9.49

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Regierungsverhandlungen haben ja mit einer Panikmache der Sonderklasse begon­nen.

Die Regierungsverhandler haben uns in Bezug auf das Budget 2018 erzählt, das strukturelle Defizit würde bei 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Da wurde eine Budgetlücke herbeigeredet, die jeder Ökonom, der sich die Dinge ein wenig angeschaut hat, längst ad acta gelegt hat, und zwar deshalb, weil wir in einer äußerst guten Konjunktursituation sind. (Abg. Rosenkranz: Vor allem die Grünen!) Mittlerweile haben offenbar auch Sie von der FPÖ, meine Damen und Herren, und auch der Herr Finanzminister kapiert, dass eine gute Konjunktur Auswirkungen auf das Budget hat. Ich habe damals schon, Anfang November, eine Pressekonferenz gemacht und ge­sagt: Wir werden sowohl 2017 als auch 2018 deutlich bessere Zahlen haben, als sie durch die Verhandler damals suggeriert worden sind. (Abg. Rosenkranz: Willkommen, Sie tüchtige Person!)

Was war der Grund dafür, dass Sie das gemacht haben? Ich werde Ihnen jetzt eine Erklärung dafür geben: Sie haben damit den Boden für jene Trendwende aufbereitet, die Sie nun eingeleitet haben. Das war eine Art Panikmache, mit der Sie die Bevöl­kerung auf jene Kürzungen im Budget vorbereiten wollten, die Sie nun tatsächlich durchführen.

Dieses Budget leitet wirklich eine Trendwende ein. Ja, es leitet eine Trendwende ein, aber eine Trendwende hin zu neoliberaler Politik. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz– Abg. Belakowitsch: Die NEOS haben das jetzt ...! – Abg. Gudenus: Das müssen Sie mit den NEOS klären!) Der Herr Finanzminister hat gestern viel von Leistungsträgern gesprochen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Seien Sie bitte ein bisschen ruhig, Herr Kollege! Regen Sie sich nicht so auf, hören Sie ein bisschen zu!

Einer seiner Amtsvorgänger, Finanzminister Molterer, hat gemeint, Leistungsträger sind jene Menschen in diesem Land, die Lohn- und Einkommensteuer bezahlen. – Na bravo! (Ruf bei der ÖVP: Da hat er recht!) Alle Menschen in diesem Land, die ein niedrigeres Einkommen haben, die weniger als 1 250 Euro verdienen, die hart arbei­ten, die das System erhalten, von der Pflege angefangen bis hin zu anderen Tätig­keiten, sind also keine Leistungsträger. (Abg. Rosenkranz: Kann Herr Molterer zu einer Richtigstellung herauskommen?) – Das hat er gesagt, das ist nachweisbar. (Abg. Wöginger: Was hat Löger gestern gesagt?)

Folgerichtig sagen Sie, Herr Finanzminister, diese Leistungsträger müssen entlastet werden. So schaut auch Ihre Politik aus: Sie entlasten durch den Familienbonus vor allem jene Menschen, die Lohn- und Einkommensteuer zahlen, und jene, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen – und das sind sehr viele Menschen in diesem Lande –, erhalten Brösel. Sie bekommen bis zu 250 Euro an Familienbonus und nicht mehr. Andere, besser verdienende Menschen erhalten bis zum Sechsfachen davon, das wissen Sie genau.

Jetzt frage ich mich: Warum ist das gerechtfertigt? – Das ist aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt, weil es gerade die Bezieher niedriger Einkommen in diesem Land waren, die in den letzten Jahren extrem viel Einkommen verloren haben, Nettoreal­verluste. (Abg. Rosenkranz: Vielleicht liegt es daran, dass wir keine Kommunisten sind!) Lesen Sie einmal in den Einkommensberichten nach!

Diese Menschen zahlen natürlich auch Steuern, sie zahlen Verbrauchssteuern, sie zahlen Sozialversicherungsbeiträge. Wenn man einen Blick auf die Gesamtabgaben­belastung wirft, so zeigt sich, dass die Bezieher niedriger Einkommen nahezu so viele Steuern zahlen wie jene höherer Einkommen. Wir haben also in Österreich nahezu eine Flattax.  Wir haben aber im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer das Prinzip der Leistungsfähigkeit nicht verwirklicht. Wenn man schon von Leistungsträgern und vom Leistungsgedanken spricht, sollten eigentlich jene ordentlich Steuern zahlen, die auch viel verdienen. Das wäre ein gerechtes System. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mit dem Familienbonus wird aber genau das nicht erfüllt, denn Niedrigverdiener be­kommen wenig bis gar nichts. Darunter, meine Damen und Herren von der ÖVP, sind auch Tausende Bauern, Kleinbauern. (Ruf bei der ÖVP: Jesses!) Ist Ihnen das eigent­lich recht? Gibt es da keine Proteste? Einpersonenunternehmen werden nicht entlas­tet, die bekommen nichts, auch nicht über die Entlastung bei den Arbeitslosen­ver­sicherungsbeiträgen. (Zwischenruf der Abg. Winzig. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Menschen mit einem Bruttomonatseinkommen von bis zu 1 381 Euro zahlen jetzt schon keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge. (Abg. Rosenkranz: Er spricht vom Arbeiter- und Bauernstaat!)

Über die Entlastung der Tourismusbetriebe durch die Senkung der Mehrwertsteuer haben wir gestern schon ausführlich gesprochen.

Wo wird aber gekürzt? Wer finanziert denn diesen Familienbonus? – Das sind ja in Wirklichkeit die spannenden Fragen. Es sind die Asylwerber, es sind die Asylbe­rechtigten. (Abg. Gudenus: Die finanzieren etwas?) Es wird bei schulischer Integration gespart. Es sind die Langzeitarbeitslosen, die Aktion 20 000 wird aufgehoben. Es sind die Geringverdiener. – Das sind die Verlierer im System. Wer sind die Gewinner im System? (Ruf bei der FPÖ: Sie!) – Die Gewinner dieser Politik sind jene, die durch Ihre Politik nicht belastet werden. (Abg. Gudenus: Wer wird belastet?)

Fangen wir einmal bei der Verwaltung an: Herr Minister, Sie sagen, Sie sparen in der Verwaltung dadurch, dass Sie Kürzungen von überhöht angesetzten Ausgaben vornehmen. – Das ist ja an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Wissen Sie, was Sie da machen, was Sie da gemacht haben? – Sie haben 1 Milliarde Euro Luft abgesaugt! Heute im „Morgenjournal“ haben Sie uns erklärt, warum es sinnlos ist, Beispiele zu nennen, wo Sie in der Verwaltung sparen wollen. – Sie können gar keine Beispiele nennen, weil Sie eben nicht sparen und nicht kürzen! So einfach ist das, Herr Finanz­minister! (Beifall bei der Liste Pilz, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Ich werde aber noch nachbohren, und Sie werden sehen, ich werde Ihnen noch entlocken, wo Sie diese Beispiele haben, oder Sie werden zugeben müssen, dass es sie nicht gibt. (Abg. Rosenkranz – in Richtung Bundesminister Löger und Staats­sekretär Fuchs weisend –: Wieso haben die zwei jetzt kein angstverzerrtes Gesicht nach dieser Drohung?)

Warum haben Sie diese 1 Milliarde Euro gebraucht? – Diese 1 Milliarde Euro haben Sie für Ihre PR-Strategie gebraucht, das ist ja sonnenklar. Keine neuen Schulden, Nulldefizit – wenn Ihnen aber diese 1 Milliarde Euro fehlt, dann sind natürlich das Nulldefizit und der Überschuss im Jahr 2019 futsch. Der ist weg, na sonnenklar! (Abg. Rädler: Der letzte Fernsehzuschauer hat abgedreht!) Das ist Grasser’sche Trickserei. Herr Kollege Kern hat ja schon erklärt, was Grasser gemacht hat: Aus einem Über­schuss ist ein Defizit entstanden, und die Ursache waren Tricksereien. Sie treten in seine Fußstapfen, Herr Minister. So schaut es aus! (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Schieder. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Was aber in diesem Budget fehlt – das ist auch schon angesprochen worden –, das sind klare Prioritätensetzungen im Hinblick auf die Zukunftsbereiche. (Abg. Neubauer: Sagen Sie ein bissi was zur Novomatic-Glawischnig!) Die Ökologie beispielsweise kommt so gut wie überhaupt nicht vor. Da wird gekürzt, dass sich die Balken biegen.

Ein anderes Beispiel ist die Bildung: Gespart wird gerade bei den allgemeinbildenden Pflichtschulen und bei den Neuen Mittelschulen. Wen trifft denn das wieder, Herr Minister? – Das trifft jene, die die Integration in diesem Land dringend nötig hätten, und die Geringverdiener.

Es folgt immer alles ein und demselben Muster: Es geht gegen das untere Einkom­mensdrittel. Ihre ganze Politik ist dahin gehend ausgerichtet, dass Sie vom unteren Einkommensdrittel zu den oberen beiden Einkommensdritteln umverteilen wollen. Das ist diese Trendwende, die ich hier und heute deutlich ansprechen möchte. (Zwi­schenruf des Abg. Rädler.)

Andere Reformen fehlen natürlich auch. Wir haben ein sehr verlottertes föderales System in unserem Lande. Wann werden Sie denn da einmal Hand anlegen? Wann werden Sie denn Steuerstrukturreformen machen – Entlastung des Faktors Arbeit durch Einführung von Erbschaftsteuern, durch die Ökologisierung des Steuersystems? Wann werden Sie betreffend Steuerhinterziehung und Steuervermeidung Gas geben? All das sind Punkte, Herr Finanzminister, die ich sehr stark vermisse.

Es wird ja noch schlimmer kommen. Sie haben eine Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angesprochen. In diesem Zusammenhang haben Sie gesagt: Entlastung bei der Körperschaftsteuer, Entlastung bei der Einkom­mensteuer. Finanziert werden soll das – das ist ja auch schon angedeutet worden – durch Kürzungen beim Arbeitslosengeld, bei der Notstandshilfe, bei der Mindest­sicherung. Die Notstandshilfe soll gestrichen werden, wir wollen in Österreich zu einem System Hartz IV mit Arbeitspflicht übergehen. Herr Minister, ich sage Ihnen eines: Einen Niedriglohnsektor mit steigender Armut, wie ihn sich Deutschland dadurch einge­handelt hat, will ich in Österreich definitiv nicht haben! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rädler: Ein Wort zu Glawischnig hat gefehlt, Herr Professor!)

9.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Angelika Winzig. – Bitte.