14.22

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Regie­rungsmitglieder! Liebe Damen und Herren! Kollegen! Sehr geehrte Bevölkerung! Wir verhandeln in dieser Sondersitzung das Thema BVT, das Thema Bundesamt für Ver­fassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, und in der Tat geht es hier natürlich um die Sicherheit der Menschen in Österreich, um die Fragen, ob sich die Österreiche­rinnen und Österreicher auf die Rechtsstaatlichkeit in Österreich verlassen können, ob sie sich auf die Arbeit der Ministerien, der Bundesregierung verlassen können, ob sie sich auf die Arbeit der Polizeikörper verlassen können, und das ist keine Kleinigkeit in der Zeit, in der wir leben, die volatil ist, die unsicher ist. Wenn wir uns darauf nicht verlassen können, dann gibt es nicht mehr viel, was als Basis für einen Rahmen für eine Demokratie trägt, deswegen ist diese Thematik auch so sensibel und deswegen, meine ich, muss man auch sehr genau darauf schauen, was hier läuft.

Ich denke, natürlich sind viele Fragen noch nicht ausreichend geklärt, Herr Minister, und ich denke auch, dass bei aller Kritik, die auch wir haben – wie dass sich in einem Untersuchungsausschuss allfällige Zeugen, die in anderen Verfahren stecken, natürlich einer Aussage entschlagen können –, so ein Untersuchungsausschuss wahrscheinlich zu kommen hat, weil viele Fragen offen sind.

Wenn hier ein Vizekanzler der Republik Österreich, Herr Strache, in sozialen Medien davon spricht, dass unser Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus­bekämp­fung ein „Staat im Staat“ sei, wenn Sie mutmaßen, dass es durch und durch korrupt sei, dann ist das ja keine Kleinigkeit! Ich kann nicht von der Nummer zwei in der Bundesregierung solche Zitate und Mutmaßungen in sozialen Medien hören und mich dann als Staatsbürger locker-flockig zurücklehnen und sagen: Eh alles in Ordnung, machen wir weiter wie bisher! – Das können wir nicht! Entweder ist das ein völliger Fehlgriff des Vizekanzlers, oder, wenn nicht, wir müssen natürlich genauer hinschauen. Dann frage ich Sie: Was ist durch und durch korrupt, was ist ein „Staat im Staat“?, und dann haben wir hier noch keine ausreichenden Analysen und Antworten auf dem Tisch.

Auch der Versuch der Kriminalisierung – beziehungsweise die offensichtlich laufenden Verfahren – des Leiters dieses Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismus­bekämpfung genauso wie der Vertrauensbruch, das Hintergehen, meines Erachtens, des Bundespräsidenten, indem ein Dekret im Haus des Innenministers zurückgehalten wird, all das sind Dinge, die hoffentlich keine Selbstverständlichkeit sind und hinter denen noch viele Fragezeichen stehen, die zu klären sind.

An dieser Stelle möchte ich aber den Fokus, mit dem wir auf diese Themen schauen, ein Stück weiter stellen. Wir brauchen gewissermaßen ein Weitwinkel, um das zu verstehen, was gerade abläuft, es ist nämlich nur die Spitze des Eisberges, die wir heute und hier sehen.

Wenn wir ein wenig zurückgehen in die Tage des Mai 2017, so sind damals (Schrift­stücke in die Höhe haltend) Konvolute in unterschiedlicher Ausfertigung und in unter­schiedlichem Umfang – manche 30 Seiten, manche 40 Seiten – an diverse Medien verschickt worden, und sie haben auch uns als Oppositionskräfte im Parlament erreicht. Diese beinhalteten unglaubliche Vorhalte mit einem unglaublichen Grad an Detailgenauigkeit, mit Anschuldigungen, die sehr weitreichend sind – von sexuellen Übergriffen über kriminelle Geschäftsmodelle, Erpressung, Hintergehung bis Miss­brauch von Geheimdienstinformationen et cetera.

In jenen Tagen findet das, womit wir uns in diesen Wochen beschäftigen, seinen Aus­gangspunkt. Das sind exakt jene Tage, in denen auch die letzte Regierung zusam­mengebrochen ist, und deswegen, im Weitwinkel betrachtet, handelt es sich natürlich nicht um eine Affäre BVT, sondern es handelt sich um eine Affäre BMI – Bundes­ministerium für Inneres. So müssen wir es sehen!

Wir müssen da ein Stück weit in der Geschichte zurückgehen, denn das BMI ist 18 Jahre unter der Führung von schwarzen Innenministern gestanden. Ernst Strasser hat anfangs mit der Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei einen durchaus beachtlichen Arbeits-Track-Record aufgestellt – ich denke, das war damals richtig –, aber in den Folgejahren konnte jeder, der einigermaßen politisch interessiert und auch im Umfeld der Ministerien engagiert war, mit freiem Auge erkennen, dass im Innen­ministerium eine Art von Machtdynamik, eine Art von autoritärem Machtverständnis um sich gegriffen hat, die höchst seltsame Blüten getrieben hat.

Es wurden – sehr strukturiert – mit Geheimdienstinformationen Geschäfte gemacht, es wurden – sehr strukturiert – mit Polizeiinformationen Geschäfte gemacht, es wurden damit Journalisten angefüttert, es wurde damit, behaupte ich, auch erpresst, es wurde damit natürlich auch politische – nämlich parteipolitische – Macht ausgebaut oder je nach Willkür unterwandert, und deswegen ist es ein Problem des Innenministeriums, das wir hier vor Augen haben, und das wird zu untersuchen sein.

Das heißt, es überlagern sich hier parallel vier Phänomene. Es überlagert sich das Phänomen einer Umfärbekampagne von Schwarz auf Blau – das ist Phänomen Num­mer eins – mit dem Phänomen Nummer zwei, das ist ein Dammbruch, der gerade stattfindet, nämlich nach 18 Jahren autoritärer Machtherrschaft im Innenministerium. Phänomen Nummer drei ist so etwas wie ein schwarzer Bruderkrieg auch im Umfeld des Innenministeriums. Da sind schwarze Netzwerke unterwegs, und die haben sich wechselseitig auch nichts geschenkt; deswegen sind lange Zettel geschrieben worden, die in diesen Tagen wieder ausgepackt werden, und es wird versucht, Rechnungen zu begleichen. Phänomen Nummer vier ist ein Stillhalteabkommen zwischen Rot und Schwarz, das gebrochen wurde, weil natürlich den roten Bundeskanzlern und den Koali­tionsregierungen – sei es Gusenbauer I, seien es Faymann I und II, sei es Kern I – nicht verborgen geblieben ist, dass im Innenministerium Dinge laufen, die jenseits von Gut und Böse sind. Nur gab es halt die informelle Übereinkunft: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus (Beifall bei NEOS und Liste Pilz), weil es natürlich genügend Verstrickungen auch in die rote Reichshälfte gibt.

Deswegen, Herr Kern, wenn Sie hier einen Untersuchungsausschuss beantragen – ich habe ja auch schon unsere Mitarbeit angeboten, aber ich höre Signale, die SPÖ will das alleine durchziehen; Sie können das mit Ihrer Fraktionsstärke –, wenn Sie das alleine durchziehen, dann wäre das ein weiteres Indiz dafür, dass Sie natürlich die volle Kontrolle auch darüber haben wollen, worauf sich das Augenmerk der Unter­suchung richtet, und wenn Sie da nicht gemeinsam mit den anderen Oppositions­parteien marschieren wollen, dann, glaube ich, führt Sie ein schlechtes Gewissen, und darauf werden wir ganz genau schauen.

Wir müssen diese Affäre BMI hier natürlich einer Aufklärung zuführen, und da müssen wir einerseits eine scharfe Grenze beim Untersuchungsgegenstand ziehen, der darf nicht ausfransen, aber wir werden nicht umhinkommen, dieses Machtsystem, wie es in verhängnisvoller Dimension im Innenministerium kultiviert wurde, im Sinne der österreichischen Bevölkerung zu hinterfragen, damit wir diesem Staat im Staat, wie ich meine, nicht weiterhin Vorschub leisten. (Vizekanzler Strache: Gibt es ihn jetzt doch?) – Ich glaube, es gibt ihn im BMI und nicht im BVT! Ich glaube, Herr Vizekanzler, es gibt schon so etwas wie einen Staat im Staat, aber nicht im BVT alleine.

Sie versuchen, diese Affäre für Ihre parteipolitischen Taktiken und Umfärbeaktionen zu nutzen. Wir NEOS sind in diesem Haus die einzige Kraft (Abg. Gudenus: Was für eine Kraft? – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) neben der Liste Pilz, die von Altlasten unbelastet ist, die keine Fußfessel anhat. (Abg. Gudenus: Die Oligarchenpartei!) Des­wegen wird es auch mit an uns liegen, diese Dinge aufzuklären. Wir werden hier den Druck weiter hoch halten. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz. – Abg. Gudenus: Hasel­steiner und Silberstein ...! – Abg. Martin Graf: Natürlich braucht ihr keine Fußfessel, ihr seid ja auch keine Verbrecher!)

14.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Klubobmann Peter Kolba. – Bitte.