14.28

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­ter! Ja, Frau Kollegin, schön, dass es Sie gibt, auch im Umweltausschuss war es schön, mit Ihnen zu diskutieren. Ich glaube, wir alle, die hier im Parlament sind, neh­men unseren Job ernst. Ich glaube, Sie haben das auch sehr positiv so vermerkt, auch die Freiheitlichen nehmen ihre Arbeit sehr ernst.

Bürgerinitiativen sind etwas, das man sehr ernst nehmen muss. Ich möchte hier zur Bürgerinitiative betreffend „Verpflichtung zur Abgabe unverkäuflicher Ware an die Zivilgesellschaft vor der Müllentsorgung – Anti-Wegwerf-Gesetz“ Stellung nehmen. Na ja, das passt auch in die vorösterliche Zeit, denn wir wissen, es ist ja Fastenzeit. Ob aus religiösen Gründen, aus rituellen Anlässen oder aus gesundheitlichen, ein jeder fastet. Was passiert dann höchstwahrscheinlich am Karsamstag? – Dann wird man ver­suchen, das, was man gefastet hat, mit dem entsprechenden Essen wiedergut­zu­machen. Was übrig bleibt – das kann man sich dann am Dienstag anschauen –, das sind Müllberge entsorgter Lebensmittel, und darum geht es in dieser Initiative.

Ich komme noch aus einer Zeit, in der man, wenn man ein Butterbrot oder ein Schmalzbrot hätte wegwerfen wollen, von der Mutter ein Liebestatscherl bekommen hätte. Ich weiß nicht, ob es das heute noch gibt. Lebensmittel waren zu meiner Zeit immer etwas Heiliges, und eine Mindestrentnerin hat nicht gar so viel gehabt.

Zurück zur Initiative: Sie will die Verpflichtung der Supermärkte zur Abgabe unver­käuflicher Ware an die Zivilgesellschaft. An und für sich ist das ein sehr ambitioniertes Denken, auch ein notwendiges Denken, weil es uns ja in eine Vielzahl von Themen hineinbringt. Es geht um die Lebensmittelverschwendung; 1,3 Milliarden Tonnen Le­bens­mittel, schätzt man, werden weltweit pro Jahr vernichtet. Das bedeutet in weiterer Folge für die Europäische Union, dass 173 Kilogramm Lebensmittel pro EU-Bürger weggeworfen werden, und das bedeutet, dass 30 Prozent in der Landwirtschaft und bei den Produzenten im Müll landen, 12 Prozent in der Gastronomie und 5 Prozent im Handel. Österreich selbst verzeichnet 760 000 Tonnen Lebensmittelabfälle und ‑verluste pro Jahr! – Ich denke, das ist auch ein Ausrufezeichen wert, und man sollte über diese Thematik nicht heute oder morgen, sondern eigentlich öfter diskutieren.

40 Kilo Lebensmittel landen in Österreich pro Supermarkt täglich in der Tonne. Was bedeutet das? – Das bedeutet natürlich auch für die Umwelt eine riesige Katastrophe. Österreich liegt ja, was den Fleischkonsum betrifft, an erster Stelle in Europa und ist mit 100 Kilo pro Jahr – das ist gar nicht so wenig – auch weltweit ganz vorne. Das bedeutet aber auch, dass man weiterdenken muss, um das Ökologische zu betrachten: 100 Kilo Fleisch – pro Kilo Fleisch werden je nach Tierart und Haltungsform ungefähr 6 bis 16 Kilogramm Futtermittel gebraucht. Das muss man sich vorstellen!

Oder Fisch: Bei der Fischerei gehen 38 Millionen Tonnen Beifang, also 40 Prozent des weltweiten Fischfangs, wieder zurück ins Meer – leidende Tiere, sterbende Tiere. Österreich importiert 95 Prozent seiner Fische. (Abg. Vogl: Was tut ihr jetzt dagegen?)

Eine wichtige Sache dieser Petition ist, sogenannte DumpsterInnen einzusetzen, also Damen und Herren, die den Müll in Empfang nehmen, bevor er überhaupt in die Tonne kommt. Sie wollen mit den Supermarktketten kurzgeschlossen werden, denn das Ziel ist wiederum, dass alles, was essbar ist, diesen Müllwächtern übergeben wird. Men­schen in ungünstigen Lebensbedingungen wird in der Folge der Gratisbezug der Waren ermöglicht und ein Sprungbrett in ein neues, stabileres Lebensumfeld gegeben. Das ist also eine sehr gute Sache.

Ein Punkt ist auch, Menschen in ungünstigen Lebensbedingungen über soziokratische Selbstorganisation in gemeinnützigen Vereinen Hilfe zur Warenverteilung zu bieten. Ihnen schwebt eine Idee vor, die im Prinzip an ein Projekt in Belgien, und zwar in der Stadt Herstal in Wallonien, angelehnt ist. Dort wurden, erstmalig gesetzlich verankert, Supermärkte verpflichtet, genießbare Lebensmittel an karikative Einrichtungen weiter­zugeben. Das ist auch eine gute Geschichte. So etwas Ähnliches wird auch für Öster­reich gefordert. In Frankreich gibt es das schon, dass Supermärkte mit Verkaufsflächen von mindestens 400 Quadratmetern gesetzlich dazu verpflichtet werden, Lebensmittel, die nicht verkauft wurden, entsprechenden karikativen Einrichtungen zu geben.

Auch Österreich hat etwas geleistet: Österreich bekennt sich – das wurde im Vorjahr vom Bundesminister verabschiedet – zum Ziel der UN-Agenda 2030. Damit hat man gesagt, man möchte der Lebensmittelwegwerfmentalität entgegenwirken und bis 2030 zum einen im Handel, aber zum anderen auch in den Haushalten die Lebens­mittel­abfälle auf 50 Prozent reduzieren. Diese Vereinbarung wurde von Andrä Rupprechter gemeinsam mit den führenden österreichischen Lebensmittelhandelsunternehmen unterschrieben. In der Präambel wurde festgehalten, dass Lebensmittelketten, die sich verpflichtend einbringen, ein Logo mit der Aufschrift „Lebensmittel sind kostbar!“ bekom­men.

Das ist keine schlechte Geschichte, denn man muss sich vorstellen, die Angestellten werden zum einen dazu ausgebildet, zum anderen müssen sich die Lebensmittelketten zu Alternativmaßnahmen verpflichten, zum Beispiel Waren mit knapper oder über­schrittener Mindesthaltbarkeit vergünstigt abzugeben oder das Frischwarenangebot gegen Ladenschluss zu verringern. Das sind Punkte, die die Lebensmittelketten zu beachten haben, und das funktioniert ja in der Zwischenzeit. Wir alle sind schon gespannt: Im April dieses Jahres soll der erste Lebensmittelbericht hier präsentiert werden.

Wenn man schon über Lebensmittelwegwerfmentalität spricht: Das beginnt immer bei uns selbst, beim Konsumenten. Wir alle sind Konsumenten, und ich glaube, alle politisch Engagierten werden sich auch dafür einsetzen, ihrem Umfeld zu zeigen, dass Lebensmittel etwas Kostbares und Wertvolles sind. Wir als Vorbilder sollten mit einem entsprechend bescheidenen Lebenswandel auch in der Zivilbevölkerung voran­schreiten. Dazu passt auch das ambitionierte Programm der Bundesregierung.

Die Bundesregierung setzt sich für die Vision Null Abfall ein. Dazu kann ich hier aus vollem Herzen applaudieren. Es geht dabei um forcierte Kooperationen, es geht um Entsorgung, es geht um Binnengewässer, es geht um Plastikmüll, ja, es geht in Wirklichkeit um den Schutz der Ökosysteme.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nachhaltige Abfallwirtschaftspolitik und nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, weiterhin Maß­nahmen zu ergreifen, die eine nachhaltige Abfallwirtschaftspolitik sowie die Vermei­dung von Lebensmittelabfällen zum Ziel haben.“

*****

Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Nachhaltige Abfallwirtschaftspolitik und nachhaltiger Umgang mit Lebens­mitteln“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 9, Bericht des Umweltausschusses über die Bürgerinitiative (6/BI): "Verpflichtung zur Abgabe unverkäuflicher Ware an die Zivil­gesellschaft vor der Müllentsorgung - Anti-Wegwerf-Gesetz" (57 d.B.) in der 15. Sitzung des Nationalrates am 21.03.2018, XXVI. GP.

Österreich ist beim Recyceln von Hausmüll im internationalen Vergleich zwar Spitzen­reiter, jedoch wächst das Gesamtvolumen an Abfall stetig an. Das zeigt auch der Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2017 (BAWP).

Ein wichtiger Bestandteil des BAWP ist die Abfallvermeidung, welche auf eine Entkop­pelung des Wirtschaftswachstums von den mit der Abfallerzeugung verbundenen Umweltauswirkungen abzielt.

Im Rahmen des BAWP werden nationale und internationale Maßnahmen zur Schaf­fung einer Kreislaufwirtschaft erarbeitet, durchgeführt und evaluiert. Diese Kreislauf­wirtschaft schafft eine neue Dimension für innovative Rohstoffpolitik. Die Bundesregie­rung setzt sich für die Vision „Null Abfall“ ein, verwirklicht die maximale Ausschöpfung des Potenzials eines jeden Produktes und Rohstoffes und möchte nachhaltigen Konsum fördern.

Einige Maßnahmen dazu sind:

•           die Entwicklung eines strategischen Maßnahmenplans für Umwelttechnologien sowie für die Kreislauf- und Recyclingwirtschaft,

•           Forcierte Kooperation mit Handel, Gastronomie und Herstellern zur Reduktion von Einweggebinden,

•           Mehr Abfallvermeidung und Recycling sowie höhere Strafen bei unsach­gemäßer Entsorgung (illegalen Abfallexport unterbinden),

•           Verstärktes Engagement auf europäischer Ebene gegen Plastikverschmutzung in den Binnengewässern und Weltmeeren sowie die Forcierung des europaweiten Ausstiegs aus der Verwendung von Mikroplastik in diversen Produkten sowie

•           Forcierung von langlebigen, reparierbaren und wiederverwertbaren Produkten – Umsetzung der Ökodesignrichtlinie.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten im Interesse der Umwelt, einer nachhaltigen Abfallwirtschaftspolitik und eines nachhaltigen Umganges mit Lebensmitteln nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, weiterhin Maß­nahmen zu ergreifen, die eine nachhaltige Abfallwirtschaftspolitik sowie die Vermei­dung von Lebensmittelabfällen zum Ziel haben.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt und wird anschließend mitabgestimmt.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte schön.