15.42

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist jetzt in dieser Rede das Wort Schuldenbremse ein einziges Mal vorgekommen? – Ich glaube, Kollege Wöginger hat die Rede von morgen heute gehalten, das heißt, diejenigen, die morgen auch hier sind, hören sie wahrscheinlich ein zweites Mal. (Ruf bei der ÖVP: Eine sehr gute Rede! – Abg. Winzig: Und bei Ihrer Rede zum Thema Finanz?! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Aber egal.

Ich kann einigen Punkten, die die NEOS eingebracht haben, durchaus etwas abge­winnen, etwa als sie gesagt haben, dass aufgrund der guten Konjunktur heuer und nächstes Jahr an und für sich ein Überschuss drinnen sein muss. Das sehen wir auch so. Das sehen auch alle Wirtschaftsforschungsinstitute so. Es ist vollkommen richtig zu sagen, dass man über den Konjunkturzyklus ausgeglichene Haushalte haben muss, sofern man einem Konjunkturzyklus unterliegt – das tun ja nicht alle Verwaltungs­ebenen, aber auf Bundesebene tun wir das zweifellos. Das halte ich für richtig und wichtig.

Wenn Sie sich zum Beispiel die Regierungen Kreisky ansehen, dann werden Sie fest­stellen, wir hatten damals – 1970, 1971, 1972, 1973 und 1974 – fünf Jahre hinter­einander gesamtstaatliche Überschüsse; da können Sie in den Wifo-Zeitreihen nach­schauen. Mit dem Ölpreisschock war es vorbei. Man darf nicht vergessen, dass dies auf den Weltmärkten zu massiven Turbulenzen geführt hat. Sie können zum Beispiel einen Vergleich mit Deutschland ziehen und werden sehen – wenn Sie Jahr für Jahr vergleichen –, dass Österreich eine sehr solide Budgetpolitik gemacht hat.

Wenn wir uns zum Beispiel die nominelle Verschuldung anschauen, also wie hoch die Schulden Österreichs zum 31.12.2017 waren, und das mit einem Jahr davor ver­gleichen, werden Sie sehen: Die Schulden sind nicht nur im Verhältnis zum BIP, son­dern auch nominell gesunken.

Der Schuldenabbau ist jetzt nicht irgendeine Erfindung der neuen Bundesregierung. Es ist auch Teil der Politik der alten Bundesregierung gewesen, dass man natürlich ab­sichtlich, bewusst und richtigerweise in der Finanzkrise gesagt hat: Ja, das wird uns jetzt Geld kosten, ja, jetzt werden die Schulden in die Höhe gehen, aber wenn die Krise vorbei ist, müssen wir mit der Verschuldung, mit den Defiziten wieder runtergehen! Und ja: Das passiert. Das ist auch bereits 2017 passiert. Schauen Sie sich die nominelle Verschuldung des letzten Jahres an! Sie ist auch in Euro zurückgegangen. Das ist gut und richtig.

Diese Fokussierung aber – das Allerallerwichtigste in der Politik sind die Verschul­dungsquote und die Defizitquote – ist ein bisschen das, was uns die NEOS hier erzählen – das ist das Allerwichtigste und muss gleich in die Verfassung. Vollkommen wurscht, welchen Politikbereich wir uns anschauen, das Wichtigste ist immer das Geld. (Abg. Strolz: Das ist wichtig!) Da klingen Sie, ganz ehrlich, wie ein Kom­missionsbeamter der EU. (Abg. Strolz: Generationengerecht!) Die schauen sich näm­lich die Welt genau aus dieser Brille an.

Wir haben ja das Europäische Semester. Da haben wir zum Beispiel die Länder­berichte, in denen von der europäischen Ebene her geschaut wird, wie Systeme – Sozialsysteme, Pensionssysteme – funktionieren. Sie reden immer davon, dass es enkelfit sein muss. Ich sage, ein Pensionssystem muss aber nicht nur enkelfit sein, sondern auch omafit.

Darauf vergessen Sie immer im Zusammenhang mit Pensionssystemen, dass das keine Zahlung für die Vergangenheit ist. Das ist immer so dieses Spielchen: das Pen­sionssystem als vergangenheitsbezogene Ausgaben. – Nein! Ein Pensionssystem ist Gegenwart. Die Menschen, die heute in Pension sind, bekommen heute das Geld, und das ist Gegenwart. Das ist das Geld, von dem sie heute leben müssen und auch leben können müssen, mit dem sie auskommen müssen. Das ist entscheidend für Pensions­systeme. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie beurteilen das Pensionssystem ausschließlich danach, wie viel es aus dem Budget kostet – genauso wie die Europäische Kommission. (Abg. Strolz: Jetzt für unsere Kinder!) Sie schauen sich nicht an, ob jemand von der Pension, die er heute bekommt, leben kann. (Abg. Strolz: Ja schon, das ist das Thema!) Das ist ja die entscheidende Frage.

Natürlich ist die Finanzierungsfrage wichtig, aber mindestens so wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, ist die Frage, ob das Pensionssystem auch dazu führt, dass Men­schen, die so alt sind, dass sie nicht mehr arbeiten können, dass sie gar keine Arbeit am Arbeitsmarkt mehr finden, mit diesen Pensionen ihren Lebensstandard halten können. Wenn Sie das nicht nur aus der Sicht eines EU-Beamten, wie es heute pas­siert, anschauen, dann werden Sie zum Beispiel sagen: Das deutsche Pensionssystem ist nicht omafit. Es mag theoretisch enkelfit sein, obwohl es in Wahrheit auch nicht enkelfit ist, denn ein Pensionssystem ist nur dann enkelfit, wenn die Enkel, also die, die heute klein sind, auch später Pensionen haben, von denen sie leben können. (Abg. Strolz: Das ist unser Thema!) – Ja, aber unser System bildet das eben ab.

Von 100 Euro, die heute in Österreich verdient werden, geben wir jetzt 13,8 Euro für Pensionen aus, und das steigt auf 14,9 Euro. – Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Das ist eine Herausforderung, aber nicht der Weltuntergang. Dabei geht es darum, dass wir organisieren, dass unsere Arbeitsmärkte funktionieren, dass möglichst viele Menschen in Beschäftigung sind und dass es vernünftige Löhne gibt – dann ist das Pensionssystem gesichert. Die Frage des Pensionssystems ist nicht nur jene nach dem Steueranteil, sondern auch: Kann ich von dieser Pension leben? – Und das gilt für viele andere Bereiche auch.

Einen Bereich, den mein Vorredner erwähnt hat, muss ich jetzt noch herausnehmen (Abg. Loacker: Das ist das Sozialhilfegesetz!), es ist der Familienbonus. Man sagt, das Allerwichtigste ist, Familien zu fördern und so weiter. Das halte ich auch für richtig. Sie hätten aber auch eine ganz einfache andere Maßnahme setzen können, nämlich die Familienbeihilfe um 100 Euro im Monat zu erhöhen. Damit hätten Sie bei den Menschen, die Kinder haben, dieselbe Wirkung erzielt, mit zwei Unterschieden: Der erste Unterschied ist: Ihr jetziger Vorschlag produziert wahnsinnige Verwaltungskosten für die Unternehmen, für die Steuerbehörden und auch für die Eltern. Das kostet Verwaltung. Wenn Sie die Familienbeihilfe einfach um 100 Euro erhöht hätten, hätten Sie null zusätzliche Verwaltungskosten gehabt. Null! – Ihr Vorschlag produziert also Verwaltung.

Der zweite große Unterschied wäre gewesen, dass der Grundsatz, jedes Kind in unserem Land ist gleich viel wert, eingehalten worden wäre. Das, was Sie jetzt machen, ist, dass ein Drittel – oder 40 Prozent – der Kinder viel bekommt, ein Teil ein bisschen etwas und die, die es ganz besonders schwierig haben, gar nichts. Das ist Ihr System! Sie halten sich nicht mehr an den Grundsatz, dass jedes Kind gleich viel wert ist.

Man hat mehr Verwaltungsaufwand, und nicht jedes Kind ist gleich viel wert – und das nur aus einem statistischen Grund, denn das Einzige, dem Ihre Politik dient, ist das Statistische dahinter, nämlich dass die Steuer- und Abgabenquote sinkt. (Abg. Heinisch-Hosek: Genau!) Das ist aber nur ein statistischer Effekt, das hätten Sie anders auch lösen können. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

15.50

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Angerer. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.