20.07

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu zweien dieser Berichte etwas sagen, und zwar sind es zwei Berichte, die die Justiz betreffen. Der eine ist der Bericht über die Familiengerichtsbarkeit und der andere ist der Bericht über die Follow-up-Überprüfung der Strukturreform der Bezirksgerichte.

Die beiden Themen Familiengerichtsbarkeit und Bezirksgerichte-Strukturreform hän­gen eng zusammen. Die Familiengerichtsbarkeit ist ja etwas, womit Menschen am ehes­ten in Kontakt kommen. Etwa 40 Prozent der Ehen in Österreich werden geschie­den. Viele Ehepaare haben Kinder, und für die Kinder muss dann ein Obsorgever­fahren durchgeführt werden.

Um diese Verfahren zu verbessern, um sie zu beschleunigen, wurde 2013 die Fa­milien­gerichtshilfe eingerichtet. Das entsprach einer langjährigen Forderung auch der Richter, denn gerade in einem Obsorgeverfahren ist es notwendig, dass auch pädago­gische Kenntnisse, psychologische Kenntnisse, sozialarbeiterische Kenntnisse einfließen. Die­ses Know-how wird jetzt durch die Familiengerichtshilfe zur Verfügung gestellt.

Die Familiengerichtshilfe, so wie sie jetzt läuft und wie der Rechnungshof sie überprüft hat, kann aber noch besser werden. Es kann noch und es muss noch in einem größeren Maß erreicht werden, dass die Familiengerichtshilfe auch Gutachten erstellt, denn Gutachten sind der wesentliche Grund, warum Obsorgeverfahren oft so lange dauern. Wenn nun die Familiengerichtshilfe das Gericht in einem stärkeren Maß unter­stützt, dann ist auch die Chance größer, dass die Entscheidungen Bestand haben. Das ist eigentlich der wesentliche Punkt. Wenn nämlich immer wieder neue Anträge gestellt werden, dann wird der Konflikt wieder aufgewärmt, die Kränkungen werden wieder bewusst gemacht, und das führt dazu, dass sich die Situation nicht beruhigt. Das ist besonders für die Kinder schädlich.

Diese hohen Anforderungen, die die Familiengerichtsbarkeit auch an die Richter stellt, können nur erfüllt werden, wenn Richter in diesem Bereich auch eine gewisse Erfah­rung erwerben, wenn sie also länger in diesem Bereich bleiben. Ob sie das tun, hängt sehr stark mit unserem Gerichtssystem zusammen. Daher spielt die Strukturreform der Bezirksgerichte auch in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Je größer nämlich die Gerichtseinheiten sind – es ist ja immer die erste Instanz –, desto leichter ist es auch, sich zu spezialisieren, und desto leichter sind auch Vertretungen zu organisieren.

Daher ist es wichtig, dass diese Reform der Standorte verstärkt weitergeführt wird. Allerdings muss dies – so wie der Rechnungshof es auch empfiehlt – nach klaren Kriterien, die festgelegt werden, um die Standorte auszusuchen, und aufgrund von Kos­tenabschätzungen, um festzustellen, wie viel es kostet, wenn man einen neuen Standort begründet, geschehen.

Ich glaube aber und ich bin – auch aufgrund meiner Erfahrung in der Justiz – über­zeugt, dass diese Strukturreform der Bezirksgerichte nur ein Zwischenschritt sein kann. Letztlich muss es das Ziel sein, so wie in skandinavischen Ländern auch in Österreich ein dreistufiges Gerichtssystem zu haben: eine Eingangsinstanz – das, was jetzt Bezirksgerichte und Landesgerichte sind –, einen Gerichtstypus, der für alle Rechts­sachen in erster Instanz zuständig ist, dann eine zweite Instanz und eine dritte Instanz. Das werden mehr als die jetzt 20 Landesgerichte sein, aber weniger als die 68, die in dieser Justizreform vorgesehen sind. Das brächte viele Vorteile mit sich, kann aber natürlich nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Trotzdem ist das ein Projekt, das angegangen werden muss.

Ich stelle zwei Anträge, und zwar zuerst folgenden:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes betreffend die Strukturreform der Bezirksgerichte“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, wird aufgefordert, die Empfehlungen des Rechnungshofes zur Strukturreform der Bezirksgerichte (Reihe BUND 2017/28), insbesondere die Fest­legung von Standortkriterien und die Erstellung von Kostenschätzungen sowie die Fest­legung von Indikatoren, mit denen die Zielerreichung der Reform gemessen wird, unverzüglich umzusetzen.“

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Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes im Bereich der Familiengerichtsbarkeit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Empfehlungen des Rechnungshofes in Bezug auf die Familiengerichtsbarkeit (Reihe BUND 2017/24), insbesondere die Emp­feh­lungen zur besseren Vernetzung zwischen den Einrichtungen und zur Einschaltung der Familiengerichtshilfe statt der Beiziehung von Sachverständigen, umzusetzen.“

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Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.13

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes betreffend die Struktur­reform der Bezirksgerichte

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Strukturreform der Bezirksgerichte; Follow-up-Überprüfung - Reihe BUND 2017/28 (III-28/128 d.B.) – TOP 25

Seit 2012 läuft die Strukturreform der Bezirksgerichte. Von den ursprünglich 141 Be­zirksgerichten sollen letztlich 68 Standorte bestehen bleiben. Zum Zeitpunkt der Prüfung durch den Rechnungshof waren es 116 Bezirksgerichte. Und noch immer sind, wie der Rechnungshof kritisch anmerkt, die Kriterien nicht festgelegt, die für die Stand­ortentscheidung maßgeblich sein sollen. Sichergestellt soll auch werden, dass auf Fakten beruhende Kostenschätzungen für bauliche Maßnahmen in die Standort­entscheidung einfließen. Festzulegen sind auch Indikatoren, um die Ziel-erreichung dieser jahrelang laufenden Reform zu messen.

Die Strukturreform der Bezirksgerichte soll zu Kosteneinsparungen und zu höherer Effizienz der Justiz führen. Gerade angesichts der Einsparungen im Justizressort ist eine solche Reform überfällig, denn sie würde die nachteiligen Auswirkungen auf den Rechtsstaat zumindest teilweise abfedern. Im Sinne der rechtsuchenden Be-völkerung müssen die Empfehlungen des Rechnungshofes unverzüglich umgesetzt und die Struk­turreform der Bezirksgerichte zügig fortgeführt werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, wird aufgefordert, die Empfehlungen des Rechnungshofes zur Strukturreform der Bezirksgerichte (Reihe BUND 2017/28), insbesondere die Fest­legung von Standortkriterien und die Erstellung von Kostenschätzungen sowie die Festlegung von Indikatoren, mit denen die Zielerreichung der Reform gemessen wird, unverzüglich umzusetzen."

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes im Bereich der Fami­liengerichtsbarkeit

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Familiengerichtsbarkeit - Reihe BUND 2017/24 (III-26/126 d.B.) – TOP 23

Die Familiengerichtsbarkeit wurde durch das 2013 in Kraft getretene Kindschafts– und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 (KindNamRÄG 2013) grundlegend um-gestaltet. Der Rechnungshof hat dazu im vorliegenden Bericht (Reihe Bund 2017/24) zahlreiche Feststellungen getroffen und Empfehlungen ausgesprochen, um die neu­geschaffene Familiengerichtshilfe effizienter zu gestalten. Der Bericht enthält auch allgemeine Verbesserungsvorschläge für die Familiengerichtsbarkeit. Auch im Regie­rungsprogramm der Bundesregierung werden die Evaluierung der Familiengerichtshilfe sowie eine Umsetzung der Evaluierung des KindNamRÄG 2013 ausdrücklich genannt. Da die notwendigen Maßnahmen offenbar weitgehend unstrittig sind, spricht nichts gegen eine rasche Umsetzung der Empfehlungen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Empfehlungen des Rechnungshofes in Bezug auf die Familiengerichtsbarkeit (Reihe BUND 2017/24), insbesondere die Emp­fehlungen zur besseren Vernetzung zwischen den Einrichtungen und zur Ein-schaltung der Familiengerichtshilfe statt der Beiziehung von Sachverständigen, um-zusetzen."

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die beiden Anträge wurden ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kolba. – Bitte, Herr Abgeordneter.