17.19

Abgeordneter Mag. Christian Kern (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war wirklich eine interessante Debatte mit vielen Facetten (Zwischenruf bei der FPÖ), und eigentlich hätte ich mich ja gar nicht mehr zu Wort melden müssen, Sie haben es ja ausführlich getan; die Kollegen von der FPÖ, die Kollegen von der ÖVP haben mich hier zitiert, das ist wirklich dankenswert.

Ich finde es allerdings besonders bemerkenswert, dass Sie da herkommen und mir die Auslegungsvereinbarung zu Ceta vorlesen, die ich selbst mit Herrn Juncker ausge­macht habe, die mein Kabinettschef mit Herrn Selmayr vereinbart hat, weil es ja genau diese Vereinbarung war, weshalb ich gesagt habe, handelspolitisch ist dieses Abkom­men in Ordnung – es war gestern in Ordnung, es ist heute in Ordnung, es ist morgen in Ordnung. Deshalb haben wir eine Vorgangsweise gewählt, um dieses Abkommen zu trennen, und zwar in jenen Teil, in dem es um die Handelspolitik geht, und in jenen Teil, in dem es um den Investorenschutz geht. Über nichts anderes reden wir heute, das ist die Frage, um die es geht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haider und Rosenkranz.)

Deshalb stehe ich nach wie vor zu der Aussage, dass das ein sehr, sehr gutes Abkom­men ist, das die Europäische Union da verhandelt hat, dass es aber in vielen Teilen noch verbessert werden kann.

Wir können es jetzt verbessern und stehen jetzt an der Stelle, an der wir uns fragen müssen: Was ist die Zukunft der Handelsabkommen in Europa tatsächlich? Diese Trennung, meine Damen und Herren, bietet tatsächlich eine erhebliche Chance, und die entscheidende Frage, die wir heute beantworten müssen – bisher hat sie niemand von Ihnen beantwortet, auch die Kollegen von den NEOS nicht; Sie vergeben sehr gerne Haltungsnoten, das ist mir schon aufgefallen, aber die entscheidende Antwort haben Sie nicht gegeben –, lautet: Warum sind die österreichischen Gerichte für kanadische Unternehmen und Investoren nicht gut genug? Warum ist das so? Warum soll das nur für die österreichischen Unternehmen gelten? (Beifall bei der SPÖ.)

Die Damen und Herren von der ÖVP haben ausgeführt, dass es umgekehrt ja bei Kanada sozusagen um eine berechenbare, zivilisierte, dem Rechtsstaat verpflichtete Nation geht. Das ist völlig richtig. Warum sollen sich dann österreichische Unterneh­men am kanadischen Markt nicht auf die kanadische Gerichtsbarkeit stützen kön­nen? – Die entscheidende Antwort ist: weil diese Regelungen zum Investorenschutz, zu den Schiedsgerichten eben ganz genau Sonderrechte für eine ganz kleine Zahl an Investoren und Unternehmen bieten, und das wollen wir schlicht und einfach nicht! Sie lassen sich von nicht österreichische Interessen Vertretenden über den Tisch ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Hoyos-Trauttmansdorff von den NEOS, Sie haben uns und den Kollegen von der FPÖ vorgeworfen – in dieser Gemeinschaft fühlen wir uns nicht besonders wohl, deshalb verstehen Sie, dass ich da ein bisschen nachtragend bin –, wir ziehen da eine Zirkusnummer durch. Also wenn wir Ihrer Meinung nach schon wie Zirkusclowns auf Tournee gehen, dann nehmen wir Sie als One-Trick-Pony mit, denn das, was Sie abliefern, ist nur Ideologie, die pure, nackte Ideologie.

Herr Strolz war heute sehr lustig. Er macht das mit Charme, und man kann das durch­aus hinnehmen, was er sagt, nur in der Sache ist es nicht richtig. Wenn Sie sagen, ohne diese privaten Schiedsgerichte, ohne diese Sondergerichte, in welcher Aus­prä­gung auch immer, führt man Österreich und die Europäische Union in Richtung Nordkorea, und dann mit der Preiselbeernummer kommen und sagen: 62 solcher Ab­kommen haben wir abgeschlossen!, dann sage ich Ihnen: Sie haben die letzten Monate und die Rechtsentwicklung verschlafen. Der Europäische Gerichtshof hat in dem Achmea-Urteil gesagt, dass es eine einzige Instanz zur Auslegung des euro­päischen Rechts gibt und das sei der EuGH und bleibe der EuGH. Das heißt, da zeichnet sich eine Tendenz in der Rechtsprechung ab, die sonnenklar ist. Die Euro­päische Kommission ist schlauer als Sie, denn sie ist auch schon draufgekommen, dass sie damit in eine Sackgasse geführt wird. Das ist genau der Grund dafür, dass in dem japanischen Abkommen, das in seiner wirtschaftlichen Bedeutung um ein Viel­faches größer ist als das, worum es bei Ceta geht, die Schiedsgerichte, die Sonder­gerichte für Großinvestoren nicht mehr vorkommen. Die haben es begriffen, Sie aber hinken immer noch der Vergangenheit hinterher. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP stellt seit Jahrzehnten den EU-Kommissar, stellt jetzt den Europaminister; erkundigen Sie sich einmal, wie die Brexit-Verhandlungen mit dem Herrn Barnier laufen, was da einer der entscheidenden Punkte ist! – Eine Red Line für die Euro­päische Union, und die lautet: Europäisches Recht wird nur durch den EuGH ausgelegt. Das ist eine entscheidende Bedingung. Die Briten haben jetzt dieselben Ideen wie bei Ceta und Co, und in der Europäischen Kommission und im Europäischen Rat hat man gesagt, man akzeptiert das nicht, man lässt das nicht durchgehen, denn es gibt eine Instanz, die öffentlich-rechtlich ist, die demokratiepolitisch unterlegt und legitimiert ist. Und wir werden alle miteinander gut beraten sein, wenn wir nicht zulas­sen, dass der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Darum geht es bei dieser Debatte. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesen Gesprächen, die Sie ausführlich zitiert haben, haben wir wirklich eine Chance für Österreich erarbeitet; die Chance, dass wir in Österreich in Regierung und Natio­nalrat selbständig entscheiden, ob wir Sonderrechte für internationale Investoren in Österreich wollen oder nicht. Meine Antwort ist klar: Ich will diese nicht! Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, ich habe immer gesagt, wir werden dieses Abkommen nicht dem Parlament zur Ratifizierung vorlegen, weil wir uns dann den ganzen Zinnober, die ganze Erpressbarkeit ersparen.

Ich kann Ihnen sagen, Frau Abgeordnete Winzig – ich weiß nicht, in welchem Betrieb Sie waren, ich glaube, auch in einem; ich war schon in ein paar anderen und ich habe Schiedsgerichtserfahrungen ohne Ende gemacht (Abg. Strasser: Sie ist selbstän­dig!) –, das sind Hebel, die Sie da in die Hand bekommen, die weit über politische Entscheidungsmöglichkeiten, über Parlamente, über demokratische Spielregeln hinaus­­gehen. Das will ich schlicht und einfach nicht, denn ich will ein Europa der Menschen, nicht ein Europa der Märkte und, sehr geehrter Herr Loacker, auch nicht ein Europa der Großkonzerne. (Beifall bei der SPÖ.)

Die FPÖ hat die Angewohnheit, in solchen Situationen eine manchmal intellektuell unterkritische Debatte zu führen; sie kommt dann mit Schulden, Asyl oder sonst etwas. Vielleicht haben Sie sich einmal überlegt, warum es jetzt so ist, dass die Asylzahlen in Österreich sinken. (Abg. Höbart: Weil die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist!) Vielleicht haben Sie sich auch einmal überlegt, warum die Kriminalität auf einem Zehnjahresniedrigstniveau ist. Vielleicht haben Sie sich einmal überlegt, warum das Wirtschaftswachstum und die Jobangebote auf Rekordniveau sind. – Vielleicht tun Sie das einmal einen Moment, bevor Sie uns das nächste Mal hier wieder mit Ihren vorgefertigten Sprüchen quälen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Noch ein Punkt: Ich habe ja Verständnis für Ihre Pein, denn wenn man sich die Um­faller der FPÖ anschaut, beim Überwachungspaket, bei Ceta, bei der direkten Demo­kratie, bei den Studiengebühren und so weiter (Abg. Höbart: Das ist schon fast ein parodienhafter Auftritt!), dann kann man sagen, Sie haben tatsächlich allen Grund, abzu­lenken, und in diesem Fall muss ich sagen, auch völlig zu Recht, denn vom größten Umfaller, den Sie bislang gezeigt haben, von der größten Brezn, die Sie bisher ge­rissen haben, sind wir heute alle miteinander Zeugen geworden. – Danke. (Anhalten­der Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

17.26