Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich gebe bekannt, dass das von mindestens 46 Ab­geordneten unterstützte Verlangen Nr. 3/US auf Einsetzung eines Untersuchungsaus­schusses gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung betreffend „die politische Einfluss­nahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss)“ eingebracht wurde.

Dieses wird gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung an alle Abgeordneten verteilt.

Die Zuweisung des gegenständlichen Verlangens an den Geschäftsordnungsaus­schuss erfolgt gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung am Schluss dieser Sitzung.

Das Verlangen hat folgenden Gesamtwortlaut:

Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

§ 33 Abs. 1 GOG

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Drin Stephanie Krisper, Drin Alma Zadic, LLM, Kol­leginnen und Kollegen betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss)

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist der Verdacht der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme durch OrganwalterInnen, sonstige (leitende) Bedienstete sowie Mitar­beiterInnen politischer Büros des BMI auf die Aufgabenerfüllung des BVT samt damit in Zusammenhang stehender angeblicher Verletzung rechtlicher Bestimmungen im Zeit­raum der ersten zwei Funktionsperioden des aktuellen BVT-Direktors vom 01. März 2008 bis zu seiner Suspendierung am 13. März 2018 im Bereich der Vollziehung des Bundes hinsichtlich

a. des Verwendens von Daten und Informationen inkl. des Unterlassens der Löschung, des Sammelns und Auslagerns von Daten sowie deren Weitergabe an Dritte;

b. der Vollziehung des § 6 PStSG und von Vorgängerregelungen (erweiterte Gefahren­erforschung und Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Extremismus, Terrorismus, Proliferation, nachrichtendienstlicher Tätigkeit und Spionage) inkl. der Ermittlungen zu rechtsextremen Aktivitäten durch das Extremismusreferat des BVT;

c. der Ausübung der Dienstaufsicht und Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT wie Suspendierungen des Direktors und weiterer ranghoher Bediensteter;

d. der Zusammenarbeit mit den für den Verfassungsschutz zuständigen Organisations­einheiten der Landespolizeidirektionen bzw. ihren Vorgängerorganisationen hinsichtlich der lit. a bis c;

e. der Zusammenarbeit mit anderen obersten Organen und Ermittlungsbehörden (wie der StA und der WKStA sowie dem Bundeskriminalamt, BAK, LKAs, EGS) im Hinblick auf die von diesen aus Anlass der oben genannten Rechtsverletzung geführten Ermitt­lungen und Hausdurchsuchungen; sowie

f. der Besetzung leitender Funktionen und Personalauswahl (einschließlich Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerIn­nen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben).

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. Datenverwendung

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Datenver­wendung durch das BVT, inklusive des Empfangens, Speicherns, Löschens, Weiterge­bens von Daten und Informationen sowie der Protokollierung. Dazu zählt die Aufklä­rung über die Beteiligung von Organwaltern, MitarbeiterInnen politischer Büros und (lei­tenden) Bediensteten des BMI (entweder zusammenwirkend oder jeweils für sich al­leine) an Rechtsverletzungen durch BeamtInnen des BVT sowie die Einflussnahme auf das BVT aus parteipolitischen Motiven etwa durch Kabinettschef M. K. und anderer Kabinettschefs in Zusammenarbeit mit dem stv. Direktor und sonstigen leitenden Be­diensteten des BVT insbesondere in den Fällen „Tierschützer“, „Lansky“, „Maurer“.

2. Extremismus

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Ermittlungen des Extremismusreferats des BVT inklusive der Ermittlungen zu deutschnationalen Burschenschaften, der Identitären Bewegung und der Verwertung der Ermittlungser­gebnisse (dazu zählt auch die Mitnahme von Daten und Informationen durch Unbe­fugte) sowie auf die (sachlich ungerechtfertigte) Zuordnung von Sachverhalten zu ex­tremistischen Aktivitäten.

3. Hausdurchsuchungen

Aufklärung über Planung und Durchführung der Hausdurchsuchungen sowie über den Umgang mit und die Herkunft von Vorwürfen, die zu diesen Hausdurchsuchungen ge­führt haben. Dazu zählen u.a.

a. Ungereimtheiten bei den genannten Hausdurchsuchungen, insbesondere durch die Zu­ziehung der EGS anstelle der Zuziehung von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) oder der Landeskriminalämter (LKA)

b. die Mitwirkung des Generalsekretärs im BMI sowie von MitarbeiterInnen der politi­schen Büros im BMI.

4. Kooperationen

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Zusam­menarbeit des BVT mit anderen inländischen Behörden, insbesondere mit den Lan­desämtern für Verfassungsschutz. Dazu zählt auch die Behinderung von Ermittlungen anderer Behörden.

5. Schutz der Obersten Organe

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Tätigkeiten zum Schutz der Regierungsmitglieder und Abgeordneten, insbesondere der angebliche Einbruch und die angebliche Abhöranlage im Büro des Vizekanzlers.

6. Organisation

Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Organisa­tionsstrukturen und Besetzung leitender Funktionen und dienstrechtlicher Maßnahmen samt Suspendierungen in Zusammenhang mit dem BVT zu Gunsten bestimmter politi­scher Netzwerke. Dies umfasst auch die Ernennung bzw. Betrauung von Mitarbei­terInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben.

7. Auswirkungen

Aufklärung über die Folgen der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung des BVT auf die öffentliche Sicherheit und den Staatsschutz so­wie über die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten.

Begründung

Der Anschein grober Missstände und der abgestimmten, politisch motivierten Einfluss­nahme auf die Aufgabenerfüllung des BVT durch Organwalter und (leitende) Bediens­tete des BMI ergibt sich für die verlangenden Abgeordneten unter anderem aus

• bekannt gewordenen Fällen offenbar pflichtwidrigen Datenumgangs;

• der Heranziehung des BVT außerhalb seines gesetzlichen Aufgabenbereichs;

• anhängigen Ermittlungsverfahren gegen eine Reihe leitender Beamter des BVT, die auch zu Suspendierungen geführt haben;

• den ungeklärten Umständen und Vorwürfen, die zu Hausdurchsuchungen im BVT und bei Bediensteten des BVT geführt haben;

• daraus resultierenden Verunsicherungen der restlichen Bediensteten des BVT;

• den negativen Auswirkungen dieser Hausdurchsuchungen auf die Aufgabenerfüllung des BVT;

• der Gefährdung von aktuellen Ermittlungen des BVT im rechtsextremen Bereich;

• der mehrfachen, nicht erforderlichen Beteiligung von KabinettsmitarbeiterInnen, Par­teifunktionärInnen und sonst parteipolitisch eindeutig zuordenbaren Personen an den oben genannten Punkten;

• dem öffentlich mehrfach geäußerten Verdacht, der Hintergrund der Ereignisse sei rein parteipolitisch motiviert;

• der aus alledem resultierenden Skepsis anderer Geheim- und Nachrichtendienste, den Informationsaustausch mit dem BVT aufrechtzuerhalten.

Um das Vertrauen in den österreichischen Verfassungsschutz und dessen störungs­freie Aufgabenerfüllung wiederherzustellen und so die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten, ist neben der gerichtlichen auch eine politische Aufklärung des im Untersuchungsgegenstand genannten Vorgangs nicht nur geboten, sondern demokratiepolitisch notwendig.

Die Untersuchung betrifft nicht Quellen im Sinne des Art. 52a B-VG. Sollten in Akten und Unterlagen Quellen genannt sein, wären diese vor Übermittlung zu anonymisieren und darauf entsprechend hinzuweisen bzw. dies zu begründen.

Zu den rechtlichen Voraussetzungen

Zur Vollziehung des Bundes

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung bezüglich des BVT gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“) und Z 14 leg. cit. („Organisation und Führung der Bun­despolizei“). Gemäß § 22 PStSG ist mit dem Vollzug dieses Gesetzes der Bundesmi­nister für Inneres betraut. Vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des PStSG war die pri­märe Rechtsgrundlage des BVT das SPG, welches gemäß § 98 SPG in die Vollzie­hung des Bundes fällt.

Zum Begriff des bestimmten Vorgangs

Ein Vorgang muss gemäß den Erläuterungen zur Novelle des Art. 53 Abs. 2 B-VG hin­reichend bestimmbar sein, so dass daraus ein nicht ausufernd großer Teil der Vollzie­hung des Bundes als Untersuchungsgegenstand hervorgeht. Es hat sich beim Untersu­chungsgegenstand um einen im inhaltlichen Zusammenhang stehenden Bereich der Vollziehung des Bundes zu handeln. Dieser kann ein Themenkomplex oder Prozess sein.

Dies führt so auch der Ausschussbericht zur Novelle des Art. 53 Abs. 2 B-VG aus:

„Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es in der Regel, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären. Diese werden mit dem bereits in Art. 52b B-VG verwendeten Begriff des ‚Vorgangs‘ umschrieben. ‚Ein bestimmter Vorgang‘ im Sinne des Art. 53 Abs. 2 B-VG ist ein bestimmbarer und abgrenzbarer Vorgang in der Vollziehung des Bundes.“

Der Zusammenhang kann zeitlich, personell oder funktionell umschrieben werden. Der Untersuchungsgegenstand wurde nach dem Vorbild der Rechnungshof-Sonderprü­fungen und der entsprechenden parlamentarischen Praxis gestaltet. So auch wiederum der Ausschussbericht:

 „Die Untersuchung kann mithin nur inhaltlich zusammenhängende Sachverhalte be­treffen. Das Wort „ein“ wird hier als unbestimmter Artikel und nicht als Zahlwort ver­wendet. Die Forderung eines inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhangs schließt aus, dass mehrere, unterschiedliche Vorgänge oder Themen in einem Unter­suchungsausschuss untersucht werden.“

Zur Abgeschlossenheit

Ein Untersuchungsgegenstand muss abgeschlossen sein. Er muss in der Vergangen­heit liegen, was jedoch gemäß Erläuterungen zur B-VG-Novelle nicht ausschließt, das einzelne Vollzugsakte weiterhin offen sind. Der Ausschussbericht stellt klar:

„Als „abgeschlossen“ kann ein Vorgang jedenfalls dann angesehen werden, wenn sich die Untersuchung auf einen zeitlich klar abgegrenzten Bereich in der Vergangenheit bezieht.

Zum Untersuchungsgegenstand in concreto

Im Sommer 2017 kursierte erstmals ein anonymes Konvolut, das mehrere Jahre zu­rückreichen soll. Es enthält Vorwürfe zu Datenmissbrauch insb. in den Fällen Tier­schützer, Lansky und Maurer sowie eine Reihe weiterer angeblicher Pflichtverlet­zungen im BVT. Darin enthaltene Vorwürfe wurden von Zeugen, deren Identität durch die WKStA mit Verweis auf deren Furcht um ihr Leben und ihre körperliche Integrität anonym gehalten wird, weiter begründet. Zumindest zwei dieser Zeugen erstatteten laut Medienberichten ihre Aussage in Begleitung eines Kabinettsmitarbeiters. Mit ihren Aussagen wurden offensichtlich die nachfolgenden Hausdurchsuchungen beim BVT und dessen Beamten begründet.

In diesem Zusammenhang wurden oder werden Ermittlungsverfahren geführt. Ein durch die Ermittlungen der WKStA mittlerweile begründete Verdacht lautet: Beamte des BVT hätten in Zusammenarbeit mit dem Kabinett des Innenministers Daten von Personen gesammelt, rechtswidrig gespeichert und weitergegeben, insbesondere sol­che aus dem Extremismusreferat des BVT.

Die Ermittlungsgruppe Straßenkriminalität (EGS) wurde als zuständige Polizeieinheit für die Durchführung der Hausdurchsuchung im BVT und den Wohnungen der ver­dächtigen Beamten des BVT bestimmt. Im Zuge der Hausdurchsuchung am 28.2.2018 beim BVT wurden durch die EGS Ermittlungsdaten zur rechtsextremen Szene, die in keinem sachlichen Zusammenhang zum Gegenstand der Hausdurchsuchung stehen, sichergestellt. Die angesprochenen Daten wurden dabei unter anderem in Form von Floppy Disks sichergestellt, was die technische Ausstattung des BVT zweifelhaft er­scheinen lässt. Die Auswahl der EGS als durchführende Einheit weckt insbesondere auf Grund ihres eindeutig parteipolitisch zuordenbaren Leiters zusätzlich den Anschein, dass dies nur Teil eines abgestimmten, politisch motivierten Versuchs der Einfluss­nahme auf das BVT ist. Darauf deuten auch mehrere Stellenbesetzungen mit eindeutig parteipolitisch zuordenbaren Personen hin. All dies bedarf unverzüglich der politischen Aufklärung.

Im Übrigen ist es den verlangenden Abgeordneten nicht möglich, über die Nennung der Verdachtsmomente und der Wiedergabe ihres aktuellen Informationsstandes hi­naus konkretere Angaben zu machen, da diese erst im Zuge der Untersuchungen fest­gestellt werden können. Zu eben diesem Zweck besteht das Instrument des Untersu­chungsausschusses. Ein Untersuchungsausschuss, der ex-ante seine Ergebnisse ken­nen muss, nähme ebendiese Ergebnisse vorweg und führte sich selbst ad absurdum.

Das Bundesministerium für Inneres ist in vier Sektionen organisiert, es beschäftigt 34.215 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei 29.311 dem Exekutivdienst, 191 der ADV und 4.713 dem Allgemeinen Verwaltungsdienst zuzuordnen sind. Das BVT ist ei­ne der Stellen des BMI und ebenso wie die Sondereinheit Einsatzkommando Cobra/Direktion für Spezialeinheiten (DSE), die Abteilung II/8 Grundsatz und Strategie, die Sondereinheit für Observation (SEO) und das Bundeskriminalamt bei der Sektion II, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit angesiedelt. Es ist eine von 50 im Or­ganigramm des BMI ausgewiesenen Untereinheiten.

Bei der Aufgabenerfüllung des BVT, auf die Einfluss genommen werden sollte, handelt es sich daher um einen budgetär und personell äußerst kleinen sowie klar abgrenzba­ren Bereich der Vollziehung des Bundesministeriums für Inneres.

Zum Zeitraum der Untersuchung

Mit 1. März 2008 erfolgte die Bestellung des aktuellen Direktors des BVT, am 13.03.2018 wurde er suspendiert. Die Suspendierung und sonstige Maßnahmen, die vom Bundesminister für Inneres im Zusammenhang mit dem BVT getroffen wurden, begrün­dete dieser insbesondere mit der Person des Direktors und dessen Handlungen in Zu­sammenhang mit dem oben genannten anonymen Konvolut und den darin enthalte­nen, teilweise mehrere Jahre zurückreichenden Vorwürfen. Gleichzeitig ist der Direktor des BVT auf Grund seiner Kompetenzen logischer Ansatzpunkt für politisch motivierte Einflussnahme, die nur in Zusammenhang mit dessen persönlichen Verbindungen und Interessenslagen verstanden werden kann. Zur politischen Aufklärung ist daher eine Gesamtbetrachtung der Amtszeiten des aktuellen BVT-Direktors notwendig.

Es handelt sich aus all diesen Gründen beim Untersuchungsgegenstand um einen be­stimmten abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes.

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