16.20

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Meine Damen und Herren, Hand aufs Herz: Wer hat wirklich gemerkt, ob Ceta nun in Anwendung ist oder nicht? Wenn wir eine Umfrage machen, ob Ceta, das nun seit 21.9.2017 in vorläufiger Anwendung ist, irgendetwas verändert hat, würden wahrscheinlich 99 Prozent mit Nein antworten. Genau darum geht es. Es gab zwar Veränderungen, aber wenn wir uns ehrlich sind, sind diese eigentlich nur positiv. (Beifall bei der ÖVP.)

Handelserleichterungen haben ihre Gültigkeit erreicht, Zölle und andere Handelshemmnisse wurden und werden schrittweise abgebaut. Jetzt frage ich mich: Ist das für das heimische Unternehmertum, für die heimische Wirtschaft, die 6 von 10 Euro im Export verdient, so schlecht? Jedes Prozent mehr Exportwert produziert Tausende Arbeitsplätze, und da frage ich mich: Ist das so schlecht, wenn wir Arbeitsplätze schaffen und damit unser Sozialsystem stärken?

Was ich wirklich nicht mehr hören kann, ist das Konzernbashing. Diese bösen, bösen Konzerne schaffen nämlich Arbeitsplätze, und stellen Sie sich vor, es bewerben sich sogar Leute dafür! Und stellen Sie sich vor, es gibt Leute, die gerne für sie arbeiten! Und stellen Sie sich vor, diese bösen, bösen Konzerne produzieren Produkte, die von uns gekauft werden – T-Shirts, Nike-Schuhe, iPhones! Wenn die Unternehmen nicht steuerkonform agieren, dann wird das und soll das geahndet werden, dafür setzen wir uns auch ein; aber bitte pauschalieren Sie nicht, ich kann das einfach nicht mehr hören. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Klubobmann Kern, betreffend Großsponsoren und Großkonzerne: Mir war nicht bewusst, dass Facebook, Google und so weiter unseren Bundeskanzler unterstützen, aber das ist wahrscheinlich Teil Ihrer Desinformationspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir hören immer, dass die Konzerne die großen Gewinner von Ceta sind. Ich glaube, da sprechen wir jetzt wieder über die österreichischen Großkonzerne. Es ist ja nicht so einfach, das zu differenzieren, aber die Anzahl von exportierenden Unternehmen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als vervierfacht, von 12 000 auf 56 000. Ich glaube, so viele Großkonzerne gibt es gar nicht. Das sind vor allem KMUs, die von weniger Bürokratie profitieren. Diese Regierung setzt sich für weniger Bürokratie ein, das ist nämlich in dieser Koalition möglich, aber das nur am Rande. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe die Aufregung um das ganze Abkommen sowieso nicht, ich habe sie auch nie verstanden. Wir sprechen hier von einem Abkommen, das mit einem Land abge­schlossen wird, das 36 Millionen Einwohner hat; die EU hat 511 Millionen Einwohner. Müssen wir uns da wirklich fürchten oder würde uns da nicht ein bisschen mehr Selbstbewusstsein guttun, frage ich mich. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sprechen von einem Land, in dem die Lebenserwartung höher ist als in Österreich. Glauben Sie wirklich, dass dessen Lebensmittel-, Umwelt- und Sozialstandards so schlecht sein können? Eigentlich müsste es umgekehrt sein, eigentlich müsste sich Kanada vor der EU fürchten, aber das ist nicht der Fall, denn dort läuft die Diskussion etwas ehrlicher und vernünftiger ab.

Gerade dieser letzte Punkt zeigt den Irrsinn der Diskussion und die bewusste Des­information. Woher kommt eigentlich diese Mär, dass die Standards abgesenkt wer­den? Es ist ausdrücklich festgelegt, dass Ceta keine Umwelt-, Sozial- und Lebens­mittel­standards absenkt, dass kein Druck zur weiteren Privatisierung der Daseins­vorsorge geplant ist. So ist es auch in Artikel 191 des Lissabonner Vertrags vorgesehen. Also hören Sie bitte mit dieser Angstmacherei auf! Wir können auch in Zukunft bestimmen, was auf unseren Tellern landet, Sie wissen das ganz genau. Herr Rossmann, es wäre schön, wenn Sie das auch in Zukunft so kommunizieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Herr Klubobmann Kern, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, meinten Sie, dass Sie sich dafür eingesetzt haben, dass das österreichische Parlament dem von Ihnen zugestimmten Abkommen nicht zustimmt. Zustimmt? Nicht zustimmt? – Das habe ich nicht ganz verstanden. Klar ist aber, wir haben dieses Abkommen acht Jahre lang verhandelt. Es wurde im Ministerrat einstimmig beschlossen. Alle Minister der SPÖ haben damals zugestimmt, wenn ich das richtig vernommen habe. Es gab eine Enquete, es gab unzählige Diskussionen, und diese Diskussionen waren auch gut. Was ist da überhastet? In Österreich geht alles ein bisschen langsamer, aber durch­peitschen kann man das wirklich nicht nennen. Herausgekommen ist meiner Meinung nach ein herzeigbares Abkommen, das Handel erleichtert, den kanadischen Beschaf­fungs­markt für uns öffnet – Export – und dennoch unsere Standards hochhält.

Noch einmal: Wir reden hier von einem höchst entwickelten Land. Wie moralisierend maßen wir uns an, zu sein, wenn wir Kanada zu verstehen geben, dass sein Rechts­system beziehungsweise seine Standards unterentwickelt sind?

Nun zum Investitionsschutz: Österreich hat bisher rund 60 bilaterale Investitions­schutz­abkommen abgeschlossen, und diese haben sich bewährt. Wir wurden einmal geklagt, wir wurden noch nie verurteilt. Unsere Betriebe haben aber schon 17 Mal – damals noch – Schiedsgerichte angerufen, und das waren, wenn man so möchte, die alten Investitionsschutzabkommen. Nun gibt es ein neues System, das eine öffentliche Investitionsgerichtsbarkeit mit einer Berufungsinstanz, mit Transparenz vorsieht und bei dem die Urteile von 15 öffentlich ernannten, qualifizierten Richtern gefällt werden.

Bleiben wir auch da bei der Wahrheit: Durch das jetzt vorgesehene System können Ge­setze nicht geändert werden, aber berechtigter Schadenersatz, aufgrund unrecht­mäßiger Diskriminierung, kann eingefordert werden. Wissen Sie, was das zur Folge hat? – Mit solchen Investitionsschutzabkommen zieht man ich Investitionen an und schafft Arbeitsplätze, und über das Letztere freue ich mich, ehrlich gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir im Konzert eines globalen Handelssystems und der damit verbundenen Wettbewerbsfähigkeit weiterhin eine Geige spielen möchten, dann seien Sie bitte vernünftig und hören Sie mit dieser Polemik auf! Unsere Zukunft und die unserer Kinder ist global, Abschottung hilft uns nicht. Schon Adam Smith sagte: „Je größer der Markt, desto größer der Wohlstand für alle.“

Wenn es uns als Europa nicht gelingt, durch Abkommen wie Ceta unsere hohen Standards durchzusetzen, dann werden es wohl andere Weltregionen tun, und dann ist aber klar, dass wir, unsere Unternehmen und unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, das Nachsehen haben. Es wäre schade darum. Die Volkspartei wird das definitiv nicht zulassen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haider. – Bitte.