10.05

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Vorrednerin, ich zitiere Ihnen jetzt einmal jemanden, der vollkommen unverdächtig ist, ein Linker zu sein – vielleicht kennen Sie ihn, er ist einer der großen Ökonomen der österreichischen Schule –, nämlich Eugen von Böhm-Bawerk. Er war auch einmal auf einem Geldschein (die Abgeordneten Gudenus und Rosenkranz: Am Hunderter!) – genau! Vielleicht kennen ihn jene, die sich sonst nicht mit Ökonomie beschäftigt haben, zumindest von dort. (Zwischenrufe der Abgeordneten Neubauer und Wöginger.)

Er hat gesagt, eine Politik, die gegen ökonomische Gesetze und damit gegen mensch­liche Grundbedürfnisse regiert, zieht immer den Kürzeren. (Abg. Rosenkranz: War das der Erfinder der Mehrwertsteuer?) – Das, muss man sagen, trifft heute vollends zu: Sie haben eine Budgetpolitik vorgelegt, die genau gegen die menschlichen Grundbedürf­nisse agiert und damit leider auch verursacht, dass in unserer Gesellschaft viele den Kürzeren ziehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es liegt ja dieser Regierung dieselbe Mechanik inne. So wie Vizekanzler Strache schreit: Ich wurde abgehört, Skandal!, und dann stellt sich heraus, es war das alte Kabel für den Empfang des Parlaments-TV (Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Gudenus: Das sind ja ... Abhörmaschinen!), so ist es jetzt auch. Die Regierung kommt ins Amt und schreit: Budgetloch, Wahnsinn, wir müssen einsparen!, und am Schluss stellt sich heraus, der Konjunkturaufschwung ist so stark, dass er Milliarden ins Körberl spült, ohne dass der Finanzminister auch nur einen Finger rühren muss.

Diese Taktik ist allerdings erstens billig – das ist nichts Schlechtes bei einem Finanz­minister –, zweitens aber darüber hinaus durchschaubar und daher auch nicht richtig, denn Sie erzählen uns, Sie kürzen im System und nicht bei den Menschen. – In Wahrheit ist es genau umgekehrt, Sie kürzen nämlich bei den Menschen: Kürzungen beim Sozialstaat, Kürzungen im Bereich Arbeitsmarkt, Aktion 20 000 gestrichen (Zwi­schenruf des Abg. Deimek), AMS-Budget um 600 Millionen Euro verringert – das ist nämlich jenes Geld, das eingesetzt wird, damit auch Leute einen Job bekommen, die sich selbst in Zeiten der Hochkonjunktur schwertun. (Abg. Deimek: ... Krankenhaus Nord, aber die ist ja jetzt bei Siemens!)

Sie kürzen bei der Bildung, Sie streichen Deutschlehrer. Sie streichen allein bei der Infrastruktur 400 Millionen Euro für die Jahre 2018 und 2019 (Zwischenrufe der Abge­ordneten Deimek und Schimanek), und damit bleiben wichtige Projekte in den Regio­nen Österreichs auf der Strecke.

Sie sagen die Aktion 20 000 ab, Sie schränken die Altersteilzeit ein, jenes Modell, das eben genau dabei hilft, einen gleitenden Übergang in die Pension zu finden.

Sie hinterlassen ein Riesenloch bei der Pflege – es fehlt eine halbe Milliarde Euro zur Finanzierung und Sanierung des Pflegeproblems in unserer Gesellschaft –, und daran gehen Sie einfach vorbei und kümmern sich nicht darum.

Sie kürzen den Auslandskatastrophenfonds: Statt 20 Millionen Euro gibt es jetzt nur mehr 15 Millionen Euro, obwohl selbst Sebastian Kurz immer gesagt hat, er will da mehr. Aber vielleicht war es derselbe Schmäh: Zuerst so reden und nachher genau das Gegenteil davon machen, so wie wir es so oft erlebt haben. (Abg. Kitzmüller: Man braucht aber nicht von sich auf andere schließen!) Selbst bei den Richtern kürzen Sie: Es gibt 40 Richterstellen, die nicht nachbesetzt werden, wo man sich auch fragt, was das soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Und umgekehrt behaupten Sie, dass Sie im System sparen. Was ist aber die Wahr­heit? – Sie gönnen sich gleich einmal ein bisschen mehr: Darf’s ein bissl mehr sein für uns alle? Sie blähen Ihre Kabinette auf, verdoppeln die Anzahl der Mitarbeiter, stellen Generalsekretäre ein, geben den Generalsekretären Assistenten, Pressesprecher, alles, was es braucht, um 10 Millionen Euro jährlich allein in diesem Bereich (Abg. Deimek: Und was war mit dem Herrn Grasser?), und dann noch dem Kanzler und dem Vizekanzler ein ordentliches Spielgeld für Inserate, damit vielleicht diese durchschau­bare Politik zumindest am Inseratenmarkt etwas vernebelt wird. (Ruf: Das war bei Faymann! – Abg. Deimek: ... Krankenhaus Nord 100 000 Euro für einen Energetiker! – Abg. Belakowitsch: Nein, 95 000! Bei 100 000 hätte man ausschreiben müssen! ... Energie-Ring gar nicht da! Jetzt streiten die Energetiker in Wien!)

Umgekehrt, um auch das klar zu sagen, machen Sie auch Klientelpolitik: Sie kündigen jetzt schon an, den Großspendern, jenen, die Sie ganz stark motiviert haben, ihre Interessen zu vertreten, nämlich der Großindustrie (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die Körperschaftsteuer zu senken beziehungsweise den Hoteliers gleich einmal als erstes Geschenk die Mehrwertsteuer hinunterzusetzen.

Weil Sie jetzt mit dem Uralt-Propagandaschmäh kommen: Wir haben uns hart ange­strengt, und das Nulldefizit ist gekommen! – Da hat sich niemand hart angestrengt, und das Nulldefizit ist eigentlich schon voriges Jahr gekommen. (Heiterkeit des Abg. Neubauer. – Abg. Belakowitsch: „Eigentlich“! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Lesen Sie sich einmal die Unterlagen durch, bevor Sie noch einmal lachen!

Allein die Wifo-Prognose zeigt ja schon, dass es auch dann, wenn der Finanzminister nichts tut, wenn diese Regierung nichts tut, automatisch einen Überschuss gibt. Das ist gut für unser Land, das ist sehr gut, nur bitte verspielen Sie diesen Überschuss nicht durch Steuergeschenke an Ihre Unterstützer und Ihre Klientel! Darum würde ich Sie ganz dringend bitten, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Wie bei jedem Budget geht es auch hier nicht nur darum, was drinsteht, es geht auch um das, was fehlt. Was fehlt? – Strukturreformen: In dieser Regierung gibt es den Justiz- und Verwaltungsreformminister Moser, der in seiner ganzen politischen und Verwaltungskarriere viele Projekte der Verwaltungsreform vorgelegt hat. Jetzt, in der Regierung, haben Sie nicht einmal einen Cent aus diesem Bereich eingepreist! Sie sagen zwar im „Morgenjournal“, es werden Projekte kommen, können uns aber kein einziges Projekt nennen.

Wir wissen, dass wir in Österreich selbstverständlich Schritte zur Verwaltungsreform brauchen. (Abg. Neubauer: Warum habt ihr das damals nicht gemacht?) Wir wissen, dass wir Schritte brauchen, wo sich auch vielleicht einmal die Betonierer wegbewegen müssen, wo sich vielleicht die Parteichefs, so wie der Herr Kurz, über seine internen Betonierer hinwegbewegen wird. Er wird es nur nicht machen, und das Budget zeigt uns auch, das wird vermutlich nicht kommen – aber vielleicht überraschen Sie uns ja doch einmal mit positiven Aspekten.

Das Zweite, das fehlt, ist die Zukunft, das ist einfach die Zukunft unseres Landes und unserer Jugend.

Die Pflege: nicht finanziert, nicht strukturiert, nicht geregelt; ein großes Problem und in Zukunft ein noch größeres Problem. (Ruf: Wer war Sozialminister?)

Die Bildung: Wie geht es weiter? – Weniger Lehrer, mehr Schüler. Ganz ehrlich, das ist kein zukunftsfittes Bildungssystem. Das sind keine Klassen, wie wir sie uns wünschen, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Strolz. – Abg. Rosenkranz: Bei Ihrer Familienpolitik kommen dann auch bald einmal vier Lehrer auf ein Kind!)

Und wenn ich höre, dass im Ministerium jetzt schon daran gearbeitet wird, dass die eigentlich beschlossene Ausschreibung für Tablets und Laptops für die Schülerinnen und Schüler, damit sie zukunftsfit werden, damit die Digitalisierung endlich in den Klassenzimmern ankommt, verzögert wird, beziehungsweise darüber geredet wird, das wieder abzuschaffen, weil man das ja auch nicht braucht, dann warne ich Sie: Rauben Sie unseren Kindern nicht die Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.) Die brauchen wir! Wir brauchen eine Bildung, die unseren Kindern die Möglichkeit gibt, gegenüber den Herausforderungen zu bestehen. (Abg. Rosenkranz: Und das haben wir aufgrund der Pisa-Studien der letzten zehn Jahre Ihrer Regierung genau gesehen, wie Sie Öster­reichs Kinder systematisch verdummen! Sie verdummen Österreichs - -!) – Bevor Sie sich über die Pisa-Studie verbreitern, reden Sie einmal mit Ihrem Sitznachbarn, da haben Sie genug Pisa-Themen zu behandeln, Herr Kollege! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Sie und Ihre Verdummungsministerinnen haben einige der größten Verbrechen an den Kindern begangen!)

Es gibt noch zwei weitere Bereiche, nämlich die Infrastruktur – auch so ein Zukunfts­thema, wo meiner Meinung nach Sparen fehl am Platz ist – und, was Sie vollkommen vergessen haben, die Klima- und Umweltpolitik. Wo sind diese Punkte? Das ist die große Menschheitsherausforderung: Wie bewältigen wir den Temperaturanstieg, die Erderwärmung so, dass es zu keinem Wohlstandseinbruch kommt und wir trotzdem in Zukunft noch leben können?

Und der letzte Punkt, sehr geehrte Damen und Herren, - - (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) – Es tut mir leid, es ist unverständlich, was Sie zwischengerufen ha­ben.

Was wird verschwiegen? Die große Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Was wird uns hier von der Regierungsbank verschwiegen? (Ruf: Das ist die große Frage!) Kommt der Pflegeregress wieder, oder hat das der Finanzminister nur deshalb hinterfragt, weil er eine rhetorische Figur abliefern wollte? Wird bei den Pensionen doch gekürzt oder war es nur eine rhetorische Figur? (Abg. Belakowitsch: Können Sie noch etwas anderes außer Schreckgespenster malen?) Werden die Laptops jetzt angeschafft oder war das für diese Arbeitsgruppe, die sie einsparen will, nur eine Beschäftigungs­therapie? Und: Warum tun Sie nichts gegen die Steuerhinterziehung, Herr Finanz­minister? (Rufe bei der SPÖ: Genau!) Warum tun Sie nichts gegen die Steuerhinter­ziehung, international und national? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.) – Das versteht niemand. (Abg. Rosenkranz: Ganz schwach!)

10.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.