15.43

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mich zwar brav vorbereitet, das kann man aber jetzt fast alles beiseitelassen, denn was wir von unserem Herrn Innenminister an heißer Luft und an rhetorischen Schaumrollen be­kommen haben, rechtfertigt es durchaus, auf dieses Niveau einzusteigen. (Abg. Martin Graf: Aber Sie haben auch keine Fußfessel!)

Unserem Innenminister sagt man ja eine gewisse Begeisterung für marxistische Dialektik nach. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Kickl.) Da fällt mir ein schönes Wort von Lenin kurz vor der Oktoberrevolution ein: Wir wissen, dass nicht jeder Tagelöhner, jede Köchin von heute auf morgen den Staat regieren kann.“ Wenn ich mir anschaue, was der Herr Innenminister die letzten 100 Tage gemacht hat, dann wissen wir jetzt auch, dass nicht jeder verbummelte Philosophiestudent unsere Republik als Innenminister führen kann. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Haider: Frechheit! Mäßigen Sie sich! – Abg. Rädler: Frechheit!)

Ich meine, Sie haben ja als Koalition mit der Novelle zum UG verhindert, dass es solche Studenten weiterhin gibt, Sie werden Ihre Gründe dafür gehabt haben. Offen­kundig versuchen Sie hier mit Riesenschritten ins Guinness-Buch der Rekorde zu kom­men. Es ist national, international und wohl auch historisch noch nie einem Innenminis­ter gelungen, eine eigene Behörde in derartigen Riesenschritten national und international zu desavouieren. Das ist wirklich einmalig. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Gudenus: Gibt es jetzt einen Rechtsstaat oder gibt es keinen Rechtsstaat?)

Jetzt muss ich, bevor ich Ihnen noch zwei Dinge dazu sage (Ruf bei der ÖVP: ... Sexisten!), die unseren Misstrauensantrag rechtfertigen, sagen: Ich bin kein Freund des Herrn Peter Gridling, ich habe mich oft genug in der Öffentlichkeit mit ihm gematcht. Es geht mir hier auch nicht darum, dass wir einen Minister haben, der in offenkundiger Affinität zu rechtsextremen Kreisen seine Politik macht, denn das darf er, er ist dazu legitimiert und er ist auch dazu gewählt.

Ich habe ein ganz anderes Problem. Mein Problem ist, dass er nicht beherrscht, was er als Amt übernommen hat. Ich glaube, dass die Selbsteinschätzung des Herrn Innen­ministers, die er im Jahr 2009 der „Presse“ gegenüber gegeben hat, viel aussage­kräftiger ist als all das, was er uns heute hier an Rabulistik serviert hat.

Der „Presse“ hat er nämlich damals gesagt, selbst ganz vorne stehen möchte er nicht, dafür gebe es Begabtere. Diese Selbsteinschätzung ist berechtigt bis heute. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Wer dem Parlament gegenüber auf diese Art und Weise Fragen beantwortet, hat meines Erachtens allen Grund, sich zu genieren. Sie sind nicht dazu bestimmt, hier das Parlament zu beschimpfen, sondern Sie werden dafür bezahlt und sind dazu bestimmt, hier Antworten auf Fragen zu geben, und die sind Sie heute schuldig ge­blieben. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Zwei Dinge allerdings spielen bei dieser ganzen Sache eine Rolle – und ich wiederhole nicht, was wir heute den ganzen Tag lang schon an Sachverhaltserzählungen bekom­men haben –: Der Herr Innenminister hat am 18. Dezember 2017 Herrn Mag. Peter Goldgruber als Generalsekretär bestellt; das durfte er, daran ist nichts auszusetzen. Die Position des Generalsekretärs, so wie sie bis zum 28. Dezember letzten Jahres existierte, war kabinettsaffin, deren Besetzung durfte auch ohne Ausschreibung nach § 2 des Ausschreibungsgesetzes erfolgen.

Allerdings hat die Koalition mit 28. Dezember 2017 etwas gemacht, was die Sache vollkommen ändert: Wir haben gemäß § 7 des Bundesministeriengesetzes jetzt einen Generalsekretär, der zur zentralen Institution eines jeden Bundesministeriums geworden ist. Jetzt können wir anfangen, uns den § 4a des Ausschreibungsgesetzes zur Hand zu nehmen, den der Herr Innenminister offenkundig nicht lesen wollte.

Was steht im § 4a des Ausschreibungsgesetzes? – Dort steht: Wenn sich der Aufga­benbereich eines Beamten um mehr als die Hälfte ändert, dann ist diese Position auszuschreiben. Ihr Günstling in diesem Amt war Ihnen die Ausschreibung nicht wert. Wir haben deshalb heute Vormittag bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachver­haltsdarstellung wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen Sie eingebracht. (Beifall bei der Liste Pilz.) Der Herr Minister wird ab heute bei der Staatsanwaltschaft Wien zumindest als Verdächtiger geführt.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund für diese Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft. (Abg. Rosenkranz: Stecken Sie auch hinter den anonymen Anzeigen in Niederösterreich?) – Ja! Na sicher! Wenn Sie das so fragen: Ja, Herr Rosenkranz! (Abg. Rosenkranz: Wollte ich nur wissen! – Abg. Gudenus: Sie stecken überall tief drinnen!)

Der zweite Grund dafür, dass wir diese Sachverhaltsdarstellung gemacht haben, hat mit der Suspendierung von Peter Gridling zu tun. Herr Minister, ich würde Ihnen sehr raten, auch wenn Sie nur cand. phil. sind, bitte einmal ins Gesetz zu schauen. Sie ha­ben ja heute gegenüber dem Parlament die Unhöflichkeit besessen, § 112 BDG ganz unvollständig und in offensichtlich manipulativer Absicht zu zitieren. § 112 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz enthält ganz genaue Voraussetzungen einer Suspendie­rung.

Ich sage das deshalb, weil ich vor Jahr und Tag den Ex-Chef des BKA Haidinger vertreten habe, der damals von Fekter suspendiert wurde, wobei die Gründe für dessen Suspendierung ähnlich jenen Gründen waren, aus welchen Kickl jetzt Gridling suspendiert; es waren nämlich ausschließlich politische Gründe. Ich habe Haidinger damals vertreten, und das erfolgreich. Bei der Suspendierung kenne ich mich ein bisschen aus, jedenfalls etwas mehr, als Sie glauben. (Abg. Martin Graf: Ich glaube, Sie kennen sich überall aus!)

Die Voraussetzung für die Suspendierung ist nämlich in den drei Ziffern des § 112 genau umschrieben. Entweder gibt es eine U-Haft – liegt nicht vor –, oder es gibt eine rechtswirksame Anklage – liegt nicht vor –, oder die Belassung des betroffenen Beamten mindert das Ansehen des Amtes oder die Interessen des Dienstes. Alles, was das Ansehen des Amtes derzeit beschädigt, wurde von Ihnen und Ihrem Generalsekretär in Gang gesetzt und nicht von Peter Gridling. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Deshalb glaube ich, dass dieses Suspendierungsverfahren genauso enden wird wie das gegen Herrn Haidinger. Man schaut, dass man unliebsame Personen unter Bezügekürzung von der Arbeitsstelle entfernt, um sie ganz schnell loszuwerden und in ihrer Abwesenheit die Dinge anders zu regeln. (Abg. Gudenus: Wann machen Sie Platz für Herrn Pilz?) Das sage ich als jemand, der kein persönlicher Vertreter von Peter Gridling ist. (Abg. Gudenus: Wann machen Sie Platz für Herrn Pilz?) – Herr Gudenus, Sie haben nicht nur davon keine Ahnung, sondern fast von allem anderen auch nicht, also seien Sie bitte ruhig! (Beifall und Rufe der Zustimmung bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Gudenus: Sind Sie der Platzhalter für den Herrn Pilz?)

Ich glaube nicht, dass dies ein Putsch ist, es ist noch nicht einmal ein Putscherl. Es ist die durchaus legitime Absicht und das durchaus legitime Vorhaben der Koalition und damit auch des Innenministers, Führungspositionen in den einzelnen Ämtern derart zu justieren und nachzubesetzen, wie es der eigenen Haltung entspricht. Damit habe ich kein Problem.

Verharmlosen Sie jedoch das eigentliche Problem nicht, indem Sie so tun, als ob es uns nur im Kampf gegen Rechts darum ginge, welche Politik dahintersteht. Mein Problem ist, dass da auf der Regierungsbank ein Mann sitzt, der das, was er der Repu­blik versprochen hat, auch mit eigenen Worten gesagt, einfach nicht kann. Suchen Sie einen besseren! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

15.51

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Jan Krainer zu Wort. – Bitte.