20.13

Abgeordneter Dr. Peter Kolba (PILZ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich auf den Rechnungshofbericht über die Familiengerichtsbarkeit und würde einleitend gerne sagen: Es gibt Bereiche in der Justiz, die lassen sich sehr gut mit Zahlen von Ver­fahren, mit der Dauer von Verfahren, also mit statistischen Methoden auswerten.

Was den Rechnungshofbericht betrifft, verstehe ich natürlich, dass die Betroffenen nicht zu Wort kommen, also insbesondere die Familien und auch die Kinder, um deren Wohl es in diesen Verfahren immer geht. Es gibt aber auch einen Bericht über eine Evaluierung seitens des Justizministeriums aus dem Jahr 2017, und da verstehe ich schon nicht mehr, wieso man nicht zumindest versucht hat, mit Betroffenen ebenfalls ins Gespräch zu kommen und zu evaluieren, wie sie diese Gerichtsbarkeit erleben.

Ich habe selber in meinem unmittelbaren Umfeld eine Kindesabnahme erlebt, bei der das Kind – ein vierjähriger Bub – aus dem Kindergarten abgeholt wurde, mit der Begründung, es bestünde Gefahr im Verzug für das Kindeswohl. Was hat die Mutter gemacht? Hat sie das Kind geschlagen oder vernachlässigt? – Keine Rede davon; das, was sie gemacht hat, war, dass sie Besuchsregelungen für den Vater nicht ent­sprechend eingehalten hat und sich gegenüber dem Jugendamt zu wenig kooperativ gezeigt hat. Die Kindesabnahme war in diesem Fall – das traue ich mich zu beur­teilen – eine schlichte Strafe für die Mutter und hatte mit dem Kindeswohl schlicht und einfach nichts zu tun. Das gilt im Übrigen umgekehrt genauso. Ich kenne genug Fälle, in denen das Väter betrifft, das betrifft nicht nur Mütter.

Wir haben zu diesen Missständen im Bereich der Familiengerichtsbarkeit eine Umfrage gestartet und haben bisher 130 Fälle gesammelt, in denen sich in der Regel Eltern über gravierende Mängel im Bereich der Familiengerichtsbarkeit beschweren. Ich meine, dass diese Fragen ebenfalls einer Evaluierung unterzogen werden sollten, und stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kolba, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der durch das KindNamRÄG 2013 eingeführten ‚Familiengerichtshilfe‘“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, wird ersucht, eine Evaluierung der 2013 erfolgten Reform des Kindschaftsrechts unter Einbeziehung der betroffenen Familien durchzuführen und dem Nationalrat einen Bericht über die Auswirkungen der Neuregelungen vorzulegen, insbesondere über die Auswirkungen der Obsorge- und Kontaktrechtsregelungen, die Wirkungen auf das Kindeswohl und die Wirkungen der neuen verfahrensrechtlichen Instrumente, insbesondere der Familiengerichtshilfe, auf die Konfliktaustragung.“

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Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

20.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Kolba, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Evaluierung der durch das KindNamRÄG 2013 eingeführten „Familien­gerichtshilfe“

eingebracht im Zuge der Debatte über die Tagesordnungspunkte 21. – 32., zu „23. Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betref­fend Familiengerichtsbarkeit“.

Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungs­gesetzes 2013 (KindNamRÄG 2013) beantragte der Justizausschuss im November 2012, die Justizministerin per Entschließung zu ersuchen, „dem Nationalrat bis Ende 2016 einen Bericht über die Auswirkungen der Neuregelungen des Kindschaftsrechts, insbesondere über die Auswirkungen der Obsorge- und Kontaktrechtsregelungen, die Wirkungen auf das Kindeswohl und die Wirkungen der neuen verfahrensrechtlichen Instrumente auf die Konfliktaustragung, vorzulegen.“

Das Bundesministerium für Justiz veranlasste daraufhin eine öffentliche Ausschreibung der Evaluierung des KindNamRÄG. Gegenstand des Auftrags sollte die Beantwortung der vom Nationalrat gestellten Fragen sein, aufgegliedert in zahlreiche Detailfragen, wie zB: wie sich die neuen Instrumente „Clearing und Besuchsmittlung durch Familien­gerichtshilfe“ und „Kinderbeistand“ auf das Kindeswohl auswirken und wie sie von den Kindern erlebt werden; ob durch diese Instrumente eine Verfahrensbeschleunigung erfolgt; wie viele Experten (Familiengerichtshilfe, Sachverständige, Besuchsmittlung, Besuchsbegleitung, Kinderbeistand…) seither pro Fall tätig sind und wie oft anstelle des Kinder- und Jugendhilfeträgers die Familiengerichtshilfe beigezogen wird; wie viele Verfahren über die (Un)Zulässigerklärung des Einschreitens des Kinder- und Jugend­hilfeträgers mit welchem Ausgang geführt werden, ob die im Gesetz dafür vorgesehene Verfahrensdauer von 4 Wochen eingehalten wird, und wie oft und warum in diesen Verfahren zusätzlich die Familiengerichtshilfe beigezogen wird.

Obwohl die Ausschreibung durchgeführt wurde, entschloss sich das BMJ aus nicht näher bekannten Gründen, den Auftrag dennoch nicht zu vergeben. Der vorliegende Rechnungshofbericht  kann eine umfassende Evaluierung nicht ersetzen, da er das KindNamRÄG 2013 nicht unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf das Kindeswohl, sondern unter finanziellen Gesichtspunkten untersucht hat. Auch die im März 2017 im Auftrag des BMJ fertiggestellte Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung  kann auf die ursprünglich gestellten Fragen keine Antworten liefern: Anstelle die Betroffenen – Eltern und Kinder – zu befragen, wurden nur die am Verfah­ren beteiligten Experten – RichterInnen, RechtsanwältInnen, MitarbeiterInnen der Fa­miliengerichtshilfe und der Kinder- und Jugendhilfeträger, Sachverständige, Kinder­beistände, MediatorInnen, Erziehungs- und FamilienberaterInnen – in die online-Frage­bogenerhebung einbezogen. Die Auswirkungen auf Eltern und Kinder wurden laut der Studie „nur indirekt über die Einschätzungen der Expert/innen erhoben“ (S. 11).

Die noch immer ausständige Evaluierung unter Einbeziehung der Betroffenen ist daher schnellstmöglich nachzuholen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, wird ersucht, eine Evaluierung der 2013 erfolgten Reform des Kindschaftsrechts unter Einbeziehung der betroffenen Familien durchzuführen und dem Nationalrat einen Bericht über die Auswirkungen der Neuregelungen vorzulegen, insbesondere über die Auswirkungen der Obsorge- und Kontaktrechtsregelungen, die Wirkungen auf das Kindeswohl und die Wirkungen der neuen verfahrensrechtlichen Instrumente, insbesondere der Familiengerichtshilfe, auf die Konfliktaustragung.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich nun die Frau Rechnungshofpräsidentin. – Bitte, Frau Prä­sidentin.