16.02

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Herr Nationalratspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich stehe heute selbstverständlich hier. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wurde heute schon festgehalten, gerade mir ist das Parlament – ich habe ja 13 Jahre lang auch die gelebte Oppositionserfahrung durchgemacht – besonders wichtig. Da geht es auch um Wertschätzung, und da geht es natürlich auch darum, zu seiner Position zu stehen, sie zu erklären und entsprechend darzulegen; und ich stehe zu unserer Entscheidung.

Schauen wir uns an, was sachlich heruntergebrochen in den letzten Jahren passiert ist, welche Themen wir behandelt haben und wer warum welche Positionen eingenommen hat!

Grundsätzlich ist, glaube ich, heute eines außer Streit gestellt: Freihandel ist grund­sätzlich für Österreich wichtig und von Interesse. Durch die vielen Freihandelsabkom­men, die wir in Österreich haben, ist für unser Land als Exportnation, die wir sind, natürlich ein Vorteil gegeben – für die Wirtschaft, auch für die Arbeitsplätze in diesem Land und auch für den Wohlstand, den sich dieses Land erarbeitet hat, den die Menschen erarbeitet haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Grundsätzlich wird niemand in diesem Haus gegen vernünftige und gut verhandelte Freihandelsabkommen sein. Am Beginn der Diskussion zu Ceta stand dieses noch in Verbindung mit TTIP – TTIP ist zum Glück tot (Abg. Leichtfried: Eher die Angst, dass ...!) –, und es gab vonseiten der SPÖ und der ÖVP gemeinsame Verhandlungs­schritte. Beide Abkommen standen im Raum, und damals gab es natürlich berechtigte Kritik, als es darum gegangen ist, dass gleichzeitig mit Ceta auch ein Freihandels­ab­kom­men mit den USA gekommen wäre, das man in der Form, wie es damals diskutiert wurde, nicht unterstützen konnte.

Die FPÖ hat damals als Oppositionspartei sehr klar Position bezogen und gesagt: Ja, wir wollen, bevor Teile eines Freihandelsabkommens – später war dann Ceta das Thema – in Kraft treten, eine Volksabstimmung oder eine verbindliche Volksbefra­gung! – Die wurde verwehrt, die haben Sie, Herr Kern  damals als Bundeskanzler –, und Ihr Koalitionspartner nicht gewollt. Sie haben sie abgelehnt, Sie haben sie kate­gorisch abgelehnt. Wir haben ja mehrfach auch Anträge in diese Richtung eingebracht.

In der Folge gab es dann auch eine Bundespräsidentschaftswahl, bei der am Ende zwei Präsidentschaftskandidaten in einer Stichwahl zur Wahl gestanden sind, wobei wir wissen, dass der eine ganz klar gesagt hat, wenn er Bundespräsident wird, wird er die Ratifizierung von Ceta in der Form, wie es damals vorlag, nicht unterschreiben. Der zweite Kandidat, der gewonnen hat und heute Bundespräsident ist, hat ganz klar gesagt, er wird Ceta ratifizieren. Diese Wahl war natürlich auch, wenn man so will, eine gewisse Richtungsentscheidung. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Man kann sagen: Die Letztentscheidung trifft nach wie vor der Bundespräsident, der die Möglich­keit hat, nicht zu ratifizieren. – Auch das muss man festhalten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, die beiden Abkommen Ceta und TTIP, die in Diskussion standen, sind in der damaligen Form abgelehnt. TTIP ist nicht mehr Thema. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Was die damalige Form, die massiven Verschlechterungen für die Wirtschaft, aber auch für die Konsumenten betrifft: Ja, da hat sich Wesentliches geändert. Es ist daher fast schon belustigend, wenn ich dann höre, wo das denn passiert sei und wann das passiert sei. – Na, ganz konkret: Mit der rechtlich verbindlichen Auslegungserklärung ist das passiert, die erst im Jahr 2017, nach­dem Sie, Herr Kern, mit der Vorgängerregierung den ersten Teil von Ceta in Kraft gesetzt haben, gekommen ist.

Diese ganz konkrete Auslegungserklärung beinhaltet zusammenfassend Folgendes – nämlich rechtlich verbindlich –: Unsere hohe Lebensmittelqualität bleibt erhalten. Waren, Lebensmittel, dürfen nur nach gültigen strengen österreichischen und euro­pä­ischen Regelungen eingeführt werden. – Das heißt, da gibt es ganz klare Normie­rungen, die auch festgehalten sind. Unsere strengen österreichischen Umwelt- und So­zial­standards bleiben im vollen Umfang erhalten.

Darüber hinaus: Öffentliche Dienstleistungen, die der Daseinsvorsorge dienen, Ge­sund­heit, Bildung, Wohnen, Wasserversorgung“ – das wird auch ausdrücklich zitiert –, bleiben im Entscheidungsbereich der Nationalstaaten. – Also bitte lesen und bitte auch zur Kenntnis nehmen! (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

„Verpflichtende Systeme der sozialen Sicherheit und Sozialversicherung“ sind „von dem Abkommen“ ausdrücklich „ausgenommen“. (Abg. Rossmann: Nein, stimmt nicht! – Zwischenruf der Abg. Schimanek.) – Also nicht etwas anderes behaupten, Herr Rossmann!

CETA darf „nicht dazu führen, dass ausländische gegenüber einheimischen Investoren begünstigt werden“. – Das alles wurde zum Glück in der Auslegungserklärung im Jahr 2017 verbindlich festgelegt, nachdem Herr Kern dieses Ceta-Abkommen zu einem Teil hat in Kraft treten lassen. (Abg. Kern: Herr Strache, das habe ich persönlich mit Juncker ausgemacht!) Genau darauf bezieht sich auch der EuGH, und genau das sind die gesetzlichen Definitionen, die letztlich auch in Zukunft greifen werden. (Zwischen­rufe der Abgeordneten Kassegger und Rossmann.)

Damit Unternehmen vom Abkommen profitieren, muss „eine echte Verbindung zur Wirtschaft Kanadas“ bestehen, das heißt Geschäfte durch dubiose Briefkastenfirmen sind nicht möglich, Herr Kern! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: He, super! – Abg. Wöginger: Na, gilt es jetzt oder nicht? – Abg. Schieder: Sie wissen aber schon, dass das nicht stimmt!)

Was war ein weiterer Kritikpunkt? – Ein weiterer Kritikpunkt war: Private Schieds­ge­richte sind zu befürchten. Das war ja das Hauptargument, dass private Schiedsgerichte zu befürchten sind. – Ja, Herr Kern, damit wäre aber in Wahrheit die Aushöhlung staatlicher Gerichtsbarkeit erfolgt. Nur: Diese privaten Schiedsgerichte sind endgültig abgewendet und werden nicht kommen. Und genau das nennt man Giftzähne ziehen, Herr Kern! Das sind die sachlichen Bewertungsgrundlagen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Rossmann.)

Bei der Investitionsgerichtsbarkeit wird es Berufungsmöglichkeiten und auch Verfah­renstransparenz geben. Das ist gewährleistet und das ist der internationale Standard. Da wird vom EuGH mit einem ersten Entscheid, der jetzt auch noch zusätzlich, über die innereuropäische Rechtsdefinition hinaus, von Belgien beantragt wurde, selbstver­ständlich ausdrücklich zu bestätigen sein, dass nationalstaatliches Recht nicht außer Kraft gesetzt werden kann; und genau das ist ja der gute und richtige Weg.

So gesehen ist, wenn man es sachlich bewertet, eine Entwicklung gegeben, durch die man diese deutlichen, verbesserten, klaren Rechtsauslegungen heute vorliegen hat, womit auch eine sachliche Vertretbarkeit gegeben ist.

Ja, ich sage, wir haben unsere Position für eine Volksabstimmung immer gelebt, und wir haben das auch in den Regierungsverhandlungen eingefordert. (Ruf bei der SPÖ: ... ist passiert? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und was haben wir erlebt? – Als es notwendig gewesen wäre, nämlich vor Inkrafttreten von Ceta, war man dazu nicht bereit, Kern und die abgewählte rot-schwarze Regierung waren dazu nicht bereit. Das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. (Ruf bei der SPÖ: Jetzt nicht mehr?!)

Wir haben im Nachhinein, bei den Regierungsverhandlungen versucht, das noch ein­mal einzufordern. Wir haben aber erleben müssen – das ist eben so, wenn man nicht selbst die absolute Mehrheit hat und keine Alleinregierung bilden kann (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP) –, dass der Partner, der mit uns verhandelt hat, in diesem Bereich eine klare rote Linie definiert hat. Das war eine sehr klare Position der ÖVP, dass das für sie eine rote Linie ist. In der Konsequenz bedeutet das, wenn wir auf eine Volksabstimmung bestanden hätten, dann hätten diese Verhandlungen nicht zu einem Ergebnis geführt, sondern wären abgebrochen worden, und dann gäbe es eine rot-schwarze Fortsetzung (Abg. Rosenkranz: Um Gottes willen!), Ceta wäre geblieben und Sie würden es heute so ratifizieren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Also zusammengefasst: Sie sind umge­fallen! – Abg. Rosenkranz: Das kann einer, der am Rücken liegt, gar nicht ...! – Abg. Leichtfried: Ich sitze da ganz gut!)

Seien Sie doch ehrlich, das ist doch genau die Wahrheit, die auch hinter all Ihren Hand­lungsmustern steht! Das ist genau das, was auch Ihre Zitate zeigen, Herr Kern. Sie haben am 15.9.2016 im „Standard“ gesagt, dieses Freihandelsabkommen „sei wahrscheinlich das beste, das die EU je verhandelt habe“.

Auch im „Standard“: „Kern gibt grünes Licht für Ceta: SPÖ will Handelsabkommen nicht blockieren“. Am 4. Oktober 2017 haben Sie, wie gesagt, ausdrücklich fest­gehalten: „Im Parlament gibt es momentan keine Chance, einen positiven Beschluss für dieses Freihandelsabkommen zu erreichen. Ich will verhindern, dass das Abkom­men, das für Österreich als starke Exportnation wichtig ist, durch eine Ablehnung im Nationalrat als Ganzes scheitern würde“. Da geben Sie zu: Wer A sagt, muss auch B sagen, oder man lehnt es als Ganzes ab.

Genau das zeigt, wie unehrlich Sie in der Frage vorgegangen sind. Ceta ist, wie ge­sagt, am 18.10.2016 von Ihnen bewusst besiegelt worden. Das ist die Realität, und mit der mussten wir uns als Altlast auch in den Regierungsverhandlungen auseinan­dersetzen und diesbezüglich eine Entscheidung treffen. (Zwischenruf der Abg. Ecker.) Wissen Sie, wir sind dann vor einer Entscheidung gestanden: Die Regierungsver­hand­lun­gen könnten platzen, weil die ÖVP nicht bereit ist, gemeinsam mit uns eine Volks­abstimmung sicherzustellen. (Abg. Schieder: Also Posten sind wichtiger! Na bravo! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Haider: Es war wichtiger, Rot zu verhin­dern!) Am Ende hätten wir eine Fortsetzung von Rot-Schwarz erleben müssen, Ceta wäre auch geblieben, aber die Grenzen wären nicht geschützt worden, Asylmissbrauch hätte weiterhin stattgefunden, Fehlentwicklungen in diesem Land hätten weiterhin stattgefunden. – Das ist ein Punkt, bei dem man eine Abwägung zu treffen hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schieder: So seid ihr! Posten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Lieber blaue Posten als rote Pfosten!)

Diese Abwägung haben wir getroffen. Wir haben Verantwortung für unser Heimatland Österreich übernommen, mit Abstrichen, mit Kompromissen ein Regierungsprogramm zustande gebracht (Ruf bei der SPÖ: Umgefallen! Wann ist die Abstimmung?), durch das die wesentlichen Fragen geklärt und die Fehlentwicklungen der letzten Jahre, die durch Sie entstanden sind, korrigiert werden können. (Ruf bei der SPÖ: Umfaller! – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Rot aus der Regierung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir erreichen konnten, haben wir er­reicht. Wir haben heute Verbesserungen im Vertragswerk zugunsten Österreichs (Ruf bei der SPÖ: Was denn?), die Interessen Österreichs sind gesichert, die Daseinsvor­sorge ist gesichert, der Lebensmittelbereich ist gesichert, private Schiedsgerichte kom­men als Paralleljustiz nicht infrage – und darum geht es.

Schlusssatz: Ja, ich stehe dazu, wir haben Verantwortung übernommen, und diese Ab­wägung war die richtige Entscheidung, damit es in diesem Land endlich mehr Sicher­heit, aber auch eine Entlastung der Bevölkerung im Sinne von sozialer Verantwortung gibt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schieder: ... umgefallen! – Ruf bei der FPÖ: Das ist aber schon fad! – Abg. Wöginger: Jetzt hat’s die Dringliche zerrissen!)

16.13

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte.