17.53

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Das Familienbudget beinhaltet mehrere Dinge, die ineinandergreifen. Wenn ich beim Bud­get an sich bleibe, dann stelle ich fest, es gibt wesentliche Gründe, warum man einem solchen Budget nicht zustimmen kann.

Die erste Tatsache ist, dass es falsch gerechnet wurde, und zwar bei den Einnahmen. Selbst der Budgetdienst des Parlaments hat darauf hingewiesen, dass man bei den Einnahmen des Flaf für das Jahr 2018 und 2019 annimmt, dass in etwa 100 Millio­nen Euro zu viel budgetiert worden sind. Das hat eine massive Auswirkung, denn das würde bedeuten, dass 2019 beim Flaf ein Minus statt einem Plus im Jahresergebnis stehen würde. 100 Millionen Euro sind kein Pappenstiel; wir haben gerade vorhin beim Thema Frauen von 10 Millionen Euro gesprochen, und in diesem Fall nimmt man ein­fach 100 Millionen Euro her, die gar nicht vorhanden sind.

Dann gibt es den Familienbonus; Kollege Sieber hat es eben noch geschafft, ihn ganz groß zu präsentieren. Ich verstehe ihn natürlich aus seiner Perspektive, allerdings gibt es eine ganze Reihe von Experten, die sagen, das Ding kostet deutlich mehr – Kosten im Sinne von geringeren Steuereinnahmen –, nämlich zwischen 1,8 und 2 Milliar­den Euro. Da geht es um eine Differenz von etwa 500 Millionen Euro.

Wenn ich jetzt die 100 Millionen Euro, die zu viel budgetiert sind, und die 500 Mil­lionen Euro, die zu wenig budgetiert sind, hernehme, reicht allein der Familienbereich, um zu bewirken, dass 2019 kein Überschuss stattfindet – inklusive der Einmaleffekte.

Das ist für mich Grund genug, dass beim Familienbudget tatsächlich Sorge besteht, und ich spreche noch nicht einmal davon, dass das Familienbudget in mehreren Berei­chen die europäische Rechtsprechung ignoriert, nämlich sowohl beim Familienbonus – das gehört nicht zum Familienbudget, sondern allgemein zu den Einnahmen – wie auch bei der Familienbeihilfe.

Deswegen stelle ich mir die Frage, und ich kann sie nicht beantworten, ich möchte sie auch gar nicht beantworten: Ist das Budget dumm oder bösartig? – Wissen können es nur diejenigen, die es sich ausgedacht haben. (Abg. Noll: Beides! Beides!) – „Beides“ wäre vielleicht eine dritte Antwortmöglichkeit, gäbe es eine Umfrage dazu.

Ich bleibe beim Familienbonus. Beim Familienbonus ist mir eines ganz wichtig: Wir un­terscheiden natürlich dahin gehend, dass es eine Entlastung und keine sozialpolitische Maßnahme ist. Die Kritik zielt auch nicht darauf ab, und es ist für uns NEOS ein klares Bekenntnis, dass wir den Menschen nicht vorgeben wollen, welches Familienbild sie gemeinsam wählen. Diese Entscheidung gehört in ein Wohnzimmer. Die Entschei­dung, die Entlastung vonseiten des Staates zu treffen, halten wir für richtig. Für falsch halten wir allerdings die technische Umsetzung. Die zu hohen Kosten, die nicht kal­kuliert werden, habe ich schon angesprochen; wesentlicher erscheinen mir aber die Er­läuterungen dazu, wie man den Familienbonus tatsächlich zu kalkulieren hat.

Der Familienbonus funktioniert dann, wenn es ein durchschnittliches Einkommen in ei­ner Familie gibt und Mann und Frau in einem Haushalt leben und Kinder haben. So­bald das nicht der Fall ist – und wir reden von einer Scheidungsrate von knapp über 40 Prozent –, sobald wir eine Situation haben, in der es Patchwork gibt, in der die Mut­ter in einem Haushalt lebt und der Vater in einem anderen, in der vielleicht neue Part­ner anwesend oder zwei neue Familien daraus entstanden sind, gibt es fünf Seiten an Erläuterungen, wer wann wie den Familienbonus beantragen kann. Ist es der Partner des Vaters, die Partnerin der Mutter, wenn sich da vielleicht etwas in der Neigung verändert hat?

Das alles ist darin abgebildet, aber entscheiden soll es dann am Schluss – ja, wer denn eigentlich? Es soll ja automatisch in Zwölfteln durch das Gehalt ausbezahlt werden. Das heißt, der Unternehmer, die Unternehmerin muss dann in irgendeiner Form prü­fen, wer die Angaben mit welcher Richtigkeit überhaupt gemacht hat. Das erscheint uns als ein Riesenmonstrum der Administration, und es ist durch diesen Entwurf nicht ausreichend beantwortet.

Darüber hinaus – und das ist ein ganz wichtiger Punkt – hat man aufgrund der Kritik, dass bestimmte Gruppen weniger stark davon profitieren, weitere Lösungsstränge ein­gebaut, die ursprünglich nicht geplant waren. Wenn man keine Steuer zahlt, wird man nicht entlastet, sondern bekommt eine Negativsteuer. Diese ist dann aber wieder an Bildungsausgaben für die Kinder gebunden. Wir halten es für sehr richtig, dass solche Ausgaben auch gefördert werden, allerdings ist es, sobald man dieses Element ein­baut, im Geiste keine Steuerentlastung mehr, sondern eine Sozialleistung. Die Sozial­leistung fällt beim europäischen Recht aber in die Koordinierung – nicht in die Harmo­nisierung, aber in die Koordinierung –, und es gibt eine große Anzahl von europäischen Rechtsprechungen, die besagen, dass das nicht im nationalen Alleingang passieren darf. Genau das machen wir aber.

Damit komme ich zum nächsten Punkt in der Familienpolitik, der Familienbeihilfe; da verhält es sich genauso. Die europäische Rechtsprechung ist da sehr klar: Ein Uni­onsbürger, eine Unionsbürgerin darf durch eine Sozialleistung nicht diskriminiert wer­den, was bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ArbeitnehmerInnen – die es mehrheitlich betrifft – der Fall wäre, da diese in Österreich anders behandelt werden, je nachdem, wo deren Kind den Wohnsitz hat. Warum ist das so? (Zwischenruf des Abg. Sieber.) – Das ist aus einem einfachen Grund so: weil es um eine Verteilung zwischen jenen Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht, die ein Kind haben, und jenen, die keines haben. Das war die Idee, und die Belastung – das ist für mich sehr spannend – führt zu einem Risiko, das nirgends budgetiert ist.

Dabei möchte ich es auch nicht bewenden lassen. Es gibt drei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit es, wenn eine nationale Gesetzgebung zum Nachteil einer Einzelperson ist, tatsächlich zu einer Haftung für den Schaden durch die Republik kommt.

Der erste Punkt ist: Die verletzte Rechtsnorm muss dem Einzelnen ein Recht verlei­hen. Das sind in diesem Fall die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen aufgrund der ArbeiterInneneigenschaft. Das Zweite ist: Der Verstoß gegen das Ge­meinschaftsrecht muss hinreichend qualifiziert sein – auch dieser ist übrigens gege­ben. Der dritte Punkt ist das Erfordernis eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den Betroffenen entstandenen Schaden. Dieser ist übrigens auch gegeben, gerade bei Menschen, die Kinder im Ausland haben; dort entstehen nämlich höhere Betreuungs­kosten durch die Abwesenheit. Es gibt dazu vom Europäischen Gerichtshof zum Bei­spiel eine Rechtsprechung zu Test Claimants, das ist die Nummer C-446/04 – für die Familienministerin zum Nachschlagen.

Es gibt ausreichend Rechtsprechung, es gibt ausreichend Kenntnis, es besser zu ma­chen – all das haben Sie in Ihren Vorbereitungen ignoriert. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

17.59

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Edith Mühlberghu­ber. – Bitte.