16.07

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Kollege Kopf – jetzt ist er gerade nicht da –, ich muss Sie leider korrigieren: Die Steuereinnahmen steigen natürlich, heuer gegenüber dem Vorjahr und im nächsten Jahr gegenüber dem heurigen Jahr. Das ist doch ganz normal. Was aber sinkt, ist die Abgabenquote, und um diese Abgabenquote geht es der Regierung so sehr. Sie will diese bekanntlich auf unter 40 Prozent des BIP senken, das ist ihr großes Ziel. Sie schaut weniger, welche gesamtgesellschaftlichen, gesamtwirtschaftlichen, gesamtso­zialen, gesamtverteilungspolitischen Ziele erreicht werden sollen, aber Hauptsache, die Abgabenquote sinkt. Sie interessiert sich auch wenig dafür, wer eigentlich wie viel an Steuern zahlt. Und das, finde ich, ist ja die interessante Frage.

Ich will daher hier heute diese Gelegenheit abschließend nützen, um mich mit der Un­tergliederung 16 ein wenig im Hinblick auf Fragen der Verteilungs- und Steuergerech­tigkeit zu befassen. Das interessiert doch die Menschen: Wer zahlt wie viel an Steu­ern?

Steuern zahlt niemand gern, aber es kommt immer darauf an: Wofür zahlt man sie?, und: Wer zahlt wie viel? Sind es die Bezieher der hohen Einkommen, die viel Steuern zahlen, oder sind es jene mit den niedrigen Einkommen?

So, was hat nun diese Regierung an Maßnahmen gesetzt? – Nehmen wir das Beispiel des Familienbonus Plus her: 1,5 Milliarden Euro werden da an die Steuerpflichtigen mit Kindern sozusagen ausgeschüttet. Wenn wir die verteilungspolitischen Wirkungen an­schauen, dann sehen wir natürlich, dass – und das habe ich schon vorgestern ausge­führt – die Leistungsträger entlastet werden, also hauptsächlich jene, die Lohn- und Einkommensteuer zahlen. Diejenigen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, werden mit Kleinigkeiten in der Größenordnung von maximal 250 Euro pro Kind pro Jahr abgespeist; jene, die Lohn- und Einkommensteuer zahlen, kriegen bis zu sechs­mal so viel.

Jetzt frage ich mich vor dem Hintergrund der Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit: Ist das gerecht, Herr Finanzminister? – Ich würde glauben, nein. (Ruf bei der FPÖ: Das ist schon gerecht!) Ist es gerecht, Herr Kollege (Ruf bei der FPÖ: Freilich! Das ist endlich gerecht!), dass die Frauen nur ein Viertel von diesen 1 500 Millionen Euro bekommen, die Männer aber drei Viertel, obwohl die Frauen die Erziehungsarbeit für diese Kinder leisten, um die es eigentlich geht? Ist das gendergerecht? – Natürlich nein (Ruf bei der FPÖ: Pfeif auf gendergerecht!), das ist nicht gendergerecht. Und ist es gerecht, wenn wir in Österreich eine Gesamtabgabenbelastung haben, die für Bezieher hoher Ein­kommen nur unmerklich höher ist als für das untere Einkommensdrittel, also für Men­schen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen? – Natürlich ist das nicht gerecht, und es widerspricht auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip.

Jetzt sagt der Herr Bundeskanzler immer wieder: Na ja, für diejenigen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, haben wir ja ein besonderes Zuckerl parat: Wir senken die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Jetzt wissen wir aber, dass diejenigen, die bis zu 1 381 Euro brutto monatlich verdie­nen, schon vor dem Beschluss dieser Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge keine bezahlt haben. Also das, was der Herr Bundeskanzler uns hier in diesem Hohen Haus und den Menschen vor den Fernsehschirmen und sonst wo erzählt, ist schlicht­weg falsch. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Gödl: Das ist ja nicht wahr!)

Es ist schlichtweg falsch, aber es zeigt das Verständnis des Herrn Bundeskanzlers und dieser Bundesregierung, was sie denn unter Verteilungsgerechtigkeit verstehen. Sie nennen es im Übrigen „neue Gerechtigkeit“, zumindest in ihrem Wahlprogramm.

Na ja, und die Damen und Herren von der FPÖ haben ja offenbar ihr Interesse für den kleinen Mann längst aufgegeben, das spielt keine Rolle mehr. Jetzt sind sie an der Macht, jetzt müssen sie sich um diesen selbst nicht mehr kümmern. (Ruf bei der FPÖ: Die Leistungsträger werden wieder mehr ...!)

Was plant die Regierung noch an verteilungspolitischen Zuckerln für die Großen? – Nehmen wir das Beispiel der Senkung der Körperschaftsteuer her! Diese soll auf nicht entnommene Gewinne halbiert werden. Kosten: etwa 2 bis 3 Milliarden Euro. Wie das finanziert werden soll, darüber werde ich vielleicht noch etwas sagen, aber das ist im Wesentlichen ein Steuergeschenk an die großen Konzerne, Herr Finanzminister. Nicht die kleinen GmbHs profitieren davon! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber einer profitiert im Besonderen: Es ist der KTM-Chef Stefan Pierer, der im Wahl­kampf der ÖVP sage und schreibe 436 563 Euro für den Wahlkampf gespendet hat.

Die Regierung verspricht auch eine Senkung des Einkommensteuertarifs. Aber auch dies wird dazu führen, dass nicht das untere Einkommensdrittel entlastet wird.

Jetzt fragt man sich natürlich: Wie soll das alles finanziert werden? Wo ist die entspre­chende Vorsorge in den Budgets und im Finanzrahmen? – Die Vorsorge ist im Wesent­lichen nicht getroffen, aber man kann sich etwa ausmalen, wohin die Reise gehen wird.

Ein Beispiel möchte ich herausgreifen: Geplant ist ja die Abschaffung der Notstands­hilfe, das heißt der direkte Übergang vom Arbeitslosengeld in die Mindestsicherung. Wenn die Vermögensanrechnung kommt, dann führt das dazu, dass mittlere Einkom­men quasi mit einer Vermögensteuer belastet werden. Das ist wirklich eine Sauerei vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die hohen Vermögen in Österreich keiner Vermö­gensbesteuerung unterworfen werden, dass die hohen Vermögen in Österreich auch keiner Erbschaftssteuer unterworfen werden. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Das führt mich zu den Schwächen des Abgabensystems: Wir haben – und da sind wir Weltmeister – eine sehr hohe Belastung des Faktors Arbeit. Vermögensbesteuerung existiert de facto nicht, im internationalen Vergleich liegen wir da ganz unten. Auch bei den Ökosteuern liegen wir im unteren Einkommensdrittel.

Ich meine, die zehn reichsten Menschen in Österreich, Herr Finanzminister – ich weiß nicht, ob Sie das wissen –, besitzen etwa so viel, wie ein Bundesbudget ausmacht, über das wir in wenigen Minuten hier eine Beschlussfassung vornehmen müssen, also rund 80 Milliarden Euro. Zehn Milliardäre besitzen so viel, wie ein Gesamtbudget des Bundes für ein Jahr ausmacht! (Abg. Noll: Leistungsträger halt, ja!)

Und Steuern zahlen sie dafür wie viel? – Vermögensteuern jedenfalls keine und Erb­schaftssteuern auch keine.

Was wir daher unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit brauchen, ist, dass wir endlich die niedrigen Einkommen entlasten müssen, finanziert aus Steuern auf Vermögen der Reichen und Superreichen in diesem Land! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber nicht über eine Senkung des Einkommensteuertarifs, Herr Finanzminister! Das funktioniert nicht. Nein, es muss über eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge geschehen. (Abg. Gödl: Die Arbeitslosenversicherungsbeiträge sind gesenkt!) – So­zialversicherungsbeiträge habe ich gesagt, wenn Sie vielleicht zugehört haben. (Ruf bei der ÖVP: Ja, das fällt schwer, das Zuhören, bei Ihnen!)

Aber auch die Klimafrage ist eine eminente verteilungspolitische Frage – viele in die­sem Saal wollen das nur nicht wahrhaben. Was wir daher brauchen, ist auch eine öko­logische, eine ökosoziale Steuerreform. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das heißt: Steuern auf fossile Energie sowie auf CO2-Emissionen auf der einen Seite – und auf der anderen Seite wieder Steuern auf Arbeit runter! Es braucht also eine Um­schichtung.

Jetzt haben sowohl Sie, Herr Finanzminister, als auch Sie, Herr Staatssekretär, aber auch die Bundesministerin Köstinger uns in Aussicht gestellt, dass es zu einer ökoso­zialen Steuerreform kommen soll.

Ich möchte daher für die Abgeordneten der FPÖ und der ÖVP die Nagelprobe machen und bringe folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ökosoziale Steuerreform“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat zum ehestmöglichen Zeitpunkt einen Gesetzesvorschlag für eine schrittweise, aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform vorzulegen, welcher vor­sieht, die Steuern auf Schadstoffe und Energieverschwendung zu erhöhen und im Ge­genzug die Abgaben auf Arbeitseinkommen für private Haushalte sowie die lohnsum­menbezogenen Abgaben für Unternehmen zu senken.“

*****

(Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn die Versprechungen, die hier dreifach von der Regierungsbank abgegeben wor­den sind, ernst gemeint sind, dann, meine Damen und Herren, erwarte ich hier in we­nigen Minuten ein Ja zu diesem Entschließungsantrag. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie, Herr Finanzminister, müssen, um Steuergerechtigkeit herzustellen, aber natürlich weitaus mehr tun – Stichwort: Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung. Es kann doch nicht sein, dass jeder kleine Buchhändler in Eisenstadt, Klagenfurt oder anderswo mehr Steuern zahlt als Amazon. Herr Finanzminister, wir brauchen nicht eine Politik für Konzerne, wir brauchen eine Steuerpolitik, die dafür sorgt, dass wir ein gerechteres Steuersystem haben und nicht den Großkonzernen die Steuerleistungen ersparen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein letzter Punkt noch: Der Ausbruch der Finanzkrise liegt nunmehr fast zehn Jahre zurück. Seit zehn Jahren warten wir in Österreich und anderswo auf eine Finanztrans­aktionssteuer. Finanztransaktionen und Vorgänge auf den Kapitalmärkten sind in Ös­terreich de facto nicht besteuert. Ich finde, es ist jetzt Zeit, Schluss zu machen damit, dass Ihnen die Finanzlobbyisten auf der Nase herumtanzen und Sie daran hindern, ei­ne Finanztransaktionssteuer zu beschließen. Herr Finanzminister, sorgen Sie in Brüs­sel dafür, dass eine Finanztransaktionssteuer zur Bekämpfung der Spekulation einge­führt wird! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sorgen Sie aber insbesondere auch auf nationaler Ebene dafür, dass wir in diesem Land ein gerechtes Steuer- und Abgabensystem haben, das diesen Namen auch ver­dient! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde

betreffend ökosoziale Steuerreform

eingebracht im Zuge der Debatte über die Tagesordnungspunkte 4-6,

zu Top 5) „Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (13 d.B.): Bun­desgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2018 (Bundes­finanzgesetz 2018 – BFG 2018) samt Anlagen (103 d.B.)“ - UG 16

Begründung

Im völkerrechtlich verbindlichen Weltklimaabkommen von Paris hat sich die Staatenge­meinschaft zu einer Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius bekannt und zu Anstrengungen verpflichtet, eine Begrenzung auf 1,5 Grad zu errei­chen. Dafür sollen die globalen Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Netto-Null betragen. Für Industriestaaten bedeutet dies eine vollständige Dekarbonisierung aller Sektoren bis spätestens 2050.

Die Ziele des Klimavertrages gilt es in Österreich durch die Schaffung entsprechender gesetzlicher sowie steuer- und abgabenpolitischer Rahmenbedingungen umzusetzen. Die Zeit drängt. Während CO2-Emissionen EU-weit seit 1990 um 24,4 Prozent zurück­gegangen sind, liegen sie in Österreich immer noch knapp über dem Stand von 1990 (Europäische Umweltagentur, GHG-Emissions in the European Union, Trends and Projections, 2016). Im internationalen Vergleich sind die umweltbezogenen Abgaben in Österreich zudem besonders niedrig – sie liegen im unteren Drittel. Gleichzeitig liegt Österreich bei den Abgaben auf Arbeit im Spitzenfeld.

Eine aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform ist eine Antwort auf den Klima­wandel, auf die im internationalen Vergleich hohe Steuerbelastung von Arbeits- und Erwerbseinkommen sowie auf die noch immer hohe Arbeitslosigkeit. Sie ist ein be­deutender Hebel zur Umsteuerung der Wirtschaft, führt über die neu gesetzten Anreize zur Verhaltensänderungen der privaten Haushalte und ist damit ein wichtiger Motor für die Energiewende. Ökosoziales Umsteuern bedeutet, das Verursachen von Emissio­nen und somit die Nutzung emissionsreicher Energieträger mit höheren Steuern zu be­legen und im Gegenzug lohnsummenbezogene Abgaben für Unternehmen sowie die Sozialversicherungsbeiträge privater Haushalte zu senken. Ein solches ökosoziales Umsteuern generiert nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung und trägt somit auch zur Senkung der Arbeitslosigkeit bei.

Während die Belastung des Faktors Arbeit in Österreich zu hoch belastet ist, werden Schadstoffverursacher und Ressourcenverschwender nur auf niedrigem Niveau be­steuert. Eine ökosoziale Steuerreform knüpft daher an den Strukturschwächen unseres Abgabensystems an. Sie muss auf mehrere Etappen, aufkommensneutral und sozial verträglich erfolgen. Ein Teil der generierten Mittel muss daher zum Ausgleich von Här­tefällen, insbesondere für PendlerInnen im ländlichen Raum, zur Verfügung gestellt werden. Einkommensschwache Haushalte sollen bevorzugt behandelt werden.

Die Ökologisierung erfolgt, indem fossile Energie aus Kohle, Öl und Gas sowie umwelt­belastende Stoffe (CO2-Emissionen) bzw. Tätigkeiten (Straßenverkehr) durch Schad­stoffsteuern verteuert werden. Im Zentrum stehen dabei die Einführung einer CO2-Steuer, eine Bemautung des nachgeordneten Straßennetzes und die Abschaffung des sogenannten Dieselprivilegs. Im Gegenzug werden die privaten Haushalte über eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, die Unternehmen über eine Senkung der lohnsummenbezogenen Abgaben entlastet. In einem ersten Schritt sollte eine ökoso­ziale Steuerreform ein Volumen von 4 Milliarden Euro aufweisen.

Im Budgetausschuss vom 5.4.2018 bekundeten sowohl Finanzminister Hartwig Löger als auch Staatssekretär Hubert Fuchs die Absicht, das österreichische Abgabensystem im Zuge der kommenden Steuerreform aufkommensneutral ökologisieren zu wollen. Anlässlich einer dringlichen Anfrage der Liste Pilz zur integrierten Klima- und Ener­giestrategie am 17.4.2018 bekräftigte auch Bundesministerin Elisabeth Köstinger den Bedarf und die Absicht für eine ökosoziale Steuerreform.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat zum ehestmöglichen Zeitpunkt einen Gesetzesvorschlag für eine schrittweise, aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform vorzulegen, welcher vor­sieht, die Steuern auf Schadstoffe und Energieverschwendung zu erhöhen und im Ge­genzug die Abgaben auf Arbeitseinkommen für private Haushalte sowie die lohnsum­menbezogenen Abgaben für Unternehmen zu senken.

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.