13.12

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M (PILZ): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Vertre­terInnen der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren!

Heute werden wir dem Überwachungsstaat wohl ein kleines Stückchen näher kommen. Die vielen Maßnahmen dieses Überwachungspakets, das Sie euphemistisch Sicher­heitspaket nennen, treten unsere Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen. Die Mehrheit hier im Parlament wird heute ein Gesetz beschließen, und ich bin nach einigen Rede­beiträgen davon überzeugt, dass Sie sich der Tragweite des Gesetzes in seiner Ge­samtheit nicht bewusst sind. Sie sagen, dass Sie für mehr Sicherheit sorgen wollen. Haben Sie überhaupt bereits bestehende Überwachungsmaßnahmen evalu­iert? Haben Sie denn evaluiert, was in der Vergangenheit zu mehr Sicherheit geführt hat, welche Maßnahmen zu mehr Sicherheit geführt haben und welche nicht?

Im Innenausschuss haben wir eine umfassende Evaluierung bestehender Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen gefordert, denn wir wollen genau wissen, was in der Vergangenheit funktioniert und was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat. Was die gesamte Opposition für vernünftig und für wünschenswert hält, nämlich dass unsere offene Gesellschaft und unsere Grund- und Freiheitsrechte nicht einer scheinbaren Sicherheit zum Opfer fallen, haben Sie abgelehnt.

Daran merkt man, welche Politik hier betrieben wird. Nein, Sie wollen sich nicht damit auseinandersetzen, welche Maßnahmen denn tatsächlich zu mehr Sicherheit führen und welche nicht, sondern Sie wollen einfach immer mehr und immer mehr über­wachen. Sie treten unsere ohnehin schon schwindende Privatsphäre und unsere Grund­­rechte einfach weiter mit Füßen. Ob es zu mehr Sicherheit führen wird, wissen wir nicht, oder besser gesagt: Sie wollen es nicht wissen.

Nehmen wir einmal die Registrierungspflicht für Prepaid-SIM-Karten: Wir übernehmen Gesetze, die in anderen Staaten schon längst für unbrauchbar erklärt wurden. Groß­britannien, das wahrlich nicht dafür bekannt ist, dass es sich um die Privatsphäre seiner Bürgerinnen und Bürger kümmert, hat die Registrierungspflicht für nicht ziel­führend befunden, aber wir machen es jetzt! Nicht nur, dass es nicht für mehr Auf­klärung sorgen wird, diejenigen, die nicht registrierte SIM-Karten verwenden wollen, können einfach von Wien aus 40 Minuten nach Bratislava fahren und sich eine nicht registrierungspflichtige SIM-Karte kaufen.

Meine Damen und Herren! Es ist für mich unbestritten, dass die Polizei Ermittlungs­maßnahmen gegen bestimmte Personen setzen soll und dafür auch Mittel zur Verfü­gung haben muss. Und ja, gegen jene, die im Verdacht stehen, schwere Straftaten begangen zu haben, oder schwer kriminelle oder terroristische Absichten verfolgen, muss es Maßnahmen geben. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Maßnahmen gehen aber dann zu weit, wenn sie jeden Einzelnen von uns betreffen, wenn sie in die Grundrechte jedes Einzelnen eingreifen. Warum das der Fall ist, möchte ich kurz anhand des Bundestrojaners erläutern. Sie sagen immer: Der Bun­destrojaner wird nur gegen hochkriminelle Personen eingesetzt, um WhatsApp- und Viber-Nachrichten entschlüsseln zu können. Das klingt ja schön und gut – und ja, wir brauchen eine Lösung, um verschlüsselte Nachrichten ablesen zu können –, dieser Bundestrojaner ist aber die falsche Lösung, und das wissen Sie.

Es gibt andere Möglichkeiten – reden Sie mit Expertinnen und Experten. (Abg. Stefan: Was ist die richtige? – Abg. Rosenkranz: Welche? Welche? Ich möchte es jetzt von Ihnen hören!) Warum ist der Bundestrojaner der falsche Weg? – Das möchte ich Ihnen jetzt hier erklären: Damit dieser bei Bedarf installiert werden kann, muss die Regierung Sicherheitslücken unserer Betriebssysteme kennen und diese ausnutzen. Wie schaut das dann in der Praxis aus? – Apple wird Ihnen diese Sicherheitslücken mit Sicherheit nicht zur Verfügung stellen, sondern Sie werden diese Sicherheitslücken irgendwo zukaufen müssen, sei es am Schwarzmarkt oder sonst irgendwo. (Abg. Rosenkranz: Apple verkauft am Schwarzmarkt an die Bundesregierung?) – Apple verkauft die Sicherheitslücken nicht am Schwarzmarkt, aber wenn man die Sicherheitslücken kennen muss, wird man sie irgendwo zukaufen müssen. Apple wird sie Ihnen nicht zur Verfügung stellen. (Abg. Rosenkranz: Ach so, Sie haben es gesagt!)

Um diese Sicherheitslücken zu kaufen, wird man auch einiges an Geld in die Hand nehmen müssen. Wir haben es ja heute schon gehört, dass so eine Sicherheitslücke bis zu 1 Million Euro kostet. Diese Sicherheitslücke wird von Apple ja in den nächsten zwei, drei Monaten geschlossen werden, das heißt, man wird in Zukunft weitere Sicherheitslücken kaufen müssen.

Herr Abgeordneter Amon meinte auch im Ausschuss, wenn die Sicherheitslücken den kriminellen Organisationen zur Verfügung stehen, dass diese Sicherheitslücken auch der Regierung zur Verfügung stehen müssen. Ja, aber das ist ja genau der Punkt. Wir haben ja einen Rechtsstaat. Wir haben uns für einen Rechtsstaat entschieden, damit eben der Staat nicht alles machen kann, was kriminelle Organisationen machen kön­nen. Dafür gibt es Gesetze, und der Staat kann nur anhand der Gesetze handeln. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Amon, wenn die Regierung Sicherheitslücken weiter fördert - - (Abg. Rosenkranz: Der Polizist darf aber schon die Waffe gebrauchen? – Abg. Noll: Herr Kollege Rosenkranz, lassen Sie die Kollegin ausreden! – Abg. Rosenkranz: Das ist ja nicht wahr! Ich werde mich Ihnen noch widmen!) – Ich würde sagen, dass ich nach wie vor am Wort bin. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn die Regierung weiterhin Sicherheitslücken fördert, dann freuen sich einzig und allein die Cyber­krimi­nellen, denn genau diese werden diese Lücken für ihre Machenschaften ausnützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin mit meiner Kritik nicht alleine. Nicht nur die gesamte Opposition, auch Sie, liebe FPÖ, waren bis vor einigen Monaten meiner Meinung. Sie sind und Sie waren damals gegen das Überwachungspaket. Auch die Rechtsanwälte, Ihr eigener Verfassungsdienst, Unternehmensverbände und de facto die gesamte Zivilgesellschaft teilen unsere Kritik. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher fordere ich Sie auf: Beschließen Sie dieses Überwachungspaket nicht. Entschei­den Sie sich heute im Hohen Haus für die Freiheit und für die offene Gesellschaft, in der wir leben wollen! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.18

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Mahrer. – Bitte, Herr Abgeordneter.