Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll11. Sitzung, 1. März 2018 / Seite 62

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Wir sehen, dass am Verfassungsgerichtshof immer weniger Zivilrechtler sind. Das ist eine Sache, die wichtig ist und die man ansprechen müsste. Wir sehen, dass immer weniger Frauen am Verfassungsgerichtshof sind. Wir sehen, dass es wenige junge Richterinnen oder Richter am Verfassungsgerichtshof gibt, und wir sehen auch, dass es keine Verzahnung mehr mit dem Obersten Gerichtshof gibt, was früher eigentlich normal war. Zivilrechtliche Expertise ist deshalb so wichtig, da durch die Geset­zes­beschwerde, die wir ja hier im Nationalrat beschlossen haben, auch immer mehr zivil­rechtliche Normen vor den VfGH gebracht werden und man daher in diesem Bereich besonders gute Kenntnisse haben sollte.

Wir hatten dieses Hearing und das Ergebnis war, dass wir meiner Meinung nach sehr, sehr viele großartige Kandidatinnen und Kandidaten hatten. Wir haben Koryphäen des Zivilrechts wie Professor Bydlinski da gehabt, der jedenfalls im Zivilrecht wirklich einer der Besten seines Faches ist. Wir haben sehr junge Professoren da gehabt, Profes­sor Perner und Professor Spitzer, auch ausgewiesene Zivilrechtsexperten, die vielleicht die Altersdurchmischung ein bisschen anders gestalten könnten. Wir hatten die Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer, Frau Dr. Prunbauer-Glaser, auch eine ausgezeichnete Zivilrechtlerin, Frau Mag. Baumann, Herrn Dr. Pürgy, wir hatten vom Obersten Gerichtshof Herrn Hofrat Dr. Gottfried  Musger, und wir hatten auch Kan­didaten, die eher der Freiheitlichen Partei nahestehen und bei denen ich gefunden haben, dass sie es im Hearing gut gemacht haben: Herr Dr. Rami wird im Bundesrat vorgeschlagen werden, Herr Rechtsanwalt Dr. Rohregger hat auch beim Hearing seine Argumente sehr gut vorgebracht.

Wir haben einen Kandidaten, der heute vorgeschlagen werden wird, der im Vorfeld schon eine gewisse Kritik abbekommen hat, unter anderem wegen seiner Mitglied­schaft bei einer Burschenschaft. Ich habe mich dazu nicht geäußert, das ist nach meiner Wahrnehmung seine Sache. Nach seinem Hearing ist aber ein wissen­schaft­licher Aufsatz von ihm an die Öffentlichkeit gekommen, in dem er – ich zitiere es noch einmal wörtlich, weil es so wichtig in der Debatte ist – schreibt: „Der EGMR kann [...] getrost als mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft bezeichnet werden [...].“

Herr Kollege Stefan und Herr Kollege Gerstl! Herr Kollege Stefan, Sie haben gesagt, er hat einen einzigen Makel, er ist von der FPÖ vorgeschlagen. Das ist nicht der Makel, den ich ihm vorwerfe. Mir geht es darum – und vielleicht auch zum Thema politisch-taktisch, ich mache hier kein politisch-taktisches Manöver –, dass wir die besten, ge­eig­netsten Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof haben. Herr Kollege Gerstl hat gemeint, man wird ja noch seine Meinung sagen und sich wissenschaftlich auseinan­dersetzen können. Ich gebe Ihnen vollkommen recht. Ich habe meine Dissertation im Übrigen zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Zusammenhang mit Meinungsfreiheit geschrieben und habe dort auch Urteile des EGMR kritisiert. Die Frage ist, wie man es kritisiert und ob man im wissenschaftlichen Diskurs – der sicherlich der Großteil dieses Aufsatzes von Professor Hauer ist – kritisiert oder einem anderen Höchstgericht wortwörtlich vorwirft, dass es „mitverant­wortlich für die multikriminelle Gesellschaft“ ist.

Und das ist das, was ich kritisiere, dass jemand, der Mitglied eines Höchstgerichts werden will, einem anderen Höchstgericht, dem Wahrer der Grund- und Menschen­rechte in Europa sagt: Sie sind mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft. – Das ist das, was nicht geht. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Folgendes halte ich für besonders schwierig, Herr Kollege Stefan: Sie haben ange­sprochen, dass die FPÖ damals dieses Hearing gefordert hat. Da kann man im Nach­hinein sagen, ich danke Ihnen dafür, mir wäre es noch lieber gewesen, das Hearing wäre medienöffentlich gewesen. Deshalb verstehe ich aber noch weniger, wieso Sie


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