9.24

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Ger­not Blümel, MBA: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht zur einleitenden Debatte ein paar Worte: Es ist kritisiert worden, dass der Herr Bundeskanzler eigentlich genau das tut, was zu verabsäumen ihm vorgeworfen wurde, nämlich sich um die Vorbereitung der Präsidentschaft zu kümmern. Gerade wenn die Präsidentschaft vor der Tür steht, mit wichtigen Dossiers und Fragen – wie geht es mit der Erweiterung am Westbalkan weiter, wie wollen wir den Mehrjährigen Finanzrahmen gestalten? –, ist es für ihn wichtig, mit seinen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu treten, und genau das tut er heute. Er trifft sich mit dem serbischen Premier, er trifft sich mit dem bulgarischen Premier, also eigentlich erfüllt er all das, was Sie gerade von ihm verlangt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das aktuelle Thema ist die Frage, wie wir mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen um­gehen. Ich habe den Titel der Aktuellen Stunde jetzt nicht genau im Kopf, aber es geht in Richtung eines endlich konkreten oder zukunftsgerichteten Budgets.

Vielleicht ein paar Fakten zur Gegenüberstellung und auch zur Erklärung für die Damen und Herren, die auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen zusehen, was das EU-Budget überhaupt ist: Man kann es bis zu einem gewissen Grad natürlich mit einem nationalen Budget vergleichen, das nationale Budget ist nur wesentlich anders gelagert. Wir haben das nationale Budget gerade beschlossen, auch hier im Hohen Haus ist es beschlossen worden. Es ist für zwei Jahre verhandelt worden, insgesamt umfasst es 160 Milliarden Euro. Es ist einige Wochen lang innerhalb der Bundes­regierung verhandelt worden, es ist hier im Parlament ausführlich diskutiert worden. Es ist für circa neun Millionen Einwohner gemacht.

Das EU-Budget wird für sieben Jahre verhandelt. Es wird für 27 Staaten verhandelt. Es wird für 500 Millionen Einwohner verhandelt. Es hat über diese Periode ein Volumen von ungefähr 1 Billion Euro, und die Verhandlungsdauer war bei den vergangenen Malen circa zwei Jahre. Das europäische Budget ist also definitiv ein Mammutprojekt, das wir jetzt angehen wollen.

Es wird auch unter neuen Voraussetzungen mit neuen Herausforderungen verhandelt. Wir alle wissen, Großbritannien hat sich leider dafür entschieden, die Europäische Union zu verlassen. Damit fällt auch ein wesentlicher Einzahler in dieses Budget weg. Wir verhandeln dieses Budget auch vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen, was die Migration in Europa betrifft.

Der erste Schritt war, dass alle Länder versucht haben, auch nach außen hin eine Position zu definieren. Das haben nicht nur wir Österreicher gemacht, sondern auch viele andere Länder. Wir haben gesagt: 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens war es bisher, 1 Prozent soll es in Zukunft sein.

Die Institutionen haben sich deklariert, haben gesagt, was sie gerne hätten. Das Euro­päische Parlament hat gesagt, es hätte gerne 1,3 Prozent. Die Kommission, die den Vorschlag macht, auf dessen Basis verhandelt wird, hat ihren Vorschlag am 2. Mai präsentiert; er lautet: 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens der 27 Mitgliedstaaten soll für das künftige Budget zur Verfügung stehen, das wären nach Vorschlägen der Kommission 1 279 Milliarden Euro für diese sieben Jahre.

Der zweite Schritt – um das auch gleich zu konkretisieren – ist, dass die Vorschläge für die 37 Programme, die innerhalb dieses Gesamtbudgets angesiedelt sind, bis etwa Mitte Juni konkretisiert werden. Der dritte Schritt ist dann, dass wir mit den Verhand­lungen, mit den Gesprächen beim Europäischen Rat im Juni beginnen, wo darüber dis­kutiert wird, wie der Zeitplan aussehen soll. Die Kommission ist ja für einen sehr ambitionierten Zeitplan. Viele Länder haben gemeint, das werde man wohl nicht ganz so hinbekommen. Wir als Vorsitzland wollen uns bemühen, die Verhandlungen mög­lichst rasch und ambitioniert zu gestalten.

Wir haben die österreichische Position, die Position dieser Bundesregierung, was die­sen Mehrjährigen Finanzrahmen betrifft, mit Bedacht gewählt. Wir haben gesagt, 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens muss reichen. Wir sind dafür kritisiert wor­den, auch von der Opposition, wir haben aber letztendlich vorgestern im Rat für Allge­meine Angelegenheiten sehr, sehr viel Zuspruch für diese Position erfahren.

Natürlich gibt es neue Herausforderungen. Natürlich wollen wir auch da mehr Geld haben, wo Europa mehr tun soll, wie beispielsweise beim Außengrenzschutz. Wie in Österreich sind wir aber auch auf europäischer Ebene der Meinung, dass wir im System sparen sollten und nicht bei den Menschen, dass wir den Entfall, den der Austritt Großbritanniens mit sich bringt, nicht durch neues Geld von den Mitglied­staaten, sondern durch Einsparungen im System kompensieren wollen. Genau für diese Position haben wir im Rat für Allgemeine Angelegenheiten sehr, sehr viel Zu­spruch erfahren, lassen Sie sich das sagen! Die Diskussion war öffentlich, viele haben uns unterstützt, die Niederlande, Schweden, Dänemark, Finnland und auch Deutsch­land haben gemeint, 1 Prozent sei wohl eine gute Ausgangslage. Wir haben viel Zu­spruch erfahren, es war die richtige Entscheidung, diese Position zu beziehen, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist auch keine Überraschung für die Kommission gewesen, weil wir eben rechtzeitig klargemacht haben, wofür wir stehen. Der vorgelegte Entwurf der Kommission ist für uns so noch nicht akzeptabel. Herr Kommissar Oettinger hat auch gemeint, er sei über unsere Äußerung nicht überrascht gewesen, er habe erwartet, dass das so sein wird. Natürlich, wie gesagt: Die Kommission hat vorgeschlagen, mehr auszugeben, als wir vorgeschlagen haben. Es gibt einige Bereiche, mit denen wir ein großes Problem haben; ich komme dann gleich zu den konkreten Änderungsvorschlägen, die wir hätten.

Natürlich gibt es auch Gutes; beispielsweise ist im Bereich IV. Migration and Border Management eine Steigerung um fast 200 Prozent vorgesehen. Das ist genau das, was wir auch gesagt haben: Der Außengrenzschutz braucht eine Aufwertung, und 35 Milliarden Euro und die angekündigten circa 10 000 Grenzschützer sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Bei anderen Bereichen sind wir nicht einverstanden, beispielsweise gibt es im Bereich VII. European Public Administration, also öffentliche Verwaltung in Europa, eine Steigerung um über 20 Prozent auf 85 Milliarden Euro. Damit sind wir nicht einver­standen, denn wir sagen, Sparen im System ist auch auf europäischer Ebene not­wen­dig. Wir haben das in Österreich gemacht, wir verlangen das auch von jeder anderen Einheit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Abgeordnete Gamon hat eingefordert, dass wir konkrete Vorschläge auf den Tisch legen, wofür wir jetzt genau stehen. Ich mache das sehr, sehr gerne. Beispiel Sparen im System, bei der europäischen Administration – ganz konkret –: keine Stei­ge­rung. Das würde einiges an Ersparnissen bringen, das ist ein konkreter Vorschlag. Wir haben in Österreich gesagt, dass nur jede dritte Planstelle nachbesetzt werden soll. Warum nicht Ähnliches auch auf europäischer Ebene umsetzen? (Abg. Plessl: Reden Sie mit ...! ... kann das gar nicht!) Warum nicht auch die Zahl der Kommissare reduzieren? Wir sagen schon lange, es ist nicht mehr notwendig, dass jedes Land einen Kommissar hat. (Abg. Gamon: Verzichten wir als Erste?) Wenn wir das ver­schlanken könnten, könnten wir einiges dazu beitragen, dass in der Administration nicht so viel Geld ausgegeben wird. Das ist ein ganz konkreter Vorschlag, der hier auf den Tisch gelegt wird, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Wir reden ständig davon, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze reduziert, denn es gibt repetitive Vorgänge, die künftig von Maschinen, von Software erledigt werden könnten. Ich weiß nicht, wer von Ihnen noch regelmäßig in eine Bankfiliale geht; das kommt nicht mehr so oft vor wie früher, wir haben alle E-Banking am Handy. Das reduziert natürlich die Personalkosten der Banken. Dieses Prinzip könnte auch in der europäischen Administration und in der nationalen Administration angewandt werden, da könnte durch die Digitalisierung Einsparungspotenzial gehoben werden.

Oder Kohäsion: Wir sind natürlich dafür, dass die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb der europäischen Union ausgeglichen werden müssen. Das ist vollkommen klar, wir profitieren auch davon, aber man kann auch da effizienter vor­gehen, indem man beispielsweise bei den Eigenmittelbeiträgen, die kofinanziert wer­den müssen, ein wenig in die Höhe geht. Das hätte den Effekt, dass es effizienter wird, dass man sich genauer überlegt, für welche Projekte man sich bewirbt, und das würde natürlich großes Einsparungspotenzial bedeuten. Auch das ist ein ganz konkreter Vorschlag, wie Sie ihn haben wollten.

Der Agrarbereich ist auch angesprochen worden: Da ist es uns ganz wichtig, auch darauf Wert zu legen, was seitens der Europäischen Kommission immer wieder gesagt wird, nämlich dass es um einen konkreten Mehrwert gehen muss. Wir wollen diesen Mehrwert. Dieser Mehrwert besteht aber nicht darin, große internationale Agrarkon­zerne zu fördern. Nehmen wir zum Beispiel RWE mit einem Umsatzvolumen von – ich habe mir das genau herausgesucht – 45 Milliarden Euro. RWE hat 2016 Direktzah­lun­gen in Höhe von einer halben Million Euro bekommen. Das ist nicht das, was wir unter Mehrwert verstehen, der durch die erste Säule, Agrarpolitik entstehen soll! Wenn es aber darum geht, die bäuerlichen Familienbetriebe, vor allem im Bergbauernbereich, im Rahmen der ländlichen Entwicklung zu stärken, ist Mehrwert gegeben. Da gibt es konkrete Beispiele, wo mit wenig Geld viel erreicht werden kann, wo sich bäuerliche Familienbetriebe ein zusätzliches Einkommen erarbeiten können. Dadurch wird die Landschaftspflege erhalten, was wieder großen Mehrwert für den Tourismus bringt. Da sehen wir den Mehrwert und da darf natürlich nicht gekürzt werden, denn das ist genau der Mehrwert, den wir in Europa brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der Außengrenzschutz muss gestärkt werden, dafür sind wir zu 100 Prozent, das habe ich schon gesagt. Da sehen wir auch im Kommissionsvorschlag einen Schritt in die richtige Richtung. Betreffend die Regelung für Migrationsfragen muss auch eine Lösung gefunden werden, auch das darf mehr Geld kosten. Als ehemaliger Erasmus­student freue ich mich auch darüber, dass im Erasmusbereich mehr Geld da ist. Gerade dieser Austausch junger Menschen innerhalb Europas muss gefördert werden. Das sind alles Bereiche, wo wir sagen: Ja, wir sind dafür, da soll auch mehr Geld in die Hand genommen werden!

Die Rolle des österreichischen Vorsitzes wird es sein, dass wir einen Ausgleich zwi­schen den Verhandlungspositionen schaffen und vermitteln wollen. Gerade deswegen war es uns wichtig, rechtzeitig vor der Ratspräsidentschaft klarzumachen, welche Po­sition Österreich betreffend den Mehrjährigen Finanzrahmen einnimmt, nämlich: 1 Pro­zent, nicht mehr, nicht weniger.

Wir wollen einen möglichst raschen Verhandlungsfortschritt. Aufgrund der Diskussion im Rat für Allgemeine Angelegenheiten bin ich mir nicht sicher, wie rasch das gehen wird. Wir stehen zur Verfügung, die Gespräche beginnen. – Vielen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Ich begrüße recht herzlich die Maturantinnen und Maturanten der HTL Krems. – Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.