10.27

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Rädler: Der Kern war gerade draußen!) Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Regierung will ja heute eigene Deutschförderklassen einführen. Ich dagegen könnte mir vorstellen, Mathematikförderklassen für die Regierung zu fordern, denn offensichtlich ortet man hier Rechenschwierigkeiten, wenn es um das EU-Budget geht. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Die Regierung möchte gerne weniger in den EU-Topf einzahlen, aber gleichzeitig mehr herausbekommen. Ja, wie soll denn das gehen, meine Damen und Herren? Können wir zaubern? (Die Abgeordneten Lugar und Neubauer: Ja!) Es wird nicht gehen, weniger zu zahlen und dabei nicht weniger zu bekommen, hat schon Jean-Claude Juncker gesagt. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Mittlerweile ist die Märchenstunde der Regierung aber eh vorbei. Sie ist wieder einigermaßen in der Realität ange­kommen und erkennt zumindest: So ganz ohne Mehrkosten wird es auch nicht gehen!

Unser Finanzminister hat das uns allen vor Kurzem endlich offen und ehrlich einge­standen. Wir wissen, dass wir mehr ins EU-Budget einzahlen werden, und das ist die Realität, die uns in den letzten Monaten schlichtweg verschwiegen wurde. Dass wir durch den Brexit einige Milliarden Euro weniger im EU-Budget haben werden, ist uns ja allen klar, ist bei uns allen mittlerweile schon angekommen. Es werden im EU-Budget um die 12 bis 14 Milliarden Euro im Jahr weniger zur Verfügung stehen.

Natürlich wollen wir aber mehr von der EU. Die Regierung will auch mehr von der EU, und zu Recht: Die EU soll sich um die Sicherheit kümmern. Sie soll den Außengrenz­schutz übernehmen. Sie soll sich um die Asyl- und Migrationspolitik kümmern. Sie soll die Integration von Südosteuropa fördern, bevor andere Länder wie Russland oder die Türkei ihren Einfluss ausbreiten. Wir wollen ein gemeinsames und ein starkes Europa, das außenpolitisch auch eine Rolle spielt, und das erfordert ein gemeinsames und ein starkes europäisches Budget, mit dem man sich auch für diese Ziele einsetzt. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Hauser: Und wem nehmt ihr das Geld weg?)

Bei den Forderungen nach mehr Engagement der EU beim Außengrenzschutz, bei der Sicherheit und bei der Migration hat Kommissar Oettinger schon vor einigen Monaten vorgerechnet, dass ein adäquater und gut ausgestatteter EU-Außengrenzschutz mit 100 000 Beamten und nicht mit lächerlichen 10 000, wie sie jetzt veranschlagt sind, 150 Milliarden Euro kosten würde. Die Kommission hat einen sehr abgespeckten Vorschlag gemacht (Abg. Hauser: Wo wird im österreichischen Budget gespart? Wo kommt das Geld her? Wo nehmt ihr das Geld her?), einen sehr abgespeckten Vorschlag mit 10 000 Beamten; das kostet uns aber immerhin noch 35 Milliarden Euro, die wir zusätzlich brauchen.

Einen effektiven Außengrenzschutz hat, meine Damen und Herren – und das möchte ich an dieser Stelle schon auch festhalten –, die Kommission bereits seit 20 Jahren gefordert, und diese Forderung wurde immer wieder abgeschlagen. Der nationale Grenzschutz ist nicht nur ineffizient, er ist auch wesentlich teurer. Daher müssen wir uns dazu bekennen, das Ganze ernsthaft europäisch anzugehen. Auch eine gemein­same Asyl- und Migrationspolitik wird nun einmal teuer sein, und daher brauchen wir extra budgetäre Mittel dafür.

Wenn man, so wie diese Regierung, mehr von der Europäischen Union fordert, gleich­zeitig aber nicht wirklich viel mehr einzahlen will, dann ist die Rechnung eine ganz einfache: Ich muss, um mir Sachen leisten zu können, irgendwo sparen. Und das ist genau der Punkt. Wo will die Regierung den Sparstift ansetzen? – Bei der Verwaltung, sagt sie, man soll ja im System sparen und nicht bei den Menschen. Ihre Rechnung, in der Verwaltung sparen zu wollen, geht sich aber nicht einmal ansatzweise aus. Die Verwaltungsausgaben machen im Jahr 6 Prozent des EU-Haushalts aus, veranschlagt sind pro Jahr 12 Milliarden Euro. Sie haben eine Summe von 85 Milliarden Euro ge­nannt, aber uns verschwiegen, dass es sich hierbei um insgesamt sieben Jahre han­delt, pro Jahr macht das 12 Milliarden Euro aus. Und gestern im EU-Hauptausschuss haben Sie, Herr Minister, noch gesagt, dass man durch die Digitalisierung eventuell auch weiter einsparen könnte. Das macht maximal 1 Prozent der Verwaltungskosten aus, das ist 1 Milliarde Euro im Jahr. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Wenn man 1 Milliarde Euro im Jahr und 12 Milliarden Euro, die uns durch den Brexit ausfallen, gegenüberstellt, dann ist das ein krasses Missverhältnis, und das heißt, wir müssen mehr einzahlen.

Die widersprüchlichen Aussagen, die wir immer wieder von unterschiedlichen Ministern hören, führen dazu, dass sich die Bevölkerung einfach nicht mehr auskennt. Klar ist eines: Wir brauchen ein starkes Europa, um für die Zukunft vorbereitet zu sein. Der proeuropäische Kurs der Regierung darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Öster­reich, als eines der wohlhabendsten Länder der EU, soll und muss eine Vorreiterrolle für ein gemeinsames und starkes Europa übernehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Scherak.)

10.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.