16.34

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Kollege Haider, sehr geehrter Herr Kollege Gudenus, wollen Sie mit diesem Programm nicht gemeinsam auf Tour gehen? Es ist wirklich unterhaltsam, und ich würde sehr gerne Tickets dafür verkaufen, ich glaube, das würde gut rennen. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben jetzt den Beipackzettel, der vor eineinhalb Jahren auf dem Tisch gelegen ist, als Beweis dafür hergenommen, dass eh alles passt. Wenn ich mich recht erinnere, war das vor eineinhalb Jahren Ihr Beweis dafür, dass uns irgendetwas verheimlicht wird und es eigentlich eine große Verschwörung gibt, dass das alles überhaupt nicht so gemeint ist, wie es da drinnen steht. Man kriegt den Verdacht, dass es vielleicht gar nie so ernst gemeint war.

Ich möchte mich aber doch auf die Dringliche der SPÖ konzentrieren, und zwar hat Kollege Leichtfried in einem Antrag vom Dezember 2017 geschrieben, dass die Gefahr von Sonderklagerechten evident bleibe und diese unser Justizsystem aushöhlen würden.

Liebe SPÖ! Das ist leider purer Populismus, und es ist auch Populismus unabhängig davon, aus welcher Ecke er kommt. Die SPÖ wird sich einfach mit dem Ruf anfreun­den müssen, in ihrem Kampf gegen den Freihandel – und es ist dann doch einer – ein Fähnchen im Wind zu sein, weil der Standort den Standpunkt bestimmt. In der Op­position ist es plötzlich anders als in der Regierung, und es ist eigentlich nicht mehr zynisch und böse, zu behaupten, dass die FPÖ und die SPÖ in diesem Punkt aus­tauschbar sind. Der Begriff Sonderklagerechte ist der, der falsch und populistisch ist. Das ist eine Erfindung, ein populistisches Fantasiebild.

Ich möchte die Frage beantworten und einen Faktencheck machen, ob denn durch Ceta im vorgesehenen Investorenschutz Schiedsgerichte den Großkonzernen Sonder­klagerechte einräumen. Das kann man sich ja ganz genau anschauen, weil man, wie die FPÖ jetzt sagt, den Vertrag schon ernst nehmen und das, was drinnen steht, auch für bare Münze nehmen kann. Deshalb schauen wir uns das einmal genau an.

Es gibt mit Ceta kein klassisches Schiedsgericht mehr. Die Investorenklagen ISDS wer­den durch den Investorengerichtshof ICS ersetzt, das ist ein transparenter Prozess, das ist ein Gerichtshof, der transparent und nachvollziehbar arbeitet. Und wer weiterhin behauptet, dass es da um ISDS geht, was ja auch viele Kritiker tun, der sagt schlicht­weg die Unwahrheit; das stimmt einfach nicht. Und dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, sich durch Klagen gegen staatliche Willkür zu wehren, ist kein Sonderklagerecht, sondern ist Standard. Das sollte auch so sein, da geht es ja auch um den Schutz österreichischer Unternehmen im Ausland.

Wir sollten uns schon darüber freuen, dass wir Rechtsmittel haben, mit denen Unter­nehmer sich wehren können, wenn Staaten willkürliche Entscheidungen treffen. Das ist ja an sich etwas Gutes, würde man meinen. Die Schiedsgerichte, die in der Vergan­genheit immer kritisiert worden sind, sind aber veraltet und schon lange nicht mehr zeitgemäß. Genau das ist der Grund, warum es Ceta braucht, das ist auch der Grund, warum es den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen ständigen interna­tionalen Handelsgerichtshof braucht. Das ist ein wichtiger Schritt im Prozess zu einem wirklich globalen Handelsgericht, wo alle Verfahren transparent und fair ablaufen. Das wäre ein wahnsinniger Fortschritt für die Unternehmer, die dort hingehen wollen, auch für Klein- und Mittelbetriebe, die sich den bisherigen Prozess vor Schiedsgerichten nicht einmal leisten konnten. Das wäre ganz besonders für österreichische Unter­nehmen in der globalen Welt ein Vorteil.

Reden wir aber einmal grundsätzlich darüber, was sich denn seit 2016 und 2017 geändert hat, weil wir im Hohen Haus – zwar nicht hier, aber am Ring – öfters über das Thema Freihandel diskutieren durften! Damals wurde gerade von der FPÖ immer wieder gefragt, warum wir das überhaupt brauchen, es gibt doch schon Freihandel, warum wir noch zusätzliche Verträge brauchen, das haben wir doch schon alles.

Stellen Sie sich vor, Sie wären damals nach der TTIP-Enquete in einen Winterschlaf gefallen und würden heute aufwachen! Ihr erster Gedanke wäre wohl: Diesen Schnaps bitte nicht mehr!, denn was seitdem passiert ist, ist, dass wir in einer ganz anderen Situation sind. Im Gegensatz zu damals sitzt heute ein brandgefährlicher Narzisst im Weißen Haus, der es in dieser kurzen Zeit geschafft hat, die ganze Welt nahe an einen globalen Handelskrieg zu bringen. Die EU muss nun wirklich ernsthaft und seriös über permanente Ausnahmen von Strafzöllen verhandeln. Dass das noch möglich sein könnte, hat man sich damals überhaupt nicht vorstellen können. Wenn es gerade op­portun ist, hilft der amerikanische Präsident einem chinesischen Unternehmen, das sanktioniert worden ist, weil es wichtige Technologien an die Nordkoreaner verscher­belt hat. Mit einem Tweet kann man den Börsenkurs eines ausländischen Unterneh­mens ins Nichts schicken.

Ich glaube, in Anbetracht dessen würde man gerne wieder in den Winterschlaf oder viel­leicht gleich ins Koma fallen wollen, weil man sich diese Welt nicht wünschen würde. Genau das ist der Beweis dafür, warum proaktive Freihandelspolitik umso wichtiger ist, warum es wichtig ist, solche modernen, progressiven Freihandelsverträge wie auch Ceta zu ratifizieren und weiterzubringen, und warum es damals eigentlich wichtig gewesen wäre, auch über TTIP weiterzuverhandeln. Das merkt man jetzt umso schmerzhafter. Das ist gerade auch für die Europäer schmerzhaft. Wie Donald Tusk heute schon gesagt hat, zeigt uns Donald Trump eigentlich nur, dass wir uns selbst die wichtigsten Freunde sind. Es ist sehr schade, dass sich das so weiterentwickelt hat. Wir haben eben eine Zeit erreicht, in der diese ganzen Gedankenspiele keine Panik­mache mehr sind, sondern leider Realität geworden sind.Wir müssen uns aber schon grundsätzlich, auch in unserer Verantwortung als Abgeordnete, die Frage stellen, in welche Richtung wir bei dieser Entscheidung gehen wollen: Stehen wir für Abschottung in der Welt oder für Kooperation und Freihandel? – Ich hoffe doch, dass es Letzteres ist.

Darüber, wie lustig es ist, dass die FPÖ hier ihre Position geändert hat, müssen wir, glaube ich, nicht weiter diskutieren. Ich nehme es jetzt gerne so hin. Wir werden Sie auch in Zukunft, wenn es um solche Fragen geht, daran messen, was Sie heute gesagt haben, und nicht daran, was Sie vor eineinhalb Jahren gesagt haben. (Beifall bei den NEOS.)

16.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Peter Kolba ist zu Wort gemel­det. – Bitte.