie die Stärkung des Westbalkans und die Heranführung dieser Region an die Europäische Union bis hin zu Fragen der Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union.

Diese Vorbereitung läuft sehr positiv, auch in enger Abstimmung, wie gesagt, in unse­rer Triopräsidentschaft, und ich freue mich, dass ich auch in engem Kontakt mit dem derzeitigen Ratsvorsitz Bulgarien stehen darf.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Eine Zusatzfrage von meiner Seite: Nach dem letzten informellen Treffen des Rates war es ja so, dass auch das Budget als Thema in den Blickpunkt gerückt ist.

Ein großer Einschnitt für die Europäische Union war die Entscheidung für den Brexit im Vereinigten Königreich. Damit ist ein ganz gewichtiger Nettozahler weggefallen, und daher sieht man die Voraussetzungen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen ab 2021 unter ganz anderen Gesichtspunkten.

Meine Zusatzfrage lautet daher: Wie steht es um die Verhandlungen, was den mehr­jährigen EU-Finanzrahmen betrifft, insbesondere eben vor dem Hintergrund des bevor­stehenden Brexits?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Budgetverhandlungen sind immer eine Heraus­for­derung. Das kennen wir von der regionalen und der Landesebene, das ist auf Bun­desebene nicht anders, und genauso spielt es sich auch in der Europäischen Union ab. Es hat letzte Woche eine erste Diskussion über den mehrjährigen Finanzrahmen gegeben, einen ersten Meinungsaustausch der Staats- und Regierungschefs, der ein­deutig gezeigt hat, dass die Zugänge da höchst unterschiedliche sind. Österreich ist gut in eine Fünfergruppe der kleineren und mittelgroßen Staaten eingebettet, die Netto­zahler sind, die alle ein Interesse teilen, nämlich dass, wenn die Europäische Union aufgrund des Brexits kleiner wird, auch gleichzeitig effizienter und sparsamer mit Steuergeld umgegangen werden muss.

Diese Verhandlungen werden wir führen. Ich gehe davon aus, dass sie uns lange beschäftigen werden. Es wird im Mai ein hoffentlich ausgewogener erster Vorschlag der Europäischen Kommission kommen, der dann die Basis für die Verhandlungen dar­stellt (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen); und diese werden wahr­scheinlich rund ein Jahr dauern, bis sie zum Abschluss kommen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wurm, bitte.

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Ich habe eine kurze, aber, wie ich meine, sehr, sehr wichtige Frage: In welchem Ausmaß wird die österreichische Wirtschaft von diesem EU-Ratsvorsitz profitieren, insbe­son­dere die für Österreich so wichtigen KMUs, die Klein- und Mittelbetriebe? Was hat die Wirtschaft und was haben vor allem die KMUs davon? – Danke.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wurm, ich glaube, das, was im Moment gerade die klein- und mittelständische Wirtschaft am stärksten belastet, ist die Bürokratie. Sie ist oftmals für Große, die große Rechtsabteilungen zur Verfügung haben, schon schwierig, aber für Kleine manchmal ein Ding der Unmög­lichkeit. Insofern fokussieren wir während unseres Ratsvorsitzes sehr stark auf das Thema Subsidiarität, mit dem Ziel, dass es eine bessere Aufgabenverteilung zwischen europäischer und nationaler Ebene gibt, dass es mehr Klarheit darüber gibt, wer wofür zuständig ist, dass es weniger gemeinsame Zuständigkeiten gibt, natürlich auch mit dem Ziel, die Bürokratie zu reduzieren.

Ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Ansatz ist, um sicherzustellen, dass gerade das Abholen europäischer Förderungen, aber auch die Zusammenarbeit mit der Euro­päischen Union, das Einhalten europäischer Regelungen für Klein- und Mittelbetriebe nicht immer schwieriger wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried, bitte.

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Ihre Europapolitik verwundert mich manchmal, wenn man diese Politik als Europapolitik bezeichnen mag. Die Prinzipien der Europäischen Union, Solidarität, Personenfreizügigkeit, Binnen­markt, werden meines Erachtens von Ihrer Partei eigentlich nicht wirklich positiv wahr­genommen. Wenn man von Solidarität spricht, so muss man sagen, Sie machen sich mit jenen Ländern gemein, die von Solidarität eigentlich nicht viel halten.

Jetzt plötzlich ist es anscheinend so, dass Sie die Diskussion um die Subsidiarität auch dazu benutzen, wesentliche Bestandteile des Binnenmarkts anzugreifen. Ihr Euro­paminister hat im Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union gesagt, man muss den Konsumentenschutz neu gestalten, man muss ihn nationalisieren. Das ist meines Erachtens ein Angriff auf den Binnenmarkt. Haben Sie das während Ihrer Ratspräsidentschaft so vor, und wenn ja, wieso?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Also es war zwar keine wirkliche Frage, sondern vielmehr ein Statement (Abg. Schieder: Aber hallo!), aber ich beginne vielleicht einmal mit dem ersten Teil Ihrer Aussage und komme dann erst zum zweiten.

Ich glaube, es wäre falsch, meine Politik nicht als Europapolitik zu bezeichnen, nur weil wir vielleicht da und dort unterschiedliche Ansätze haben. Wenn Sie von der Solidarität sprechen, dann ist das ja durchaus löblich; ich gebe nur zu bedenken, dass Solidarität ein bisschen mehr als nur die Aufnahme von Flüchtlingen ist. Insbesondere wenn man das aus diesem Gesichtspunkt sieht, kann man über viele Bereiche in Europa dis­kutieren. Ist es zum Beispiel solidarisch, dass manche Staaten Steuerregelungen haben, von denen sie und auch manch große Konzerne profitieren, während andere Staaten wie Österreich aber darunter leiden? Das ist auch eine Frage der Solidarität.

Insofern würde ich gern die Diskussion der Solidarität nicht nur auf die Flüchtlings­aufnahme fokussieren, vor allem deshalb nicht, weil wir nach einigen Jahren Debatte ja alle – mittlerweile auch Sie – eingesehen haben sollten, dass allein die Verteilung in der Europäischen Union die Migrationsfrage nicht lösen wird. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Was den Konsumentenschutz betrifft: Der Konsumentenschutz ist wichtig, aber über­bordende Regelungen, die teilweise nicht einmal im Sinne der Konsumenten sind und es nur den Unternehmen erschweren, sodass diese sich vielleicht schwerer tun, in der Europäischen Union wettbewerbsfähig zu bleiben, sind sicherlich nicht in unserem Interesse. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 2. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Guten Morgen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wie Sie wissen, wurde gestern hier im Nationalrat seitens Ihrer Fraktion und seitens der FPÖ ein Initiativantrag eingebracht, mit dem das 2015 be­schlossene NichtraucherInnenschutzgesetz gekippt werden soll, noch bevor es per 1. Mai dieses Jahres in Kraft treten kann – und das, obwohl Sie und wir alle wissen, dass jährlich 13 000 Menschen in Österreich an den Folgen des Tabakkonsums ver­sterben. Daher frage ich Sie:

4/M

„Warum sorgen Sie als Bundeskanzler nicht dafür, dass – wie auch von hunderttau­senden Menschen gefordert – das generelle Rauchverbot in der Gastronomie plan­mäßig mit 1. Mai 2018 in Kraft tritt, um in Zukunft tausende Krebstote zu vermeiden?“

(Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie sprechen ein Thema an, das viel diskutiert wird. Sie sprechen ein Thema an, zu dem es unter­schiedliche Zugänge gibt, die, glaube ich, auch alle legitim und argumentierbar sind. Wir haben uns bei den Koalitionsverhandlungen diesbezüglich auf eine Position ver­ständigt, die ich auch mittrage – diese Position wurde gestern auch so im Parlament be­schlossen –, nämlich eine Verlängerung des Status quo. (Abg. Schieder: Beschlossen?!)

Ich kann aber gleichzeitig dazusagen, dass ich, aber natürlich auch die gesamte Bun­desregierung Respekt vor allen Menschen haben, die sich engagieren, die auch an der Diskussion teilnehmen, die sich auch engagieren, indem sie ein Volksbegehren unter­schreiben. Selbstverständlich wird dieses Volksbegehren im Parlament behandelt wer­den, so wie das gesetzlich vorgesehen ist. Ich kann Ihnen aber versprechen, wir werden uns damit auch in der Regierung auseinandersetzen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Abge­ord­nete? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler, danke für die erste Antwort. Sie haben noch vor einigen Jahren, wie Sie sich sicher noch erinnern können, persönlich die Onlinepetition Don’t smoke unterschrie­ben, damals noch in Ihrer Funktion als Außenminister. Mittlerweile haben fast eine halbe Million Menschen in Österreich das Volksbegehren der Krebshilfe und der Ärzte­kammer unterstützt. Welche Maßnahmen werden Sie konkret – nämlich konkret! – setzen, damit erstens diese vielen Stimmen gehört werden und zweitens dieser Volks­wille seitens Ihrer Regierung ernst genommen wird?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Frau Abgeordnete, zum ersten Teil Ihrer Frage: Sie waren ja selbst Regierungsmitglied, Sie kennen also politische Realitäten und auch Notwendigkeiten der Zusammenarbeit in einer Koalition, glaube ich, selbst ganz gut. Das hat sich im Rahmen - - (Zwischenruf des Abg. Jarolim. – Rufe bei der ÖVP: Der Jarolim!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Herr Bundeskanzler ist am Wort. Ich würde bitten, ihn nicht zu unterbrechen. (Abg. Jarolim: ... Ihre Aufgabe! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.) – Meine Aufgabe ist, die Sitzung zu leiten und für Ordnung zu sorgen, Herr Abgeordneter! (Ruf bei der ÖVP: Das seid ihr nicht gewohnt! – Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Unsere Verfassung hat sich da auch nicht verändert.

So, wie das bei Koalitionsverhandlungen üblich ist, gibt es natürlich Bereiche, in denen man sich durchsetzt, und andere, in denen man einen Kompromiss eingehen muss. So war das auch bei diesen Koalitionsverhandlungen der Fall. Insofern gibt es jetzt einen vorliegenden Koalitionsvertrag, an den sich beide Regierungsparteien halten.

Was die Unterschriften betrifft, kann ich noch einmal sagen, was ich vorhin schon ge­sagt habe: Wir werden das so, wie es gesetzlich vorgesehen ist, im Parlament, aber darüber hinaus natürlich auch freiwillig in der Regierung behandeln. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Carmen Schimanek. – Bitte sehr. (Abg. Jarolim: Wurde nicht beschlos­sen gestern, die ...!)

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bun­deskanzler! Ich komme zu einem anderen Thema, einem wichtigen Thema. Das subjektive Sicherheitsgefühl von Frauen wird immer schlechter, aber nicht nur das Sicherheitsgefühl: Die Daten zeigen uns in den letzten zwei Jahren einen Anstieg von 70 Prozent bei fremden Tätern. Daher meine Frage an Sie:

1/M

„Welche Maßnahmen setzt die Regierung, um Gewalt gegen Frauen zurückzu­drän­gen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Das ist für uns ein sehr wichtiges Thema, und da braucht es aus unserer Sicht als Bundesregierung auch ein ganzes Bündel an Maß­nahmen. Ein erster Schritt ist sicherlich, die Schieflage, die es aus unserer Sicht im Strafrecht zwischen Gewaltverbrechen und Vermögensdelikten gibt, zu beseitigen und strengere Strafen bei Gewaltverbrechen möglich zu machen. Das ist etwas, wofür in­ner­halb der Regierung eine Taskforce gebildet wurde; die Staatssekretärin im Innen­ministerium leitet diese Taskforce gemeinsam mit dem Justiz- und dem Innenminister. Da hoffen wir auf gute Ergebnisse, um härtere Strafen auch für Gewaltverbrecher sicherzustellen.

Darüber hinaus braucht es natürlich Unterstützung für die Opfer. Wir haben hier in Österreich rund 30 Frauenhäuser, die aus meiner Sicht ausgezeichnete Arbeit leisten. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, 100 neue Betreuungsplätze zu schaffen, damit wir auch die Opfer bestmöglich unterstützen können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Das ist ein sehr wichtiges Thema, denn wir wissen ja, dass Frauen, gerade wenn sie von Tätern aus anderen Kulturkreisen ver­gewaltigt werden, es oft als blanken Hohn empfinden, wenn diese Täter auf freiem Fuß angezeigt werden.

Deshalb jetzt auch meine Zusatzfrage: Welche Maßnahmen wird die Regierung ergreifen, damit Sexualstraftäter nicht mehr auf freiem Fuß angezeigt werden oder mit einer Fußfessel freikommen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Das Thema, das Sie ansprechen, ist genau das Thema, mit dem sich auch die Taskforce beschäftigt. Ich will jetzt den Ergebnissen der Taskforce nicht vorgreifen, aber die Zielsetzung ist klar, nämlich einerseits natürlich Gerechtigkeit, andererseits aber auch mehr Schutz vor Personen, die gefährlich für unsere Gesellschaft sind.

Weil Sie auch das Problem angesprochen haben, dass teilweise aus anderen Kultur­kreisen Gedankengut importiert wird, das so bei uns keinen Platz haben darf: Ja, Sie haben vollkommen recht, dieses Problem gibt es auch, und darauf fokussieren wir auch ganz besonders, denn unabhängig davon, woher jemand kommt, gilt die öster­reichische Gesetzeslage, und da hat Gewalt gegen Frauen definitiv keinen Platz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage von Frau Abge­ordneter Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Ich möchte von dieser Law-and-Order-Diskussion ein bisschen in Richtung Prävention lenken – damit Frauen überhaupt erst gar nicht Opfer von Gewalt werden. In Österreich schaut die Situation ja aktuell so aus, dass eine von fünf Frauen ab dem Alter von 15 Jahren, das heißt 20 Prozent, Opfer von körperlicher und sexu­eller Gewalt wird beziehungsweise diese erfährt.

Wie schätzen Sie das ein, wenn sowohl die Präsidentin der Richtervereinigung als auch der Präsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer und der Präsident der Opferschutzorganisation Weisser Ring bestätigen, dass höhere Strafrahmen nicht grundsätzlich von einer Tat abhalten?

Meine Frage: Wird die Bundesregierung deshalb für einen Ausbau von Präventiv­maßnahmen im Bereich der Täterarbeit und deren ausreichende Finanzierung sorgen, damit Frauen erst überhaupt nicht Opfer von Gewalt werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Das werden wir definitiv tun, denn Sie haben recht, das ist, wenn man das Thema ernst nimmt, ein genauso wesentlicher Bestandteil wie ordentliche Strafen für diejenigen, die sich etwas zuschulden kommen lassen. Die Frauenministerin ist in diesem Bereich schon aktiv, ich kann Sie nur einladen: Vielleicht setzen Sie sich auch mit der Frauenministerin zusammen, um dieses Thema gemein­sam zu betreiben. Ich glaube, das ist ein Thema, bei dem wir durchaus parteiüber­greifend zusammenarbeiten sollten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur Zusatzfrage von Frau Abge­ordneter Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Gewaltschutz ist in der Tat ein wichtiges Thema. In Österreich haben wir hervorra­gende Gewaltschutzgesetze. Wir werden jetzt auch begutachtet, weil wir uns auf Ebene des Europarates einer großen Initiative angeschlossen haben, nachdem von­seiten Österreichs auch die entsprechende Ratifizierung erfolgt ist. Der Bericht und der Schattenbericht werden demnächst vorliegen.

Es ist in der Tat so, dass Prävention in allen Bereichen ein ganz wichtiger Faktor sein wird – also das Erhöhen von Strafen alleine ist es nicht. Wir haben ja erst im Jahr 2016 die Strafen für Sexualstraftaten und Gewalttaten erhöht, und Herr Kollege Mahrer ist auch immer ein Befürworter der Präventionsmaßnahmen gewesen, zum Beispiel für Hochrisikoopfer.

Daher auch meine Frage in diese Richtung: Kollegin Edtstadler sagt, Prävention, Opferschutz und Täterarbeit sind genauso wichtig wie das Strafausmaß, das Sie jetzt noch einmal erhöhen wollen. Wie stehen Sie persönlich dazu? Auch das Frauen­volks­begehren beinhaltet ja einen großen Bereich zum Gewaltschutz, leider hat sich bisher noch kein Regierungsmitglied positiv zum Gewaltschutz geäußert. Wie stehen Sie persönlich zu Opferschutz und Täterarbeit, Herr Bundeskanzler?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Zu Opferschutz und Täterarbeit habe ich eine klar positive Haltung, und insofern gebe ich Ihnen zu 100 Prozent recht, dass das genauso wichtig ist wie härtere Strafen. Ich sehe das nicht als Entweder-oder, sondern eigent­lich als Sowohl-als-auch, um ehrlich zu sein. Ich glaube, dass sich das auch nicht widerspricht. Wir können beide Maßnahmen setzen, und beide werden gut sein.

Weil Sie angesprochen haben, dass es da eine Veränderung in der letzten Bun­des­regierung gab: Das stimmt, allerdings wurden da die Mindeststrafen nicht erhöht, und genau das halte ich eigentlich für eine Notwendigkeit (Abg. Heinisch-Hosek: Doch, schon! Wurden schon erhöht!), wenn man sich manche Entscheidungen anschaut. Das ist keine Kritik an den Richtern (Abg. Heinisch-Hosek: Für Vergewaltigung wurden sie enorm erhöht!) – in manchen Bereichen aber nicht –, so will ich das nicht verstanden wissen, sondern die Richter arbeiten mit der Gesetzeslage, die es eben gibt, und für die Gesetzeslage, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, sind Sie zuständig. (Abg. Heinisch-Hosek: ... 15 Jahre, Herr Bundeskanzler!)

Wenn ich den zweiten Gedanken, zum Frauenvolksbegehren, noch ausführen darf: Sie haben vollkommen recht, es gibt Aspekte in diesem Volksbegehren, die ich sehr positiv sehe, aber es gibt Aspekte wie zum Beispiel die 30-Stunden-Woche, die ich nicht positiv sehe, weil ich das als wirklich gefährlich für unseren Standort erachten würde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 4. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Matthias Strolz. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Bundeskanzler! Jährlich ver­lieren 13 000 Menschen in Österreich, so sagt die Statistik, ihr Leben aufgrund der Spätfolgen von Nikotinkonsum. – Das ist die Statistik. Es sind aber vor allem Väter, Mütter, Töchter, Söhne, Großmütter, Großväter, die da zum Teil einen schweren Tod sterben. Jetzt kann man sagen, das ist der Preis der Freiheit, aber für 1 000 Menschen davon trifft das nicht zu, denn circa 1 000 Menschen sterben jährlich durch Passiv­rauchen.

Jetzt kommen Sie ins Spiel: Wir haben gesehen, dass innerhalb von circa zweieinhalb Wochen fast eine halbe Million Menschen in Österreich für eine rauchfreie Gastro­nomie unterschrieben haben. Diese Entscheidung könnte Menschenleben retten, Söhne, Töchter, Mütter, Väter, Großväter, Großmütter. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Jetzt ist die Frage: Sie haben sich im Regierungsprogramm für die Stärkung der direk­ten Demokratie entschieden. Vizekanzler Strache sagt hier, er wäre für eine Volks­abstimmung, aber er kann nicht wegen Ihnen. Sie sagen, Sie sind für eine Volks­abstimmung, Sie können aber nicht wegen Strache. Ich meine: Ist es Ihnen nicht mög­lich, über den persönlichen Schatten zu springen und sich für das Leben zu entschei­den? (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 10/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum ignorieren Sie und Ihre Regierungsfraktionen die bisher 400.000 Unter­stützer_innen des Volksbegehrens, indem Sie die Aufhebung des von diesem Parla­ment bereits beschlossenen Rauchverbots in der Gastronomie vorantreiben, obwohl Sie in Ihrem Regierungsprogramm eine Stärkung dieser direktdemokratischen Instru­mente fordern?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, ich habe die Frage schon beantwortet, als Frau Abgeordnete Rendi-Wagner (Abg. Jarolim: Haben Sie nicht!) eine ähnliche Frage gestellt hat (Abg. Jarolim: Haben Sie nicht!), aber ich kann gerne noch einmal die Möglichkeit wahrnehmen.

Wir haben einen Koalitionsvertrag, zu dem beide Seiten stehen, und es gibt ein Volks­begehren, für das derzeit Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Ich habe großen Respekt vor allen Menschen, die sich beteiligen, die - - (Abg. Jarolim: Das ist sehr charakterlos! Sehr charakterlos! – Rufe bei der FPÖ: Das ist unerhört! Herr Präsident! Das ist unerhört!)

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, Herr Abgeordneter, und ich bitte Sie, den Redner endlich ausreden zu lassen, um die Würde des Hauses auch in dieser sehr intensiven Fragestunde zu wahren. (Abg. Krainer: ... Vorsitzführung ...! Abg. Jarolim: ... es ist Ihre Aufgabe, darauf zu schau­en! – Abg. Rosenkranz: Unerhört!) – Herr Abgeordneter! Die Fragen sind von den Abgeordneten frei zu wählen und von den Regierungsmitgliedern frei zu beantworten. (Abg. Krainer: Ja, aber fürs Protokoll müssen Sie sagen, welchem Abgeordneten Sie den Ordnungsruf geben! – Abg. Jarolim: Echte Fragen sind zu beantworten!)

Ich glaube, wir sind hinsichtlich dieser Fragestunde vorab übereingekommen, die Fragen zu formulieren, und zu diesen Fragenformulierungen ist die Antwort erfolgt. Ich bitte, jetzt den Redner ausreden zu lassen. (Abg. Krainer: Aber fürs Protokoll müssen Sie ...! Abg. Jarolim: Schwachmatische ...! – Abg. Schieder: ... Schiedsrichter da! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Wenn Sie erlauben, dann darf ich vielleicht mit der Beantwortung fortsetzen. Ich bin der festen - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Dafür den nächsten Ordnungsruf – für Kritik! Das ist ja lächerlich.

*****

Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Ich bin der festen - - (Abg. Rosenkranz: Wir brauchen keine Atmosphäre wie auf einem Wiener Landesparteitag der SPÖ herinnen! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich bin der festen Überzeugung - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche die Sitzung und berufe eine kurze Präsidiale ein.

*****

(Die Sitzung wird um 9.30 Uhr unterbrochen und um 9.36 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und setze die Fragestunde fort. Am Wort ist der Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Gut! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass wir fortsetzen können, und darf Ihre Frage, Matthias Strolz, beantworten.

Ich betone noch einmal, dass ich tiefen Respekt vor allen Menschen habe, die sich engagieren, die sich politisch einbringen. Das war immer so und das wird immer so sein. Insofern sehe ich das grundsätzlich auch positiv, wenn sich Menschen bei Volksbegehren einbringen, ganz egal, in welche Richtung.

Die Bundesregierung hat einen Koalitionsvertrag abgeschlossen. Das ist genauso legitim, und dieser wird derzeit auch umgesetzt. Das bedeutet, es wird die derzeitige Regelung verlängert. Somit besteht Rechtssicherheit, aber selbstverständlich warten wir das Volksbegehren ab und werden es dann im Parlament, aber auch in der Regierung behandeln. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Bundeskanzler! Für viele mag der Tod durch Nikotinkonsum der Preis persönlicher Freiheit sein, aber noch einmal: für circa 1 000 Menschen pro Jahr in Österreich nicht. Ich frage Sie: Ist Ihnen bewusst, dass täglich zwei bis drei Österreicherinnen und Österreicher an den Folgen von Passivrauch sterben? Und sind Sie tatsächlich bereit, in diesem Bewusstsein Machttaktik vor Menschenleben zu stellen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Noch einmal, Herr Abgeordneter, auch wenn ich glaube, ich habe die Frage beantwortet: Ich bin der festen Überzeugung, dass es richtig und gut für die Gesundheit ist, nicht zu rauchen. Das ist der Grund, warum ich selbst auch Nichtraucher bin. Und ja, wir hatten sehr lange eine Regelung in Österreich, die wir jetzt so verlängern, wie sie bis jetzt auch vorgesehen war (Abg. Strolz: Und für Tote verantwortlich ist!), und parallel dazu läuft gerade ein Volksbegehren, und dieses Ergebnis warten wir ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich komme zur 5. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Bundeskanzler! Sie selbst waren am 24. September des letzten Jahres in der Elefantenrunde bei Puls 4 zu Gast. Peter Pilz hat dort die Unterhaltssicherung zum Thema gemacht, woraufhin alle Parteienvertreter bekundet haben, rasch helfen zu wollen. Auch Sie persönlich haben das Ja-Taferl in die Höhe gehalten und gesagt: Ja, ich will die Unterhaltssicherung für AlleinerzieherInnen und deren Kinder umsetzen und ihnen damit helfen! – 40 Prozent jener AlleinerzieherInnen, die an der Armutsgrenze leben und ausgrenzungsgefährdet sind, warten noch immer auf die Umsetzung. Deshalb meine Frage:

12/M

„Welche konkreten Schritte sind seitens der Bundesregierung für eine schnellst­mög­liche Umsetzung der Kindesunterhaltssicherung basierend auf einer aktualisierten Kinderkostenanalyse geplant, um Ihrem Versprechen aus dem Wahlkampf (Puls 4 Elefantenrunde vom 24.9.2017) gerecht zu werden?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir haben uns als Bundesregierung ganz klar dazu bekannt, dass wir eine Modernisierung und Vereinfachung des Kindesunterhaltsrechts gewährleisten wollen. Das ist auch der Grund, warum das Unterhaltsvorschußgesetz auf bestehende Lücken geprüft wird und das Ziel natürlich darin besteht, diese gegebenenfalls auch zu schließen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? (Abg. Holzinger-Vogtenhuber: Ja, unbedingt!) – Bitte.

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Geprüft ist ein schönes Wort; ich höre dieses Wort, aber mir fehlt schlussendlich der Glaube an die Taten, die dann folgen sollen. Die letzte Regierung hat sich dieses große Thema auch schon vorgenommen, dieser letzten Regierung haben auch Sie angehört, und es wurde über Jahre, Jahr um Jahr immer wieder verschoben mit der Ausrede, erst die tatsächlichen Kinderkosten erheben zu müssen, und, und, und.

Deshalb: Welches Modell zur Feststellung der aktuellen Kinderkosten sieht die Bundesregierung vor, um die veraltete Kinderkostenanalyse aus dem Jahr 1964 zu überarbeiten und zu aktualisieren?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wie schon gesagt: Es läuft derzeit eine Überprüfung mit dem Ziel einer Aktualisierung und natürlich auch mit dem Ziel, die Lücken, die es da möglicherweise gibt, zu schließen. In der letzten Bundesregierung, da haben Sie recht, war ich Außenminister. Jetzt bin ich der Bundeskanzler, das heißt, ich habe ganz andere Möglichkeiten, sicherzustellen, dass wir dieses Projekt auf den Weg bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Niko­laus Prinz.

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Geschätzter Herr Bundeskanzler! Die Familie ist die Keimzelle des Staates, und Kinder sind sicherlich das höchste Gut. Auf der einen Seite, glaube ich, ist es natürlich wichtig, dass die Politik hier entsprechende Rahmenbedingungen gestaltet, andererseits sind aber auch wir als Gesellschaft auf­gefordert, Kindern und Familien einen hohen Stellenwert zu geben, auch dann, wenn es vielleicht nicht die eigenen Kinder oder Enkelkinder sind. Grundsätzlich sollten wir Kinder nicht nach den Kosten beurteilen, sondern auch danach, welche Freude sie den Familien und uns machen. Es ist aber natürlich auch wichtig, die Unterstützung für die Familien weiterzuentwickeln.

Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung konkret, um noch familienfreundlicher zu werden und die Familien zu entlasten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Eine Maßnahme, die wir derzeit gerade umsetzen, ist die größte steuerliche Entlastung für Familien, die es jemals in Österreich gegeben hat. Der Familienbonus wird Eltern, die arbeiten gehen, die Steuern bezahlen und gleichzeitig Kinder haben und somit einen Beitrag für unsere Zukunft leisten, eine Entlastung von bis zu 1 500 Euro pro Kind bringen. Das ist die größte Steuerentlastung für Familien, das ist die größte Steuerentlastung für Menschen, die arbeiten gehen, Steuern zahlen und gleichzeitig Kinder großziehen, die wir je hatten – und das ist, glaube ich, ein positiver Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber.

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Der Staat zahlt jährlich hohe Summen an Unterhaltsvorschuss, um zu helfen. 2016 waren es 120 Millionen Euro, etwa 60 Prozent wurden von den Unter­haltsschuldnern zurückgeholt und ungefähr 50 Millionen Euro waren uneinbringlich. Auch im Vorjahr, 2017, waren die Zahlen so ähnlich, und das wiederholt sich schon seit Jahren.

Dazu meine Frage: Sind von der Bundesregierung Maßnahmen geplant, um das Geld von Unterhaltsschuldnern zurückzuholen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Das ist ein großes Thema, mit dem sich die Frau­enministerin gerade auseinandersetzt, gemeinsam mit dem Finanzminister. Ich möchte dazusagen, dass es Gott sei Dank viele Väter gibt, die ihren Pflichten ordnungsgemäß nachkommen, aber es gibt auch solche, bei denen das nicht funktioniert, und, da haben Sie vollkommen recht, da hat die Republik, da hat der Staat, da hat die Ver­waltung eine Verantwortung.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur 6. Anfrage, jener des Abge­ordneten Mag. Gerstl. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Bis vor Kurzem hatten wir ja die abstruse Situation, dass die Asfinag zwar die Daten der Lkw für das Roadpricing aufnehmen durfte, aber die Polizei die Kenn­zeichen von gestohlenen Kfz nicht erfassen durfte. Die letzte Bundesregierung hat ein umfangreiches Sicherheitspaket diskutiert, und im letzten Ministerrat hat diese Bundes­regierung ein großes Sicherheitspaket beschlossen, um die neuesten Ermittlungs­mög­lichkeiten auch für die Polizei zugänglich zu machen.

Ich frage Sie daher, Herr Bundeskanzler:

8/M

„Welche positiven Entwicklungen erwarten Sie sich aus dem Sicherheitspaket, welches vergangene Woche durch den Ministerrat gegangen ist?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir haben dieses Sicherheitspaket ja schon in der Vorgängerregierung sehr ausführlich diskutiert. Es sind jetzt einige Nachschärfungen vorgenommen worden. Grundsätzlich würde ich sagen, dass es ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Polizei ist und auch eine effektive Verbrechensbekämpfung in Bereichen möglich macht, in denen Schwerverbrecher teilweise auf technische Möglichkeiten setzen konnten, die Polizei das aber bisher nicht konnte. Da gab es aus meiner Sicht in gewissen Bereichen einfach eine Gesetzeslücke, die jetzt geschlossen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Vielen Dank, Herr Bundeskanzler.

Eine spezielle Form der Kriminalitätsbekämpfung ist vor allem die Terroris­musbekämp­fung. Terroristen haben es sich oft zunutze gemacht, dass die Polizei zwar Telefone abhören und SMS mitlesen durfte, aber keine Möglichkeit hatte, WhatsApp oder inter­netbasierte Skype-Dienste zu verwenden.

Welchen Nutzen sehen Sie im Sicherheitspaket, vor allem hinsichtlich Terrorismus­be­kämpfung?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Schritt ist, damit Verbrecher nicht technische Neuerungen nutzen können, die die Polizei so nicht verwenden kann. Es ist ja geradezu absurd, dass es zwar legal ist, wenn ein Verbrecher – natürlich nur mit richterlicher Genehmigung – überwacht wird, dass man seine E-Mails mitlesen kann, seine SMS lesen kann, ihn abhören kann, wenn er tele­foniert, aber diese Möglichkeit nicht mehr besteht, sobald er auf internetbasierte Tele­fonie wechselt oder sobald er eine Nachricht nicht per SMS schreibt, sondern per WhatsApp. Diese Lücke wird jetzt geschlossen, und das halte ich für richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Angela Lueger.

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Guten Morgen, Herr Kanzler! Das deutsche Innenministerium hat gestern Abend in Medienberichten bekannt gegeben, dass Hacker mit einer Schadsoftware in das Datennetz des Außen- und des Verteidigungs­ministeriums eingedrungen sind, möglicherweise haben sie bereits ein ganzes Jahr lang ausspioniert. Unklar ist, ob da Daten gestohlen wurden.

Am Mittwoch voriger Woche wurde das Sicherheitspaket im Ministerrat beschlossen. Wie können Sie garantieren, dass so etwas speziell in Österreich, wo ja auch bewusst so eine Sicherheitslücke offengelassen wird, nicht passiert? (Bundeskanzler Kurz: Inwiefern bewusst eine Sicherheitslücke offengelassen wird?) – Es wird im Internet eine Sicherheitslücke für den Trojaner offengelassen, damit man nachfragen und nachforschen kann.

Daher meine Frage: Wie können Sie garantieren, dass das in Österreich nicht pas­siert?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Also ich sehe den Zusammenhang zwischen IT-Sicherheit im öffentlichen Bereich und dem Sicherheitspaket nicht wirklich, muss ich zugestehen. Ich glaube, dass das zwei wesentliche, aber doch sehr unterschiedliche Themen sind.

Ja, Sie haben vollkommen recht, es ist natürlich notwendig, dass Ministerien ein Maxi­mum an Sicherheit gewährleisten. Genauso wie es in anderen Bereichen des öffent­lichen Lebens nie eine absolute Sicherheit, nie eine hundertprozentige Sicherheit gibt, wird das auch im Bereich der IT nicht möglich sein, aber ein Maximum müssen wir natürlich gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 7. Anfrage, jener des National­rates Andreas Schieder. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Bundeskanzler, es ist in den ersten Wochen und Monaten der neuen Bundesregierung auch über Außenpolitik sehr viel geredet worden, unter anderem sind von verschiedenen Regierungsmitgliedern verschiedene außenpolitische Aussagen getätigt worden, und in ausländischen Zei­tungen – ich habe Ihnen einige mitgenommen – hat man sich mannigfaltig die Frage gestellt, wie sich Österreich in außenpolitischen Fragen positioniert.

Daher, weil es ja doch wichtig ist, dass man einheitlich auftritt, ist meine Frage an Sie:

5/M

„Welche Maßnahmen werden Sie als Bundeskanzler setzen, um künftig ein ein­heit­liches Auftreten der Bundesregierung in außenpolitischen Fragen“ – vor allem in zen­tralen außenpolitischen Fragen – „sicherzustellen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir haben als Basis für unsere Arbeit als Bundes­regierung ein Regierungsprogramm, das wir ausführlich verhandelt haben, auf das wir uns geeinigt haben, und das ist innenpolitisch genauso wie außenpolitisch natürlich die Grundlage unserer Arbeit.

Wir haben mit Karin Kneissl eine Außenministerin, die aus meiner Sicht nicht nur sehr aktiv ist, sondern auch sehr gute Arbeit leistet. Wir können, wenn wir auf die letzten Monate zurückblicken, glaube ich, mit Recht sagen, dass wir eine Bundesregierung sind, die sich europapolitisch, aber auch außenpolitisch bis jetzt sehr stark eingebracht hat. Ich selbst komme gerade erst aus Russland, war letzte Woche erstmals beim Europäischen Rat, und auch die Außenministerin ist gerade unterwegs; ich habe gestern Abend noch mit ihr telefoniert.

Wenn Sie auf den Westbalkan anspielen, da kann ich Ihnen nur sagen, da haben wir als Österreich, glaube ich, nicht nur eine lange Tradition, sondern auch ein starkes Standing. Ich bin in engem Kontakt mit dem serbischen Präsidenten, aber auch mit dem Präsidenten und den Regierungsverantwortlichen im Kosovo, und glauben Sie mir, Herr Abgeordneter, dort ist unsere Haltung zum Westbalkan wohlbekannt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Wie Sie quasi eh auch selbst ange­sprochen haben, gab es aber divergierende Aussagen, sowohl was Bosnien betrifft als auch was Kosovo betrifft als auch was Russland und Ukraine betrifft.

Daher meine Frage ganz konkret: Teilen Sie die Meinung von Ihrem Vizekanzler H.-C. Strache, nämlich die von ihm geäußerte Ansicht, dass der Kosovo ein Teil Serbiens sei?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie wissen selbst, dass er sehr schnell seine Aussagen klargestellt hat und auch klargestellt hat, was die offizielle Regierungslinie Österreichs ist. Dass die Freiheitliche Partei da als Partei in der Vergangenheit eine andere Positionierung hatte, ist uns allen bekannt, aber wie das bei Regierungsverhandlungen so ist: Man einigt sich natürlich auf eine Regie­rungs­position, die ist klar und wird auch von allen Regierungsmitgliedern so mitge­tragen. Das hat der Vizekanzler selbst klargestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Nationalrätin Ste­phanie Krisper.

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich möchte hier einhaken: Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler, hat es Ihrer Meinung nach nicht schon Folgen für die Glaubwürdigkeit Österreichs als konstruktive Kraft für Frieden am Westbalkan gehabt, dass Vizekanzler Strache auch einen Orden von einem Genozidleugner angenommen hat, der sich wiederum für die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina starkmacht, und dass dieser Herr Vizekanzler Strache eben auch in einem Interview mit serbischen Medien Kosovo als „zweifellos ein Teil Serbiens“ bezeichnet hat? Damit hat er destabilisierend – oder meinen Sie das nicht? – in einer Region gewirkt, für deren Stabilisierung wir uns gerade während der EU-Ratsprä­si­dentschaft einsetzen sollten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Frau Abgeordnete! Ich kann noch einmal wie­derholen, was ich gerade gesagt habe: Er hat seine Aussagen klargestellt. Es gibt eine klare Haltung der österreichischen Bundesregierung, und ich lade Sie gerne ein, wenn Sie Interesse haben, mich bei meiner nächsten Reise in die Region zu begleiten. Ich war vor Kurzem erst in Kontakt mit dem serbischen Präsidenten, auch mit dem Ver­antwortlichen in Kosovo.

Österreich hat ein wirklich gutes Standing in dieser Region; die Region ist uns dankbar für unsere Bemühungen, diese Region näher an die Europäische Union heranzuführen und eine europäische Perspektive zu eröffnen. Gerade was den Dialog zwischen Belgrad und Pristina betrifft, bin ich persönlich nach den letzten Gesprächen, die ich dort geführt habe, eigentlich sehr optimistisch und glaube, dass es möglich sein wird, da bald einen positiven Schritt zustande zu bringen. Das ist im Interesse beider Länder, aber natürlich auch im Interesse der Europäischen Union, weil dann die Annäherung an die Europäische Union weiter fortgesetzt werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 8. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Wendelin Mölzer. – Bitte.

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler, auch von meiner Seite! Herr Bundeskanzler, ich glaube, wir sind alle der festen Überzeu­gung, dass Bildungspolitik und Bildung als solche ganz wesentliche Bereiche sind, wenn es darum geht, unsere Zukunft positiv zu gestalten und die Zukunft unserer Kinder positiv zu gestalten. Wir alle wissen aber auch, dass wir im Bildungsbereich eine prekäre Situation vorfinden. Die Zahlen und Fakten sprechen da eine eindeutige Sprache. Nach rund einem Jahrzehnt sozialistischer Bildungspolitik können fast ein Drittel, glaube ich, der Kinder nicht sinnerfassend lesen. In Wien muss etwa jedes fünfte Kind eine Privatschule besuchen, in Österreich jedes zehnte; diese Zahlen waren in den letzten zehn Jahren steigend. Wir wissen auch, dass diese Problemlagen und die Ursachen dafür mannigfaltig sind und natürlich auch die Lösungsansätze entsprechend mannigfaltig sind.

Daher meine Frage an Sie: Welche Maßnahmen, Herr Bundeskanzler, sehen Sie als wesentlich und zentral an, um im Bildungsbereich unsere Zukunft positiv zu gestalten?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 2/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen sehen Sie im Bildungsbereich als wesentlich an, um die Zukunft unserer Kinder sicherzustellen?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, das ist ein ganz großes Thema, Herr Abgeordneter, vor allem das Thema Deutsch als Unterrichtssprache gerade im urba­nen Raum. Wenn wir uns anschauen, wo es Probleme an Schulen gibt, dann sehen wir, das hängt oft damit zusammen, dass es einen hohen Anteil an Kindern nicht deut­scher Muttersprache gibt, die sich schwertun, dem Unterricht zu folgen, Lehrerinnen und Lehrer, die nicht dafür ausgebildet sind, Deutsch als Fremdsprache zu unter­richten, und andere Schüler in der Klasse, die dem Unterricht eigentlich schon schnel­ler folgen könnten.

Das ist eine Zusammensetzung, die so oftmals nicht funktioniert, darum bin ich froh, dass wir uns auf Deutsch vor Schuleintritt im Regierungsprogramm verständigen konn­ten. Bildungsminister Faßmann ist da schon mitten in der Umsetzung, und ich gehe davon aus, dass Deutsch vor Schuleintritt ein wesentlicher Schritt dazu sein kann, dass in Zukunft ausschließlich Kinder im Regelsystem sind, die auch die Unterrichtssprache beherrschen und dem Unterricht folgen können. Das wiederum hat den Vorteil, dass der Lehrer gut mit dem Lehrplan vorankommt und die Schülerinnen und Schüler auch mitkommen können, weil sie verstehen, was der Lehrer vorträgt.

Darüber hinaus setzen wir Maßnahmen, eine Bildungspflicht einzuführen. Das ist, glaube ich, auch ein guter Schritt, um sicherzustellen, dass niemand die Schule ohne Mindeststandards verlässt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Bundeskanzler, ich bin auch der festen Überzeugung, dass der Integrations- und Zuwanderungsdruck auf unsere Schulen ein großes Problem ist und dass die Umsetzung dieser alten freiheitlichen Forderung nach Deutschförderklassen ganz wesentlich ist.

Welche weiteren Maßnahmen sehen Sie im Integrations- und Zuwanderungsbereich im Zusammenhang mit der Unterrichts- und Schulpolitik noch, die da gesetzt werden müssen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, ganz wesentlich ist, auch beim Kinder­garten anzusetzen. Es ist nachweislich richtig, dass es immer besser ist, früh zu inves­tieren, als später teuer zu reparieren. Das heißt, je mehr wir in der Frühförderung zustande bringen, desto günstiger für das System, desto besser aber auch für die Bildungskarriere der Kinder, und das ist ein Schwerpunkt, den wir auch setzen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Nico Marchetti.

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wir haben gestern hier im Hohen Haus ein neues Universitätsgesetz beschlossen, und da erwar­ten wir Studierende uns einen großen Qualitätssprung auch in der Lehre; deswegen meine Frage: Was will die gesamte Bundesregierung machen, um bestmögliche Stu­dienbedingungen und auch eine nachhaltige solide Finanzierung der Hochschulen sicherzustellen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter! Ich bin froh, dass wir mit unserem Bildungs- und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann einen Experten gerade für den Bereich Universitäten haben, und das ist vielleicht mit ein Grund dafür, dass es in der Bundesregierung gemeinsam mit der Freiheitlichen Partei so schnell gelungen ist, die Studienplatzfinanzierung auf den Weg zu bringen. Das ist ein Projekt, über das ein Jahrzehnt diskutiert wurde, über das jahrelang ver­handelt wurde; es war nie möglich, dieses Projekt umzusetzen. Jetzt ist es dieser Bundesregierung innerhalb von wenigen Monaten gelungen, einen meiner Meinung nach großen Meilenstein für die Universitäten zu erreichen. Ich glaube, dass das auch ein deutlicher Sprung nach vorne für die österreichische Universitätslandschaft sein wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Frage 9, jener der Frau Abge­ordneten Claudia Gamon. – Bitte.

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Bundes­kanz­ler! Wir haben ja in der Vergangenheit und in den letzten paar Wochen sehr oft gehört, dass Sie sich dafür einsetzen, dass der Beitrag Österreichs zum Budget der Euro­päischen Union verringert werden könnte. Jetzt hat Minister Blümel im EU-Unter­aus­schuss gesagt, dass es ein Ziel während der Ratspräsidentschaft sein wird, ordentliche EU-Außengrenzen zu schaffen und diese zu schützen.

11/M

„Wie hoch ist der jährliche Betrag, den Sie für die Finanzierung von mehr Dienstposten für einen verbesserten Schutz der EU-Außengrenzen und eine effektivere Küsten­wache der EU für angemessen halten?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Gamon, ich würde Ihnen diese Frage jetzt gerne mit einer konkreten Zahl beantworten, es ist aber leider die Zeit dafür noch nicht reif. Wir stehen gerade am Anfang der Verhandlungen, was den Außengrenzschutz betrifft, und es kommt einerseits sehr stark auf das Mandat an, also auf die Frage: Was genau sollen Frontex oder andere Organisationen, die dann dafür zuständig sein werden, tun dürfen, welche Möglichkeiten sollen ihnen eingeräumt werden?, andererseits kommt es natürlich, wenn wir über Außengrenzschutz sprechen, auch darauf an, in welchem Ausmaß es notwendig ist, welche Grenzen der Euro­päischen Union zu sichern. Da gibt es also eine sehr große Bandbreite, über die wir derzeit noch verhandeln.

Meine Bereitschaft ist klar, nämlich einen Beitrag zu leisten. Wir können, insbesondere auch was den Kampf gegen illegale Migration betrifft, die Italiener oder Griechen nicht alleinlassen, und insofern wollen wir, wenn es zu einer Einigung kommt, einen finan­ziellen, aber gerne auch einen personellen Beitrag leisten. Die Verhandlungen darüber laufen noch, das wird uns auch noch einige Zeit beschäftigen, aber ich kann Ihnen versichern, dass Österreich bereit ist, da einen Beitrag zu leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Ich finde es sehr positiv, wenn Sie sagen, dass Österreich bereit ist, solidarisch einen Beitrag zu leisten. Würde das be­deuten, dass Sie auch bereit wären, den österreichischen Beitrag zum EU-Budget um einen solchen Beitrag zu erhöhen, wenn das in den Schutz der Außengrenzen geht?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir stehen gerade ganz am Anfang der Verhand­lungen. Ich denke, dass am Ende von Verhandlungen oftmals ein Kompromiss das Ergebnis ist, aber gerade am Anfang der Verhandlungen ist es, glaube ich, nicht nur richtig, sondern auch notwendig, dass wir als Nettozahler unsere Position vertreten, und die ist ganz klar und auch gut argumentierbar. Ja, es gibt Bereiche, in denen ein Mehraufwand entstehen wird – Stichwort Außengrenzschutz –; es gibt aber auch Bereiche, für die wir, glaube ich, überdenken können, ob es noch zeitgemäß ist, noch ins 21. Jahrhundert passt, wie wir das derzeit leben, oder ob man da vielleicht andere Wege gehen sollte.

Die Europäische Union wird durch den Brexit kleiner, rund 14 Prozent der Bevölkerung fallen weg. Es gibt unterschiedliche Zugänge, was den Beitrag betrifft. Wir sind in der Gruppe derer, die der Meinung sind, die 1-Prozent-Grenze ist eine gute, aber es gibt auch einen Vorschlag der Kommission, der aller Voraussicht nach deutlich höher ausfallen wird. Ich freue mich auf die Verhandlungen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wie das Jahr 2015 bereits gezeigt hat, spielt die Sicherheit inner­staatlich, aber auch auf europäischer Ebene eine immer wichtigere Rolle. Dazu ist eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene notwendig. Die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Frontex muss einerseits durch personelle, aber andererseits auch durch materielle Ausstattung ausreichend gestärkt werden.

Eines ist klar: Wir müssen viel stärker auf europäischer Ebene zusammenarbeiten, um die Sicherheit in Europa zu gewährleisten. Österreichs Sicherheit hängt direkt mit der Sicherheit seiner Partnerländer, unserer Nachbarländer und der Europäischen Union, zusammen.

Meine Frage: Welche verteidigungspolitische Vision vertritt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir haben uns als Bundesregierung klar dazu bekannt und darauf verständigt, dass wir eine stärkere Zusammenarbeit im Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf europäischer Ebene erreichen wollen. Warum? – Weil wir der Auffassung sind, dass ein subsidiäres Europa sinnvoll ist; also eine Europäische Union, die in den großen Fragen stärker zusammenarbeitet und sich in kleineren Fragen zurücknimmt. Und was wäre eine große Frage, wenn nicht die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der gemeinsame Außengrenz­schutz – natürlich immer im Einklang mit unserer Neutralität! Alle Pläne, die derzeit auf dem Tisch liegen, vertragen sich sehr gut mit unserer Neutralität und geben gleichzeitig die Möglichkeit für ein Mehr an Sicherheit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 10. Anfrage, jener des Abge­ordneten Wolfgang Zinggl. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Herr Bundeskanzler! Seit dem Regierungswechsel ist es wiederholt zu verbalen Attacken von Regierungsmitgliedern gegenüber dem ORF gekommen. Sie haben dazu im Wesentlichen geschwiegen, was mich zu der Vermutung veranlasst, Sie könnten sich mit diesen Attacken solidarisieren.

Meine Frage daher: Bekennen Sie sich eigentlich zu einem aus dem Programmentgelt finanzierten, öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 13/M, hat folgenden Wortlaut:

„Bekennen Sie sich zu einem aus dem Programmentgelt finanzierten, öffentlich-rechtlichen Rundfunk und wenn nicht, warum nicht?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich möchte viel­leicht ein bisschen umfassender antworten. Ich bekenne mich zu einer hoffentlich starken, freien, unabhängigen und vielfältigen Medienlandschaft, in der der ORF ein wichtiger Bestandteil ist. Ich bin aber, das gebe ich zu, froh darüber, dass wir nicht nur einen ORF, sondern auch eine Unzahl an privaten Medien in unserem Land haben. Ich glaube, dass neben einem starken ORF mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag auch eine breite, vielfältige Medienlandschaft von Print bis Fernsehen für eine lebendige Demokratie wichtig ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Ich würde davon ausgehen, dass Sie auch der Meinung sind, dass dieser ORF unabhängig sein soll.

Wie können Sie die Unabhängigkeit des ORF in Zukunft sicherstellen? (Abg. Kitzmüller: Das muss er erst einmal werden!) Der Stiftungsrat kann diesbezüglich sicher nicht die Lösung sein; er ist nichts anderes als der verlängerte Arm der jewei­ligen Regierung. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Ich würde Sie bitten, dazu Stel­lung zu nehmen; vielleicht gibt es Ihrerseits Vorschläge, diesen Stiftungsrat in eine Unabhängigkeit zu bewegen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sie haben gesagt, Sie haben selbst die Erfahrung, dass - - Wie haben Sie es formuliert? (Abg. Zinggl: Ich war selbst vier Jahre lang Stiftungsrat im ORF und weiß daher, dass dieser kein unabhängiges Gremium, sondern ein verlängerter Arm der Regierung ist!)

Es braucht aus meiner Sicht einen unabhängigen ORF, einen ORF, der frei ist von parteipolitischen Interessen. Der Medienminister hat daran ein massives Interesse und hat daher auch jetzt schon mit Vorbereitungen für eine Medienenquete begonnen. Wenn das Ihrer Meinung nach in der Vergangenheit so nicht der Fall war und der ORF nicht unabhängig agieren konnte, dann ist das alles andere als gut. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 11. Anfrage, jener des Abge­ordneten Peter Haubner. – Bitte.

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Österreich hat ja bekanntlich eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten in Europa; das ist eine Tatsache. Tatsache ist aber auch, dass es erfreulicherweise momentan ein Wirt­schaftswachstum von 3 Prozent gibt, dass in Österreich so viele Menschen wie noch nie in Beschäftigung sind. Die ÖVP hat sich ja immer dafür eingesetzt, dass die Steuerquote beziehungsweise die Steuern in Österreich gesenkt werden. Auch Sie haben immer gesagt, dass es unter Neu-Regieren Steuersenkungen geben wird.

Daher auch meine Frage:

9/M

„Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung, um die Bevölkerung steuerlich zu entlasten?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben schon erste Maßnahmen auf den Weg gebracht: die Entlastung der kleinen Einkommen durch die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, den Familienbonus, aber zum Beispiel auch die Reduktion der Mehrwertsteuer von 13 auf 10 Prozent im Tourismus. All das sind Maßnahmen, die eine steuerliche Entlastung für arbeitende Menschen sicherstellen sollen und die natürlich gleichzeitig unsere Wirtschaft ankurbeln können.

Wir haben ein massives Interesse daran, die Steuer- und Abgabenquote auf 40 Pro­zent, also auf deutsches Niveau, zu senken. Ich glaube, dass das eine Richtung ist, die wir dringend einschlagen müssen. Die Bundesregierung wird in dieser fünf Jahre dauernden Legislaturperiode alles tun, um dieses Ziel zu erreichen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage von Herrn Abge­ordnetem Mag. Gerald Loacker. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Die Kosten der Maßnahmen, die Sie vorhin erwähnt haben, unter anderem des Familienbonus, gehen in die Milliarden. Wie kann es dann sein, dass in einer Frage wie dem Erwachsenenschutzgesetz zwischen den Regierungsmitgliedern wochenlang hin- und hergepoltert wird, wenn es doch nur um 17 Millionen geht?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Manchmal entspricht die öffentliche Darstellung nicht zu 100 Prozent der Realität. Ich habe mittlerweile sieben Mal klar gesagt, dass das Erwachsenenschutzgesetz kommt, dass es nicht verschoben wird. Ich habe das eigentlich vom ersten Moment an, als ich darauf angesprochen worden bin, klar gesagt, und ich sage es heute gerne noch ein achtes Mal.

Ich hoffe, dass Ihre Frage nicht zu einer weiteren Verwirrung darüber beiträgt, sondern dazu beiträgt, Klarheit zu schaffen, deutlich zu machen, dass es auch wirklich kommt. Ich bitte aber auch, meine Aussagen ernst zu nehmen, vor allem wenn ich etwas acht Mal sage. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Neubauer: ... Problem im kleinen Finger!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann, bitte.

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Rund 2,5 Millionen Menschen arbeiten in Österreich, verdienen aber so wenig, dass sie keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen. Natürlich zahlen diese Menschen aber Sozialversicherungsbeiträge und Umsatzsteuern und werden dadurch relativ stärker belastet als die obere Einkommensschicht. Durch den Familienbonus soll dieses Ein­kommensdrittel, das untere Einkommensdrittel, das ohnehin schon Realeinkommens­verluste erleiden musste, nun in einem sehr mageren Ausmaß, nämlich in der Größen­ordnung von etwa 250 Euro pro Kind, entlastet werden. Betroffen davon ist immerhin ein Drittel aller Kinder.

Meine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler: Ist es wirklich Ihr Ernst, dass Sie die Kinder dieses unteren Einkommensdrittels mit nur 5 Prozent des gesamten Entlastungs­volu­mens abspeisen wollen – rund 75 Millionen Euro sind das –, während die oberen beiden Einkommensdrittel mit mehr als 1,4 Milliarden Euro entlastet werden sollen? (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf vielleicht noch einmal in Erinnerung rufen, welche die erste Maßnahme war, die diese Bundes­regierung beschlossen hat, nämlich: eine Entlastung für die kleinen Einkommens­bezieher, für all jene, die unter 1 900 Euro verdienen. Das war die erste Maßnahme, die wir durch die Reduktion der Arbeitslosenversicherungsbeiträge gesetzt haben; also auch eine Entlastung für Menschen, die nicht oder kaum Steuern zahlen.

Was den Familienbonus betrifft, so ist das eine Maßnahme, die sich im Vergleich zur Absetzbarkeit der Familienbetreuung, wovon höhere Einkommen überproportional stark profitiert haben, an alle richtet, die Steuern zahlen.

Sie haben aber vollkommen recht, eine Steuerentlastung entlastet natürlich vor allem Menschen, die Steuern bezahlen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir haben aber ganz bewusst Maßnahmen gesetzt, um vor allem auch AlleinerzieherInnen oder Allein­verdiener zu entlasten, selbst wenn sie keine Steuern bezahlen (Abg. Rossmann: Keine Lohn- und Einkommensteuer!), weil wir diese Menschen natürlich auch zusätz­lich entlasten wollen.

Ich darf auch noch einen Gedanken zu Ende führen: Der Familienbonus schafft nun erstmals die Möglichkeit, dass Frauen und Männer, die 1 700 Euro brutto verdienen (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) und ein Kind haben, vollkommen steuerfrei sind. Das ist, glaube ich, eine wirklich tolle Errungenschaft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 12. Anfrage, jener des Abge­ordneten Thomas Drozda. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Bundeskanzler, guten Morgen! Ich habe mich bemüht, eine Frage zu stellen, die Sie noch nicht acht Mal beantwortet haben, aber auch ich bin nicht vor der Gefahr gewisser Redundanzen gefeit.

Kollege Zinggl hat schon die ORF-Unabhängigkeit angesprochen. Österreich wird ja in den letzten Wochen vielfach im Zusammenhang mit Polen und Ungarn erwähnt; zuletzt gestern in einer dreistündigen Sendung im „Weltspiegel“. Sie haben dazu relativ wenig gesagt, außer dass Sie in diesem Zusammenhang unnötige Emotionen vermeiden wollen.

Ich widerstehe, Ihnen die Frage zu stellen, ob Sie glauben, dass in der Frage der Pressefreiheit Emotionen tatsächlich unnötig sind, und stelle Ihnen vielmehr die Frage:

6/M

„Was werden Sie als Bundeskanzler unternehmen, um Angriffe von Regierungs­mit­gliedern auf unabhängige Medien und Journalisten in Zukunft zu verhindern?“

(Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Die Pressefreiheit ist ein so hohes Gut, dass, wenn sie in Gefahr ist, Emotionen nicht unangebracht, sondern angebracht sind. Ich glaube, dass die Pressefreiheit eine ganz wesentliche Säule, wenn nicht überhaupt die Basis für eine funktionierende Demokratie ist. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich als Außenminister stets auch dafür starkgemacht habe, in jenen Regionen und Ländern für mehr Pressefreiheit zu kämpfen, in denen das in der Vergangenheit oder derzeit noch nicht so der Fall gewesen ist beziehungsweise ist.

Den ORF betreffend gab es vorhin schon eine Frage. Ich habe ein massives Interesse an einem unabhängigen ORF, der auch ordentlich arbeiten kann, wo freier Jour­nalismus auch gelebt werden kann. Ich weiß, dass es im ORF immer wieder auch Unzufriedenheit insofern gibt, als in der Vergangenheit parteipolitische Beeinflussung stattgefunden hat oder zumindest versucht worden ist. Das möchte ich so nicht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Mag. Drozda. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Das höre ich gerne und mit einigem Wohlgefallen, und dieses Interesse am unabhängigen ORF teilen wir. Ich wollte Sie fragen, auf Basis welcher Finanzierung Sie glauben, die Unabhängigkeit des ORF bestmöglich sicherstellen zu können, denn eine Budgetfinanzierung dergestalt, dass sich der ORF-Chef einmal im Jahr sein Budget vom Finanzminister abholt, scheint mir nicht der Gipfel der Unabhängigkeit zu sein.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, es ist auch nicht der Gipfel der Unab­hängigkeit, dass der Bundeskanzler das hier im Rahmen der Beantwortung einer Frage so einfach aus dem Ärmel schüttelt. Wir haben einen Medienminister, der sich schon lange auch als Mediensprecher mit dem Thema sehr ordentlich auseinandersetzt, der gerade mit Expertinnen und Experten in Kontakt ist und der auch eine Medienenquete einberufen wird, an der Sie und andere Mediensprecher die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen, bei der natürlich aber auch Expertinnen und Experten zu Wort kommen sollen. Es gibt in vielen Ländern dieser Welt ganz unterschiedliche Modelle; ich maße mir nicht an, das selbst am besten zu wissen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein. – Bitte.

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, herzlichen Dank für die Klarstellung. Ich denke, dass eine unaufgeregte Debatte darüber sehr notwendig ist. Wir stehen ja alle noch unter dem Eindruck der Enthaftung des Journalisten Deniz Yücel, der vor zwei Wochen aus türkischer Haft entlassen wurde. Verschiedenste Leute sprechen davon, dass aktuell noch rund 155 Journalisten in der Türkei in Haft sind.

Ich ersuche Sie, mir zu beantworten, ob Sie vor dem Hintergrund des Regierungs­programms den Unterschied der demokratischen Republik Österreichs mit auto­kra­tischen Systemen im Umgang mit unabhängigen Medien und Journalisten erläutern könnten? (Bundeskanzler Kurz: Ich glaube, ich habe es nicht verstanden!)

Können Sie vor dem Hintergrund des aktuellen Regierungsprogramms den Unter­schied zwischen der Republik Österreich und autokratischen Systemen wie etwa der Türkei im Umgang mit unabhängigen Medien und Journalisten erläutern?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, der Unterschied ist ein gewaltiger, und das ist auch gut so. Wir haben eine breit aufgestellte, sehr vielfältige Medienlandschaft in unserem Land. Ja, es stimmt, wir haben einen sehr starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber wir haben darüber hinaus auch viele starke Privatmedien. Ich glaube, es ist die Aufgabe nicht nur einer regierenden Partei, sondern die Aufgabe aller, die sich politisch engagieren, dafür einzutreten, dass es freie Medien gibt, die ihrer Aufgabe als Kontrollorgan in einer Republik ordentlich und objektiv nachkommen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 13. Anfrage, jener des Abge­ordneten Gerhard Deimek. – Bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundes­kanz­ler! Herr Präsident! Herr Bundeskanzler, abseits von Befindlichkeitsdiskussionen gibt es wirkliche Themen, die die Republik beschäftigen und die die Republik Öster­reich auch wirklich nach vorne bringen können. Eines dieser Themen ist die Digitalisie­rung. Mit geeigneten, richtigen Maßnahmen ist es, glaube ich, möglich, Österreich in diesem Bereich im Rahmen der EU und auch der Weltwirtschaft wirklich deutlich nach vorne zu bringen und vorne zu positionieren.

Meine Frage lautet daher:

3/M

„Welche Maßnahmen setzt bzw. plant die Bundesregierung im Bereich der Digitalisie­rung?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir sind zum einen natürlich dahinter, die Infra­struktur bestmöglich auszubauen, denn das ist die Basis dafür, dass wir die Möglich­keiten, die die Digitalisierung bringt, überhaupt nützen können.

Ein weiterer Bereich, der aus meiner Sicht unterschätzt wird, ist die Notwendigkeit der Adaptierung unserer Ausbildung. Wir haben ein solides Bildungssystem in unserem Land, aber wir haben ein Bildungssystem, das definitiv noch nicht zu 100 Prozent im digitalen Zeitalter angekommen ist. Da werden wir als Bundesregierung natürlich eine Veränderung vornehmen und auch vornehmen müssen.

Darüber hinaus ist aus meiner Sicht ganz entscheidend, dass wir natürlich auch Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch Betriebe bestmöglich begleiten. Wir als Bundesregierung sind schon in Kontakt mit der Wirtschaftskammer, mit der Arbeiter­kammer, um gemeinsam sicherzustellen, dass Betriebe, aber auch deren Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter diese Veränderungen, die ja teilweise wirklich disruptive sind, auch mitgehen und mittragen können und nicht das Gefühl haben müssen, dass die Verän­derungen sie überrollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Für die Bevölkerung ist natürlich auch wichtig, was sie selbst spürbar mitbekommt und wo sie selbst Vorteile hat.

Wie sollen jetzt diese Maßnahmen im Speziellen helfen, den Kontakt der Bevölkerung mit der Verwaltung beispielsweise zu vereinfachen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Die Digitalisierung ist natürlich auch eine Chance in vielen Bereichen, nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch für die Verwaltung bezie­hungsweise im Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern. Sie wissen, dass viele Be­hördenwege, auch wenn es ein Bemühen der Verwaltung gibt, diese möglichst unbüro­kratisch zu gestalten, teilweise für die Bevölkerung natürlich trotzdem noch sehr büro­kratisch wirken, weil man zu einem Amt pilgern muss, weil man ein endlos langes Formular ausfüllen muss, weil das teilweise sehr viel Aufwand mit sich bringt.

Es ist ein großes Ziel dieser Bundesregierung, sicherzustellen, dass wir Behörden­wege, wo immer möglich, neben dem physischen Angebot auf dem Amt auch digital anbieten können. Das ist ein Projekt, dessen sich gerade die Digitalisierungsministerin annimmt, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir schon innerhalb der nächsten Jahre werden sicherstellen können, dass die gängigsten Amtswege, die es in Österreich gibt, in Zukunft auch digital erledigt werden können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, erkläre ich die Fragestunde für beendet. Herzlichen Dank allen Fragenden und dem Herrn Bundeskanzler. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)