Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend „Rettung für das Weltkulturerbe?“ (716/J)

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 716/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich die Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Es hat schon merkwürdig begonnen. 2008 wurde das Grundstück am Wiener Heu­markt – heftig kritisiert vom Rechnungshof – weit unter seinem Marktwert verkauft.

Dann wurde im Jahr 2012 bekannt, dass der Investor Michael Tojner auf diesem Grundstück im Kerngebiet des Weltkulturerbes ein Hochhaus für Luxuswohnungen bauen will. Das war zu diesem Zeitpunkt unmöglich. Also hat ihm der Wiener Gemein­derat die Fläche einfach umgewidmet. Im Jahr 2020 soll mit dem Bau von zwei Hochhäusern, eines davon 66 Meter hoch, begonnen werden.

Die UNESCO hat von Beginn an das Vorhaben als inakzeptablen Eingriff in die historisch gewachsene Struktur der Altstadt abgelehnt. Vor einem Jahr – im Juli 2017 – hat die UNESCO das historische Zentrum der Stadt Wien deshalb auf die Rote Liste des gefährdeten Weltkulturerbes gesetzt und Österreich eine Frist zur Stellungnahme im Rahmen eines Reports bis 1. Februar 2018 eingeräumt.

Inhaltlich sollte dieser Report auf folgende Kritikpunkte der UNESCO eingehen:

·         Unzureichender Schutz des Welterbes in den Planungsinstrumenten der Stadt Wien

·         Höhe und Volumen des Bauprojekts am Heumarkt in der Kernzone des Welt­erbes

·         Unzureichende Informationen zum Zubau des Wien-Museums / Aufstockung des Winterthur-Gebäudes und deren Welterbeverträglichkeit am Karlsplatz

Aufgrund dieses eingeforderten Reports und der Vorhaben Österreichs bezüglich der Kritikpunkte entscheidet die UNESCO in der nächsten Komiteesitzung Ende Juni 2018 über einen allfälligen Verlust des Weltkulturerbetitels.

Nun hat sich die neue Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm zum Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes bekannt:

"[...] Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes in Österreich als wichtigen Anzie­hungs­punkt für Touristen aus dem In- und Ausland [...] Überprüfung der Eingriffsmöglichkeit des Bundes in die Bau- bzw. Raumordnung zur Einhaltung völkerrechtsverbindlicher Staatsverträge."

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kulturminister Gernot Blümel erklärte Vizekanzler Heinz-Christian Strache: „Die Regierung werde nun alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Welterbestatus zu erhalten“. [...] Die Bundesregierung werde „sämtliche rechtliche Schritte“, etwa den Gang zum Verfassungsgerichtshof, prüfen.1

In seinem Report vom 31.1.2018 beantwortete das Bundeskanzleramt die Kritikpunkte der UNESCO aber leider unzureichend. Ein Workshop im März 2018, eine Welt­erbe­verträglichkeitsprüfung im Sommer 2018 sowie eine Joint Mission im September 2018 werden niemanden in der UNESCO beeindrucken. Solange sich am Status Quo der kritisierten Bauvorhaben nichts ändert, könnte die Weltorganisation bereits im Juli 2018 bei ihrer nächsten Sitzung dem Zentrum Wiens den Welterbestatus entziehen. Für den Herbst 2018 geplante Aktivitäten der Bundesregierung kämen zu spät. Die UNESCO reagierte auf den Report des Bundeskanzleramtes daher verhalten. Ein bloßes Be­kenntnis der Republik Österreich zur Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen gegen­über der UNESCO sei richtig und wichtig, würde aber nicht ausreichen.

Eine von dem mit der Sach- und Rechtslage vertrauten Rechtswissenschafter Helmut Hofmann verfasste Untersuchung geht davon aus, dass die Leitbilder der Stadt Wien (Masterplan Glacis und Hochhauskonzept 2002) völkerrechtliche Verbindlichkeit gegen­über den Vertragsstaaten der Welterbe-Konvention entfalten und damit nicht bloß in­ner­staatliche Absichtserklärungen ohne Verbindlichkeit sind:

„Das erstmals im Jahr 2002 vom Wiener Gemeinderat verabschiedete Hochhaus­konzept ist nämlich nicht nur eine innerstaatlich unverbindliche Absichtserklärung. Es ist ein nicht unwesentlicher Teil jener Berichte, die im Sinne des Art. 29 des Welterbe-Übereinkommens der Generalkonferenz der UNESCO verpflichtend vorzulegen sind.“

Diese Selbstverpflichtung gegenüber den Vertragsstaaten könne später nicht rechts­wirksam durch eine anderslautende Erklärung widerrufen werden. Das bedeutet, dass der im neuen Hochhauskonzept von 2014 einseitig erklärte und grob irreführend darge­stellte Wegfall des Ausschlusses von Hochhausbauten in der Welterbe-Kernzone eine „Vertragsverletzung gegenüber den Vertragspartnern darstellt und mangels Zustim­mung derselben ihnen gegenüber auch keine Rechtskraft erlangen kann."

Darüber hinaus stellt die Untersuchung fest, dass die Welterbe-Konvention durch das am 18. März 1993 in Kraft getretene BGBl. Nr. 60/1993 Teil der nationalen Rechts­ordnung wurde und deshalb sowohl Bund als auch Länder gemäß dem Legalitäts­prinzip nach Art. 18 B-VG an diese gebunden seien. Der zuständige Bundesminister ist im Rahmen seiner Ministerverantwortlichkeit auch für die Durchsetzung völkerrecht­licher Verträge mit verantwortlich.

Darüber hinaus verpflichtet Art. 16 Abs. 4 B-VG die Länder zur Änderung oder Ergän­zung verbindlicher Normen, die der Durchführung des Welterbe-Übereinkommens ent­ge­genstehen können. Art. 16 Abs. 4 B-VG normiert ausdrücklich den Übergang der Zuständigkeit für solche Maßnahmen (einschließlich der Erlassung allenfalls notwen­diger Gesetze) auf den Bund, solange ein Land die erforderlichen Maßnahmen nicht selbst getroffen hat.

Zusätzlich verweist Prof. Theo Öhlinger2 auf den Artikel 16 Abs. 5 B-VG, zweiter Satz: „Hiebei stehen dem Bund die gleichen Rechte gegenüber den Ländern zu wie bei den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung (Art. 102).“ Dies inkludiere auch ein Weisungsrecht. „Dem Bund kommt hinsichtlich dieser Verpflichtung der Länder ein Aufsichtsrecht zu, das auch die Erteilung von Weisungen an den Landeshauptmann einschließt.

Die Möglichkeit einer Weisung wäre ein kräftiges und praktikables Instrument, wenn die Bundesregierung ernsthaft ihre Ankündigung verwirklichen wolle, das Weltkultur­erbe zu schützen.

Im Übrigen steht der Bundesregierung auch selbst der Weg zum Verfassungs­gerichts­hof offen, wo sie die Verordnung des Flächenwidmungsplans gem. Art. 139 B-VG aufgrund deren Rechtswidrigkeit bekämpfen könnte und nach Ansicht einiger Experten sogar muss. Die Bundesregierung kann ungeachtet der oben genannten Normen einen Antrag auf Aufhebung einer Verordnung beim VfGH stellen, da der Flächenwid­mungs­plan gegen § 1 Abs. 2, Z. 14 der Wiener Bauordnung verstößt. Das in dieser Geset­zesstelle erforderliche „in seinem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdige Stadt­bild“ ist auf Grundlage des UNESCO Weltkulturerbe-Status zweifellos gegeben.

Daher stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgende

Anfrage

1)    Was wurde – außer den bereits öffentlich bekannten Gesprächen und geplan­ten drei Veranstaltungen (ExpertInnenworkshop im März 2018, Welterbe­ver­träg­lich­keitsprüfung im Sommer 2018 sowie UNESCO/ICOMOS Joint Mission im September 2018) – seitens der neuen Bundesregierung unternommen, um das UNESCO Weltkulturerbe für das historische Zentrum der Stadt Wien zu erhalten?

2)    Welche wirkungsorientierten Aktivitäten zur Rettung des Welterbe-Titels sind über diese (in Frage 1 genannten) Veranstaltungen hinaus bis zur nächsten Sitzung des Welterbe-Komitees Ende Juni 2018 geplant?

3)    Ist es denkmöglich, dass die UNESCO, sollten die Aktivitäten der Bundes­regierung (ExpertInnen-Workshop im März 2018, Welterbeverträglich­keits­prüfung im Frühsommer 2018) bis Ende Juni 2018 keinen für ausreichend erachteten Schutz des Welterbestatus bewirken, der Stadt Wien in der nächs­ten Komitee-Sitzung den Status „Welterbe“ entzieht?

4)    Wenn ja, warum werden seitens der Bundesregierung bis zur Sitzung des Welterbe-Komitees Ende Juni 2018 keine effektiveren Maßnahmen oder Inter­ventionen gesetzt?

5)    Wie wird die Bundesregierung reagieren, falls die UNESCO dem historischen Zentrum der Stadt Wien in der nächsten Sitzung des Welterbe-Komitees den Weltkulturerbe-Status aberkennt?

6)    Am 01.02.2018 haben Sie gemeinsam mit dem Vizekanzler einen Antrag auf Verordnungs-Überprüfung des Flächenwidmungsplans am Heumarkt beim Verfassungsgerichtshof angekündigt. Was wurde aus dieser Ankündigung?

7)    Ist die Rechtsmeinung von Helmut Hofmann für Sie nachvollziehbar, dass die Leitbilder Masterplan Glacis und Hochhauskonzept 2002, soweit sie geeignet sind, den Bestand des kulturellen Welterbes von Wiens Innenstadt zu beein­flussen, völkerrechtliche Verbindlichkeit entfalten?

8)    Wenn nein, wie begründen Sie ihre Meinung?

9)    Ist die Rechtsmeinung von Helmut Hofmann für Sie nachvollziehbar, dass das Hochhauskonzept 2014 eine völkerrechtliche Verletzung des Welterbe-Übereinkommens darstellt?

10) Wenn ja, wie werden Sie auf diese Verletzung reagieren?

11) Wenn nein, wie begründen Sie ihre Meinung?

12) Ist die Rechtsmeinung von Helmut Hofmann für Sie nachvollziehbar, dass das Plandokument 7984 eine völkerrechtliche Verletzung des Welterbe-Überein­kommens darstellt?

13) Wenn ja, wie werden Sie auf diese Verletzung reagieren?

14) Wenn nein, wie begründen Sie ihre Meinung?

15) Ist die Rechtsmeinung von Helmut Hofmann für Sie nachvollziehbar, dass die Welterbe-Konvention durch das am 18. März 1993 in Kraft getretene BGBl. Nr. 60/1993 Teil der nationalen Rechtsordnung wurde und deshalb sowohl Bund als auch Länder gemäß dem Legalitätsprinzip nach Art. 18 B-VG an diese gebunden seien?

16) Wenn nein, wie begründen Sie ihre Meinung?

17) Setzen Sie gemäß Art. 16 Abs. 4 B-VG notwendige Maßnahmen an Stelle des Landes Wien, wenn dieses entsprechende Maßnahmen unterlässt, und wenn ja, wann werden Sie das tun und welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen?

18) Wenn nein, wie begründen Sie den Verzicht auf diese Maßnahmen?

19) Plant die Bundesregierung, dem Landeshauptmann von Wien eine Weisung gem. Art. 16 Abs. 5 B-VG zur Durchsetzung der nötigen Maßnahmen zum Erhalt des Welterbestatus zu erteilen?

20) Wenn ja, wann wird die Weisung erteilt und welche Maßnahmen wird sie beinhalten?

21) Wenn nein, warum nicht?

22) Da die Stadt Wien den Pressemeldungen zufolge keinerlei Anstrengungen unternimmt, um das Welterbe zu schützen: Wann sehen Sie den Zeitpunkt gekommen, über einen Dialog hinaus rechtliche Schritte zu ergreifen?

23) Die Bundesregierung kann einen Antrag auf Aufhebung einer gesetzwidrigen Verordnung beim VfGH stellen, da der Flächenwidmungsplan gegen § 1 Abs. 2, Z. 14 der Wiener Bauordnung verstößt. Werden Sie das tun und wenn ja, wann?

24) Wenn nein, warum nicht?

25) Sie haben mehrfach angekündigt, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um das Welterbe zu schützen. Haben Sie sämtliche Optionen bereits ausgeschöpft?

26) Wenn ja, was haben Sie hier konkret unternommen und was hat die Prüfung der Möglichkeiten ergeben?

27) Welche nationalen Maßnahmen zum Schutz des Welterbes in Österreich pla­nen Sie für die Zukunft, um es gegenüber allfälligen entgegengesetzten Inter­essen von Gemeinden und Ländern zu schützen?

28) Sollten manche der vorliegenden rechtlichen Fragen von Ihnen nicht abschlie­ßend beantwortet werden können: Sollten Sie dann nicht den Verfassungs­gerichtshof mit der Klärung dieser Fragen betrauen?

29) Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu vielen dieser Fragen würde auch für künftige Investitionen in die Stadtentwicklung Rechtssicherheit schaf­fen. Wollen Sie nicht auch eine ehestmögliche rechtssichere Situation herstel­len?

30) Worin unterscheidet sich Ihr Handeln in Bezug auf das Weltkulturerbe des historischen Zentrums der Stadt Wien von dem Ihres Vorgängers als Kultur­minister?

1 https://kurier.at/chronik/wien/heumarkt-projekt-regierung-kritisiert-wien/309.186.527

2 Auch in Öhlinger/Eberhard: Verfassungsrecht, Rz 16.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich erteile nun Abgeordnetem Zinggl als Erstfrage­steller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.