Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Christian Kern, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ablehnung von CETA und Konzernklagerechten“ (229/A)(E)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 229/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Das Handelsabkommen CETA ist aktuell noch nicht in Kraft. Erst wenn alle Mitglied­staaten CETA ratifiziert haben, kann das Abkommen endgültig in Kraft treten. Bis dahin werden nur jene Teile vorläufig angewendet, die in die Kompetenz der Europäischen Union fallen, also insbesondere jene Bestimmungen zu Zöllen. Der gesamte Investi­tionsschutz inkl. der Konzernklagerechte gilt jedoch erst, wenn auch Österreich und somit der Nationalrat zugestimmt hat. Denn diese Teile des Abkommens fallen aus­schließlich in die Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten. Österreich kann hier autonom entscheiden.

Noch vor der Wahl bekundete die FPÖ vehement ihre Ablehnung von CETA und Kon­zernklagerechten. Einige Beispiele:

•           "Eine Volksabstimmung über CETA ist Koalitionsbedingung." - Heinz-Christian Strache in "Österreich", September 2017.

•           „Sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen, wird der Ausbau der direkten Demokratie absolute Koalitionsvoraussetzung sein“, versicherte Hofer, „denn die Österreicher müssen über Inhalte selbst entscheiden können, wenn sie das wollen.“ – Norbert Hofer per OTS, September 2017.

•           Den Teil von CETA, der im Parlament zur Abstimmung kommt, wollen wir un­bedingt einer Volksabstimmung unterziehen, weil es hier um eine starke Ein­schrän­kung der Souveränität Österreichs geht."  - FPÖ-Abg. Harald Stefan im ORF, Novem­ber 2017.

Strache ließ sich mit seiner Ablehnung von CETA sogar plakatieren:

Für ihre Ablehnung hatte die FPÖ offenbar auch gute Gründe:

•           „Nordamerikanische Konzerne, Großbanken und Fondsgesellschaften können Österreich klagen, nur weil sie argwöhnen, dass neue Mindestlohnregelungen, Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze, Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern oder großzügige Transferleistungen der Staaten ihre Profitaussichten schmälern.“ – FPÖ-Broschüre Mai 2015.

•           „Mit CETA fallen nicht nur Zölle, sondern auch Umweltstandards und Arbeitneh­merrechte. Außerdem ist mit In-Kraft-Treten des Handelspaktes der Beschneidung der Daseinsvorsorge – wie der Privatisierung von öffentlichen Versorgungseinrichtungen im Gesundheitsbereich oder der Wasserversorgung – Tür und Tor geöffnet.“ – Norbert Hofer per OTS, Oktober 2016.

•           „Sogenannte ‚unabhängige‘ Schiedsgerichte, vor denen Konzerne ganze Staaten verklagen können, sind in dieser Form nicht zu akzeptieren! Es ist völlig un­klar, wer diese Urteile fällt und wem diese ‚Richter‘ verpflichtet sind. Wir aber wollen unseren österreichischen Rechtsstaat, der ein Pfeiler der Demokratie ist, schützen und bewahren. Daher darf eine Entscheidung darüber nur mit Volksabstimmung erfolgen.“ – HC Strache im Nationalrat, September 2017.

•           „Aber es ist ja auch kein Wunder, dass Sie sich so um CETA und TTIP sorgen. Denn diese beiden Abkommen sind klassische Produkte des Raubtierkapitalismus.“ – ebd.

•           „Internationale Investitionsgerichte bei Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochentwickelten Rechtsystemen werden abgelehnt.“ – Einheit­liche Stellungnahme der Bundesländer, Oktober 2017.

Auch 562.379 ÖsterreicherInnen haben im Zuge des Volksbegehrens „Gegen TTIP/CETA“ ihre Kritik an den Abkommen kundgetan und ein Verfassungsgesetz gefordert, das eine Genehmigung von CETA und TTIP nur auf Grundlage einer eigenen verfassungs­rechtlichen Ermächtigung erfolgen darf.

Nunmehr soll aber alles anders sein. Die FPÖ stimmte bereits im Regierungspro­gramm der Ratifikation von CETA bedingungslos zu und enttäuscht dadurch nicht nur die 562.379 UnterstützerInnen des Volksbegehrens. Sie hat geradezu kapituliert. Als Trost erhielt sie scheinbar die vorübergehende Aufhebung des Rauchverbots. Die Bedrohung durch Konzernklagen gilt mit Zustimmung der FPÖ jedoch für alle Zukunft unbefristet.

Welche Bedrohung Konzernklagen bedeuten, zeigte kürzlich die Diskussion um das Staatsziel Wirtschaft: dort warnte sogar das eigene Finanzministerium vor Konzern­klagen. Dieser Effekt wird „regulatory chill“ genannt und bedeutet, dass Konzernklagen vor allem abschreckend auf Staaten wirken sollen, bevor diese „konzernfeindliche“ Gesetzgebung zu erlassen.

Besonders pikant ist, dass im geplanten Regierungsbeschluss zu CETA offen ange­sprochen wird, dass es noch zu Nachverhandlungen bei CETA kommen könnte. Schließlich liegt CETA derzeit sowohl vor dem Europäischen Gerichtshof als auch vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht. Ergebnis in beiden Fällen völlig offen – im Gegenteil ist auf Grund eines ähnlichen EuGH-Urteils („Achmea“) sogar davon auszugehen, dass der EuGH CETA nur unter Auflagen genehmigen wird.

Mit der voreiligen und überhasteten Ratifikation durch Österreich begibt sich Schwarz-Blau daher vollständig seiner Verhandlungsposition in den bevorstehenden Nachver­handlungen. Es ist wie beim Autokauf: Die bessere Ausstattung gibt es sicher nicht mehr, wenn man den Kaufvertrag schon unterschrieben hat. Kurz und Strache wollen CETA so wie es jetzt ist und verzichten auch auf die Chance von Verbesserungen.

Derzeit liegen noch nicht einmal jene wesentlichen Verbesserungen vor, die die EU-Kommission anlässlich der Unterzeichnung zugesichert hatte: der internationale Han­dels­gerichtshof ist weiterhin in erster Linie eine Idee, bessere Garantien für die Unab­hängigkeit der Entscheidungen von CETA-Tribunalen existieren genauso wenig wie ein objektives Entlohnungsschema für Tribunalmitglieder. Schon gar nicht ist die viel gepriesene Berufungsinstanz bislang eingerichtet (eine solche existiert in anderen Handelsabkommen im Übrigen seit Jahrzehnten als bloßer Papiertiger).

Strache ist jedoch nicht der einzige, der mit dem nun unmittelbar bevorstehenden CETA-Durchwinken sein Wort bricht:

„CETA ist jetzt eh schon teilweise in Kraft getreten und dann gibt es noch den Teil der Schiedsgerichte. Da hat Belgien ja auch Einspruch erhoben beim Europäischen Ge­richts­hof. Da wird es jetzt eine Entscheidung dazu geben, die wir abwarten. Und was natürlich wichtig ist, ist, dass unser Rechtssystem nicht ausgehöhlt wird.“ – Sebastian Kurz im ORF, 28.9.2017.

Der Nationalrat soll nach dem Willen der Bundesregierung noch vor dem Sommer über CETA abstimmen. Der Nationalratspräsident macht diesem Plan in einem Interview bereits die Mauer. Umso dringender ist, dass gleichzeitig mittels eines Bun­des­verfas­sungsgesetzes (Ermächtigungsgesetz) die Möglichkeit geschaffen wird, eine verbind­liche Volksabstimmung über CETA abzuhalten. Oder die Ratifikation zumindest so lange auf Eis gelegt wird, bis Konzerne auf Grundlage von CETA nicht mehr klagen können.

Aus all diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung hat in Nachverhandlungen zu CETA zu erreichen, dass Kon­zernen keine Sonderklagerechte eingeräumt werden, oder sicherzustellen, dass die öster­reichische Ratifikation von CETA nur auf Grundlage einer Volksabstimmung vorgenommen werden kann.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem Antragstel­ler/einer Antragstellerin Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Abgeordnetem Kern als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Ge­schäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. (Ruf bei der FPÖ: Eh schon viel zu lang! – Abg. Schieder: Weil Sie die Geschäftsordnung nicht kennen!) – Bitte, Herr Klubobmann.