12.00

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Wenn man Kollegen Stefan zuhört, hat man das Gefühl, mit diesem Überwachungspaket sei alles eitel Wonne. Es ist aber leider immer noch ein tätlicher Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte der Menschen in diesem Staat und es ist ein weiterer Schritt hin zum umfassenden Überwachungsstaat. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Herr Bundesminister Kickl hat im Ausschuss darum gebeten, dass wir uns im Ton mäßigen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Kickl.) Ich fand das lustig – das haben wir ja schon geklärt –, da Sie als Oppositionspolitiker ja auch nicht so gemäßigt im Ton waren. Das Problem ist aber eigentlich ein anderes: Herr Bundesminister, ich glaube, Sie kennen den Ententest. Wenn etwas daherkommt wie eine Ente, wenn etwas quakt wie eine Ente und wenn etwas aussieht wie eine Ente, dann ist es eine Ente. (Bundesminister Kickl: Oder jemand, der als Ente verkleidet ist!)

Das Gleiche gilt für das Überwachungspaket: Wenn Sie uns ein Überwachungspaket herlegen, dann können Sie uns nicht zum Vorwurf machen, dass wir es auch als das titulieren, was es ist, nämlich ein umfassendes Überwachungspaket. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Herr Kollege Stefan, Sie haben recht, das Ganze wäre noch schlimmer gewesen, wenn die ÖVP sich komplett alleine durchgesetzt hätte. Trotzdem ist das Zitat des Herrn Bundesministers zum Bundestrojaner, als er gesagt hat, das sei ein weit über das Ziel hinausschießender Bundestrojaner, weiterhin richtig, aber heute stimmen Sie diesem über das Ziel hinausschießenden Bundestrojaner schlichtweg zu. Der Herr Bundes­minister hat auch gesagt, dass dieses Sicherheitspaket das autoritäre Denkmuster der ÖVP widerspiegelt. Mit dem heutigen Tag passt sich die FPÖ dem autoritären Denk­muster der ÖVP an und stimmt diesem Überwachungspaket schlichtweg zu. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Kollege Stefan hat vorhin gemeint, einen Bundestrojaner, so wie Sie ihn sich vorstel­len – dass er nur auf Nachrichten zugreifen kann – gibt es noch nicht. Das ist richtig, den gibt es noch nicht, und wenn Sie mit Expertinnen und Experten reden, dann sagen Ihnen alle – also alle, mit denen ich geredet habe, und ich habe mit sehr vielen ge­redet –, dass die Hoffnung auf diesen Bundestrojaner, der nur auf diese Nachrichten zugreifen kann, wie der Wunsch nach warmen Eislutschern ist. Es ist denkunmöglich, es funktioniert nicht, er muss immer auf das gesamte Gerät zugreifen und hat damit automatisch immer auch die Möglichkeit, auf alle Daten, die auf diesem Gerät sind, zuzugreifen (Abg. Plessl: Und zu verändern!), und das ist die große Gefahr an dem Ganzen. (Abg. Amon: Das wissen Sie überhaupt nicht!)

Das Problem ist, dass die Bundesregierung sich mit dem heutigen Tag von Internet­sicher­heit verabschiedet, dass wir bewusst Sicherheitslücken offenhalten wollen, dass wir genau das machen, worauf sich Kriminelle und Hacker freuen, nämlich offene Sicherheitslücken zu finden und über diese dann auch in die entsprechenden End­geräte einsteigen zu können.

Kollege Amon wird nachher sicher sagen, wenn die Sicherheitslücken da sind, sollten wir sie auch nützen. – Herr Kollege Amon, dann haben Sie erstens Ihr eigenes Regie­rungsprogramm nicht gelesen, denn da steht groß und fett drinnen (Abg. Amon: Sie werden es nicht glauben, ich habe es gelesen!): „Ziel ist die Schließung digitaler Sicherheitslücken“, und zweitens einen Denkfehler, denn wenn diese Sicherheitslücken da sind, muss unser ureigenstes Interesse sein, sie zu schließen und nicht offen­zuhalten, damit sie dann auch noch verwendet werden können. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Kollege Stefan hat angesprochen, dass man den Bundestrojaner nur bei Straftaten verwenden darf, die mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Das ist richtig, das steht im momentanen Gesetzentwurf. Sie haben aber auch Ihre Erläuterun­gen gelesen, in denen drinnen steht, wenn es dann irgendwann einmal billiger und einfacher ist, dann evaluieren wir das und schauen, dass wir die Zulässigkeitsvor­aus­setzungen hinunterschrauben. Da haben Sie jetzt schon die Ankündigung, dass das für ganz andere Dinge verwendet werden wird, und das finde ich problematisch.

Momentan kann man diese Sicherheitslücken, diesen Trojaner nur am Schwarzmarkt kaufen. Ich finde das grundsätzlich einigermaßen schwierig, mitzudenken, dass die österreichische Bundesregierung sich jetzt auf den Schwarzmarkt begibt und dort versucht, Bundestrojaner zu kaufen. (Abg. Amon: Sie haben keine Ahnung! – Abg. Steinacker: Das ist ja wirklich nicht wahr!) Die kosten auch sehr viel, und es ist, wie Kollege Stefan richtig angesprochen hat, eine Schadsoftware.

Eine solche Schadsoftware, die ursprünglich dafür gedacht war, als Bundestrojaner eingesetzt zu werden, ist die berühmte Schadsoftware WannaCry. Sie wissen, was damit passiert ist; sie hat sich quasi verselbständigt und über den gesamten Erdball hinweg Krankenhäuser lahmgelegt. (Abg. Stefan: Wie machen Sie es? Wie ist Ihre Lösung für WhatsApp?) Das sind die Mittel, mit denen Sie in Zukunft arbeiten wollen, und das ist verdammt gefährlich. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Stefan: Ja, schon, aber wie wollen Sie es lösen?)

Sie wollen darüber hinaus eine großflächige Videoüberwachung. (Abg. Stefan: Wie wollen Sie es lösen?) – Es gibt keine Lösung, Kollege Stefan, weil es technisch fak­tisch nicht möglich ist. (Abg. Stefan: Das heißt, da darf man nicht hineinschauen? – Abg. Gudenus: Freie Fahrt für Kriminelle!) Schauen Sie, Sie sind technisch wahr­scheinlich genauso unwissend wie ich – ich gebe das ja zu –, aber jeder Techniker sagt Ihnen, es ist schlichtweg nicht lösbar, und damit müssen Sie akzeptieren, dass es nicht lösbar ist. (Abg. Steinacker: Aber die Prüfungen kennst du schon?) Das, was Sie machen, ist, dass Sie auf das gesamte Gerät zugreifen und damit die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger in Gefahr bringen. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Steinacker: Selektive Wahrnehmung!)

Sie wollen darüber hinaus die großflächige Videoüberwachung von Autobahnen, den Zugriff auf die Asfinag-Kameras – da weiß ich, dass Sie das auch nicht so eng sehen –, damit können Sie Bewegungsprofile herstellen. Das ist natürlich eine unterschiedslose und verdachtsunabhängige Massenüberwachung, die schwerlich mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschen­rechte in Einklang zu bringen sein wird. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Sie hebeln mit Ihren Regelungen hier und heute das Briefgeheimnis, eines der ältesten Grundrechte in Österreich, aus. Das, was Sie Quick Freeze nennen, nämlich anlass­bezogene Datenabfragen – das ist richtig, das ist besser als die Vorratsdaten­speiche­rung –, ist deswegen auch so problematisch, und das wissen Sie natürlich, weil Sie das bei Straftaten einsetzen wollen, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht sind. Sie wissen auch, dass der Europäische Gerichtshof ganz klar gesagt hat, dass es bei Straftaten mit so geringer Strafdrohung nicht möglich sein soll, so eine Daten­abfrage durchzuführen, sondern nur bei schwerwiegenden Straftaten. Sie beschließen hier bewusst und wider besseres Wissen ein klar europarechtswidriges Gesetz.

Sie haben weiter die Lokalisierung durch die Imsi-Catcher vorgesehen; auch da wissen Sie, dass die viel, viel mehr können als das, was Sie eigentlich wollen. Man kann näm­lich in Zukunft mit diesen Imsi-Catchern (Abg. Stefan: Das kann man jetzt schon!) – ja, man kann es jetzt schon, aber nur weil man es jetzt schon kann, macht es das nicht besser – ohne richterlichen Beschluss Telefongespräche abhören. (Abg. Stefan: Jetzt regeln wir es wenigstens gesetzlich!)

Sie haben weiterhin die Registrierungspflicht für Prepaid-SIM-Karten vorgesehen und sagen, damit wollen Sie die Straftäter erwischen. Was Sie machen, ist: Sie stellen 5,1 Mil­lionen Österreicher, die so eine Prepaid-SIM haben, unter Generalverdacht und vergessen gleichzeitig, dass, wenn ein Straftäter sich eine SIM-Karte kaufen will, er ganz einfach nach Bratislava fahren und sich dort eine Prepaid-SIM-Karte kaufen kann. – Das ist Ihre Lösung, um Straftäter von Straftaten abzuhalten; das ist natürlich absurd.

Bei der ÖVP gab es ja selten Abgeordnete, die sich dafür eingesetzt haben, dass Grund- und Freiheitsrechte geschützt werden. (Abg. Amon: Genau!) Wir wissen das, Sie haben die Vorratsdatenspeicherung gerne gehabt, Sie wollen die Fluggast­daten­speicherung, Sie wollten den Zugriff aufs Kontenregister ohne richterlichen Beschluss, Sie mögen Überwachungskameras, Sie mögen den Bundestrojaner.

Es gab aber bei der ÖVP einmal liberale Einsprengsel. Sie alle kennen den ehema­ligen Justizsprecher der ÖVP Michael Ikrath. Er hat in einer Aussendung vor diesem Überwachungspaket gewarnt, er hat davon gesprochen, dass das „tiefgreifende, nicht rechtfertigbare“ Einschnitte in die Grundrechte der Bevölkerung sind, die nicht mit der Grundrechtsjudikatur von VfGH, EGMR und EuGH in Einklang stehen, und er warnt vor diesem „dramatischen Schritt vom liberalen Rechtsstaat zu einem polizeilichen Über­wachungsstaat“. – Das sagt der ehemalige Justizsprecher der ÖVP. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie waren einmal so etwas wie eine Wirt­schaftspartei, Sie waren angeblich auch einmal eine Europapartei. Jetzt sind Sie die Überwachungspartei Österreichs und haben mit der FPÖ einen willfährigen Erfüllungs­gehilfen gefunden. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Hörl: Hallo, hallo! – Abg. Haider: Weder willfährig noch Gehilfe, mein Lieber!)

Herr Bundesminister, abschließend darf ich Ihnen noch einmal ein Zitat einer Ihrer Aussagen vorlesen – Sie werden wissen, was jetzt kommt, aber es ist in der Debatte auch einigermaßen wichtig –; Sie haben über dieses Überwachungspaket gesagt: „Alles in allem erinnert dieses Paket mit seinen Überwachungsmöglichkeiten an die Phantasien von Erich Mielke, der als Minister für Staatssicherheit einer der Hauptver­antwortlichen für den Ausbau des flächendeckenden Kontroll- und Überwachungs­systems der DDR war.“ (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Ruf bei der FPÖ: Was kümmert uns das Geschwätz von gestern, hat schon Adenauer gesagt!)

Herr Bundesminister, Sie sind jetzt dafür verantwortlich, dass in Österreich diese flächendeckenden Überwachungsmöglichkeiten eingeführt werden. (Abg. Wittmann: Was der Kurz aus euch macht!) Ich sage Ihnen: Mit Erich Mielke haben Sie sich wirklich ein schlechtes Vorbild genommen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

12.08

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Werner Amon. – Bitte.