13.29

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Geschätzte Damen und Herren! Ich darf neuerlich zu einem Thema sprechen, das mir persönlich sehr wichtig ist. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass ich diese Möglichkeit habe. Es geht um Mercosur. Die Verhandlungen der Europäischen Union mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argen­tinien, Paraguay und Uruguay befinden sich mittlerweile nach 31 Verhand­lungsrunden in der finalen Phase.

Die Mercosur-Staaten sind ohne Zweifel ein wichtiger Rohstofflieferant für die EU-Industrie. Beispielsweise sind 60 Prozent der landwirtschaftlichen Einfuhren aus dem Mercosur Rohstoffe für die Lebensmittelindustrie und für die Viehwirtschaft. Die Ver­handlungen über ein Freihandelsabkommen umfassen aber weit mehr als den Bereich Agrarprodukte. Der geplante Abbau von Handelshemmnissen erstreckt sich auch auf Industriegüter und andere Waren.

Für die Mercosur-Staaten ist die Europäische Union bereits jetzt weltweit der wichtigste Absatzmarkt. 85 Prozent der EU-Ausfuhren in den Mercosur unterliegen dem Zoll. Mercosur hat der EU angeboten, 93 Prozent seiner Warenpalette für den zollfreien Handel freizugeben. Allein der Abbau dieser Zölle würde den EU-Unternehmen Kosten in der Höhe von 4 Milliarden Euro ersparen. Der wechselseitige Abbau von Schutz­zöllen und eine verstärkte wirtschaftspolitische Zusammenarbeit sind grundsätzlich zu begrüßen. Dazu braucht es allerdings keine Schiedsgerichte, keine Angleichung von Umwelt- und Sozialstandards und auch keine wechselseitige Öffnung kommunaler Ausschreibungen.

Zusammengefasst: Es braucht kein Freihandelsabkommen wie jenes, das aktuell verhandelt wird, sondern fairen und gerechten Handel.

Klar ist: Der Trend in Europa geht zu einer immer strengeren Lebensmittel­kennzeich­nung und zu einer laufenden Erhöhung der Produktqualität bei gleichzeitiger Regiona­lisierung, und das ist gut so. Das Mercosur-Freihandelsabkommen würde diesen Trend auf ganzer Linie unterlaufen.

Die EU verhandelt des Weiteren derzeit über punktuelle Schutzklauseln, wie Sie wissen, um die zu erwartenden negativen Effekte abzufedern. Wir sagen: Wozu? Warum nicht gleich die Verhandlungen aussetzen und über Alternativen nachdenken?

Ich sage Ihnen: Der Abbau sämtlicher Handelshemmnisse wird nicht kalkulierbare Fol­gen für den Standort Österreich haben. Hinzu kommt, dass ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes – ganz aktuell, das sogenannte Achmea-Urteil – die gesamte Inves­titions­schutzgerichtsbarkeit massiv infrage stellt. Laut EuGH geht es da nicht mehr nur um die Einhaltung der Grundsätze des Binnenmarktes, vielmehr steht der angedachte Investorenschutz im Widerspruch zur Autonomie des Unionrechts, denn laut Urteil ist es Sache der obersten nationalen Gerichte und des EuGH, die volle Anwendung des Unionrechts, nämlich in allen Mitgliedstaaten, und den Schutz der Rechte des Einzel­nen sicherzustellen.

Es stellt sich nun die Frage, wie die österreichische Bundesregierung sich hierzu auf EU-Ebene verhalten wird. Im Rahmen einer Aussendung vom 21. März 2017 hat sich die damalige EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger noch klar für einen Abbruch der Verhandlungen mit den Mercosur-Ländern ausgesprochen.

Es gibt dazu auch einen relativ aktuellen Artikel in der „Kronen Zeitung“ vom 15.2.2018, und ich darf zitieren: Es wäre „die Unterzeichnung des für unsere heimischen Bauern bisher wohl schlimmsten Freihandelsabkommens“. Und: „‚[...] die Konkurrenz der Konzerne ist übermächtig‘, kritisieren Ministerin Elisabeth Köstinger, Bauernbund-Chef Strasser“.

Ich darf Sie deshalb auffordern, folgendem Antrag, den ich nun einbringen und vorle­sen werde, zuzustimmen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verhand­lungen über ein Handelsabkommen EU-Mercosur“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie die Bundes­ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus werden aufgefordert, einer Unterzeichnung des Abkommens mit Mercosur die Zustimmung zu verweigern.“

*****

Sie haben jetzt die Möglichkeit, hier Schritte zu setzen und diesem Entschließungs­antrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Das ist ja noch gar nicht ausverhandelt! Da gibt’s noch nichts zu unterzeichnen!)

13.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Doris Margreiter, GenossInnen

betreffend Verhandlungen über ein Handelsabkommen EU-Mercosur

eingebracht in der 15. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Verhandlungen und im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Bericht des Umweltausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2018 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-106/55 d.B.)

Begründung

Die Europäische Kommission verhandelt aktuell mit dem Mercosur, der südame­rikanischen Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, über ein Handelsabkommen. Die Verhandlungen begannen bereits 2000 und wurden immer wieder unterbrochen. Aktuell scheinen die Gespräche kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die EU angeboten hat, die im Abkommen vorgesehenen Einfuhrkontingente für Lebensmittel wie Rindfleisch und Zucker deutlich – tw. um mehr als ein Drittel – zu erhöhen. Die Schäden für die heimische Landwirtschaft wären erheblich.

Von verschiedensten Seiten wurden Bedenken gegen ein Abkommen mit dem Mercosur laut: Verbraucherschutzorganisationen protestierten genauso wie Land­wirt­schafts­vertreterInnen. Insbesondere in Hinblick auf die regelmäßig zu Tage tretenden groben hygienischen Mängel in der Lebensmittelproduktion mancher MERCOSUR-Staaten (Stichwort Gammelfleisch) wurde eine Gefahr für die hohen europäischen Lebens­mittelstandards erkannt. Die Vergiftung von Mensch und Natur durch Pestizide in der MERCOSUR-Landwirtschaft ist ein weiteres bekanntes Problem. Das Vorsorge­prinzip ist wiederum nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt.

Außerdem werden bei den Produktionstechniken in den genannten Staaten nicht nur die europäischen Standards deutlich unterschritten, sondern zur Gewinnung von Agrar­flächen auch verpönte Praktiken wie (Brand-)Rodungen, teilweise in Regenwäldern, angewandt. Gleichzeitig kommt es regelmäßig zu Berichten über Vertreibungen und Verletzung von Rechten der indigenen Bevölkerung.

Darüber hinaus ist ungeklärt, ob die demokratischen Mindestanforderungen an Han­delsabkommen eingehalten werden. Dies bedeutet insbesondere, dass unsicher ist, ob der Nationalrat über das Abkommen abstimmen darf.

Leider verfolgt die österreichische Bundesregierung in Hinblick auf MERCOSUR eine zustimmende Linie: während Landwirtschaftsministerin Köstinger zwar rhetorisch „vehementen Widerstand“ gegen das Abkommen medial verkündet, dann aber nichts tut, verlautbart Wirtschaftsministerin Schramböck sogar offen ihre Unterstützung für das Abkommen. Auch auf EU-Ebene ist bislang kein besonderer Widerstand Öster­reichs erkennbar. Und das obwohl davon auszugehen ist, dass die Unterzeichnung im Rat auf Grundlage eines „common accord“ getroffen wird, d.h. Österreich über ein Veto-Recht verfügt.

Die unterzeichneten Abgeordneten halten es daher für erforderlich, der Bundes­regie­rung einen klaren Auftrag im Interesse unserer Standards und zum Schutz des länd­lichen Raums mitzugeben und stellen folgerichtig folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie die Bundes­ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus werden aufgefordert, einer Unterzeichnung des Abkommens mit MERCOSUR die Zustimmung zu verweigern.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte, Herr Abgeordneter.