13.02

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hauses! Ich möchte den Fokus ein bisschen auf den Pflegeregress richten.

Ich möchte einleitend zwei statistische Zahlen heranziehen: einerseits die Entwicklung in Europa. In Europa leben heute 7 Prozent der Weltbevölkerung, wir leisten 25 Pro­zent der weltweiten Produktion und 50 Prozent der weltweiten Sozialleistungen; wenn wir uns andererseits aber die demografische Entwicklung in Österreich anschauen, dann wissen wir, dass zum Beispiel im Jahre 2020 in Wien mehr als 500 000 Men­schen leben werden, die über 60 Jahre alt sein werden, in Österreich werden es über zwei Millionen Menschen sein.

Es ist zwar löblich – Kollege Wöginger hat gesagt: schlechtes Gesetz –, dass wir die­sen Pflegeregress abgeschafft haben, aber wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus, die Begleitmaßnahmen nicht setzen werden, dann werden wir das in den Medien lesen können, was die Arbeiterkammer in Wien und auch in anderen Bundes­ländern bereits postuliert: dass wir mit 100 Millionen Euro nicht einmal im Ansatz aus­kommen werden, um diesen Pflegeregress zu finanzieren. Die Kostenschätzungen da­für belaufen sich auf 600, 700 vielleicht sogar auf 800 Millionen Euro.

Ich möchte meiner Ministerin nicht mitteilen müssen, dass wir Anpassungen im So­zialbudget vornehmen müssen und ich will es auch nicht meinem Finanzminister anlas­ten, die zusätzlichen Finanzierungen aufzustellen, sondern wir werden darüber nach­denken und damit beginnen müssen, dieses Pflegesystem zu finanzieren.

Das ist halt dann so: Wie man auch eine Stiege von oben nach unten wischt, so wird man im Ministerium damit beginnen müssen, die gesetzlichen Regelungen dafür zu schaffen, aber auch die Länder müssen dabei mitziehen. Wenn es irgendwelche Re­bellen unter den Landesfürsten geben wird, die sich dann wieder querlegen werden, dann werden wir in diesem System nicht weiterkommen.

Ich kann mich erinnern – weil ich selbst Sozialreferent des Landes Kärnten war (Zwi­schenruf des Abg. Noll–, wie oft wir blockiert wurden, es ist immer an der Finanzie­rungsfrage gescheitert. Das allein ist aber nicht der entscheidende Grund, sondern auch die Frage der Ausbildung, die parallel dazu geregelt werden muss.

Fragen Sie einmal eine Krankenschwester, die heute in einem Pflegeheim ihren Dienst macht, welche Aufgabenbereiche sie hat! 50 Prozent ihrer Arbeit sind Dokumentation, 20 Prozent ihrer Arbeitszeit sitzt sie am Abend beim Einschachteln der Medikamente für die alten Menschen und 30 Prozent ihrer Arbeitszeit übt sie ihre Pflegetätigkeit aus.

Wenn das die Verantwortung ist, die eine ausgebildete Krankenschwester heute hat, dann haben wir ein falsches System. Die Deutschen zeigen uns seit über 15 Jahren vor, dass man Medikamente verblistern kann. (Abg. Loacker: Gibt es in Österreich auch!) Die Schweden haben es schon längst eingeführt und sich mittlerweile über 300 Millionen Euro nur mit diesem System erspart.

Berliner oder Dresdner Pflegeheime zeigen vor, wie man heute mit einfachen Doku­mentationsformen in der Pflege arbeiten kann. Wir müssen auch beginnen, darüber nachzudenken, wie sich die Ausbildung verändern muss, welche Aufgaben diplomierte Krankenschwestern oder pflegende Angehörige haben können.

Wir müssen auch einen Schritt weiterdenken. Wir reden immer über neue Lehr- und Pflegeberufe, aber die Schweizer praktizieren es uns vor. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Dort gibt es seit zehn Jahren eine Pflegelehre für junge Menschen, dort hat man ihnen einen neuen Pfad ermöglicht, den sie gegangen sind. – Das ist der eine Bereich.

Der zweite Bereich: Wir werden Vorsorge dafür treffen müssen, dass alte Menschen in Wien oder in allen anderen Bundesländern nicht nur ins Pflegeheim gesteckt werden – damit ist die Geschichte gegessen, dort sollen sie einsam ihre letzten Tage verbrin­gen –, sondern wir werden auch anders vorgehen müssen, das heißt, zu Hause die Versorgung ermöglichen.

Ich war seinerzeit ganz stolz darauf, wie auch der Rudi Hundstorfer und alle, die jedes Jahr im Forum Alpbach sitzen, als die große Diskussion losgetreten wurde, über Ambient Assisted Living. Alle waren begeistert, keiner hat gewusst hat, worum es geht, bis man irgendwann probiert hat, sich in anderen Ländern Rat zu suchen.

In Amsterdam werden derzeit 2 000 Wohnungen für alte Menschen vernetzt. Die Schot­ten haben 1999 schon begonnen, die Pflege zu Hause anzuwenden. Wir berufen uns heute noch immer auf dieses System, alle in die Pflegeheime zu stecken. Wir werden Untergliederungen des mobilen Dienstes, der heute daheim versorgt, machen müssen. Wir werden die Möglichkeit schaffen müssen, dass niedrige Pflegestufen, nicht im Pfle­geheim, sondern in den alternativen Lebensräumen versorgt werden. Das sind unsere Kernaufgabengebiete, die wir lösen werden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir diesen Ansatz schaffen, dann werden wir die künftigen Sozialbudgets entlas­ten können. Sie wissen es, das Sozialbudget ist ein riesiger Tanker, probieren Sie, es einmal zu korrigieren, 1 Grad nach links und 1 Grad nach rechts. Das ist diese Aufga­be, die wir gemeinsam zu lösen haben.

Da kann man nur der Frau Minister alles Gute wünschen und sie unterstützen, damit sie diesen Weg auch mit uns gemeinsam geht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.07

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kolba. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Belakowitsch: Wo sind die Baldrian?)