12.02

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister, Grüß Gott! Liebe Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einem halben Jahr Diskussion, in dem Sie die Republik mit dem Thema beschäftigt haben, kommen wir heute also beim Thema Deutschklassen zur Beschlussfassung.

Herr Taschner, jetzt noch einmal in Sachen Mathematik: Sie stellen sich hier heraus und referieren in philosophischen Ergüssen, dass Sie kein Kind zurücklassen wollen, Sie zitieren noch einmal, dass es 80 zusätzliche Klassen gibt. – So, jetzt multiplizieren wir einmal (Zwischenruf des Abg. Hauser): Die Expertinnen und Experten haben ge­sagt, wir sollten die Schülerzahl in den Klassen unbedingt auf 15 Kinder beschrän­ken. – Nicht einmal das ist im Gesetzentwurf enthalten, Sie gehen auf bis zu 25 Kinder, und das ist aus wissenschaftlicher Sicht schon ein Humbug. Sie reden von 80 neuen Klassen, das steht auch in der Unterlage des Ministers (diese in die Höhe haltend) – Achtung, Differenz, Gesamtzahl der Klassen an Volksschulen, NMS, PTS, 80 Klassen, Sie kürzen ansonsten (Abg. Mölzer: 1 200 insgesamt!) die Integrationsmittel in den normalen Klassen.

Ich komme jetzt auf Folgendes zurück: Was heißt das, kein Kind zurücklassen? – Herr Taschner, wir haben 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler in diesem Land, und bei den 80 Klassen (Abg. Mölzer: Zusätzlich!) reden wir von maximal 2 000 Kindern und Jugendlichen. Das heißt, das ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Das heißt, Sie gehen das Thema nicht an, das heißt, Sie ignorieren das Problem.

Wir haben ein Problem mit der gemeinsamen Unterrichtssprache Deutsch, sie funktio­niert nicht ausreichend, und das ist natürlich ein Brechen von Chancen, von Flügeln. Das gestehen wir zu, Herr Minister, wir haben da ein Problem; aber das Problem, das wir insgesamt haben, ist diese Regierung (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz), denn wie gehen Sie auf dieses Problem zu? Sie sagen: Machen wir halt ein bisschen Sym­bolpolitik, wie wir es in der Ausländerpolitik immer machen! Insgesamt hat diese Regie­rung eine Haltung, einen Stil hinsichtlich Arbeit, der sich mir nicht erschließt: Die Staatssekretärin aus einem fachfremden Ministerium macht eine Justizreform. – Da kommt keiner mit. Der Nationalratspräsident ist der Chefverhandler der ersten zwei großen Reformbaustellen, Sozialversicherung und AUVA. – Ja, was ist denn das? (Abg. Rosenkranz: Was haben Sie für ein Verständnis von Demokratie und Mandat?)

Wahrscheinlich hat sich Herr Kurz gesagt: Ich mache hier Message Control, ich halte jeden Minister ganz eng am Band, ich erteile Interviewverbot für Abgeordnete – so macht es ja das System Kurz –, ich lasse aber schon im Jänner 2018 den Herrn Minis­ter Faßmann hinaus! Warum? – Den Faßmann kenne ich, mit dem habe ich in Integra­tionssachen schon zehn Pressekonferenzen gemacht, und er hat auch schon sämtli­che Wendungen mit mir vollzogen, deswegen darf er hinaus! Ich schicke ihn sogar hi­naus – Herr Faßmann, wenn Sie es wirklich zugeben – mit einem völlig unausgegore­nem Konzept, aber Hauptsache wir bedienen die Ausländerthematik! Das war der Jän­ner 2018. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

So war es doch! Es ist kein Beistrich mehr übrig geblieben von Ihrer Idee aus dem Jän­ner, Herr Minister, und bis heute ist die Idee ein Topfen. Und jetzt bleiben 80 Klassen für 2 000 junge Menschen übrig, obwohl wir eine Herausforderung haben, die eine Million junge Menschen beschäftigt. (Abg. Mölzer: Sie wollen das nicht wissen!) Das ist unredliche Politik, und Sie wissen es. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Mölzer: Sie wollen polemisieren!) – Nein, ich will nicht polemisieren, ich zeige Ihr Geschäftsmodell auf: dass Sie hier mit der Ausländerfrage einfach Ihr Geschäft machen. Sie wollen das Problem groß machen, aber nicht die Lösungen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Rosenkranz: Es wird Zeit, Herr Strolz!)

80 Klassen ist keine Lösung, das müssen Sie wohl zugestehen. Sie haben ja einen Ex­perten aus Deutschland eingeflogen, und selbst dieser Ihr Experte hat gesagt, es er­schließe sich aus wissenschaftlichen Erwägungen nicht, was Sie da vorhaben. Ihr Ex­perte hat gemeint, wir sollten auf Gruppengrößen von 15 Schülern gehen, wir sollten diese nicht überschreiten. – Ja, Sie überschreiten sie aber mit diesem Gesetzesvor­schlag. Sie haben in Österreich keinen Experten, keine Expertin gefunden, die diesen Ansatz, den Sie hier haben, für sinnvoll erachten.

Wir brauchen natürlich für den Spracherwerb heterogene Gruppen. Es kann natürlich auch Sinn machen, Herr Minister – das haben wir auch immer wieder gesagt –, dass man an einzelnen Schulen temporär in homogene Gruppen geht. Wir NEOS sind da nicht dogmatisch, wir glauben nur, so wie es auch die Expertinnen vorschlagen – Frau Professor Spiel oder die Praktikerin Heidi Schrodt (Zwischenrufe der Abgeordneten Hauser und Mölzer), ich habe mich erkundigt –, dass es sinnvoll ist, in schulautonome Lösungen zu gehen, für Brennpunktschulen auch eigene Zusatzbudgets auszuloben, diese auch in der qualitätsvollen Nutzung wissenschaftlich zu begleiten, auch mit wis­senschaftlicher Evaluierung. Auch das haben Sie hier in Ihrem Vorschlag, der derzeit unterwegs ist, noch nicht verankert. All diese Dinge wischen Sie vom Tisch.

Da frage ich Sie: Wo ist der Wissenschaftler in Ihnen geblieben, den Sie über Jahr­zehnte kultiviert haben? Ich frage Sie auch zur Haltung, die viele Ihrer Kollegen ha­ben – ich weiß, dass Sie ein Stück weit differenzierter darauf schauen, aber Sie sind da ein Getriebener des Systems Kurz –: Hauptsache, die Ausländerfrage bedienen, die Qualität der Antwort ist nicht so wichtig, aber Hauptsache das Ausländerthema bewirt­schaften. (Abg. Hauser: Das ist ein Wahnsinn!) So ist es doch. (Abg. Hauser: So pri­mitiv! Enttäuschend! – Ruf: Das ist die Politik ... primitiv ist! – Abg. Hauser: Schweigen ist gut!)

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie wissen schon, dass die Würde des Hauses auch bei Zwischenrufen, die ein Instrument des Parlaments sind, zu wahren ist, und ich bitte Sie darum, das zu beachten. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Bitte, Herr Klubobmann.

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (fortsetzend): Manches in Ihrer Haltung un­terstelle ich; das ist eine Unterstellung: Jetzt sperren wir einmal die ausländischen Gfraster eine Weile weg, dann haben wir Ruhe und dann hauen uns die das Niveau nicht zusammen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und wenn wir sie untereinander zusam­mensperren, dann sollen sie einmal Deutsch lernen, dann wird es schon besser! – Hät­ten wir diese Haltung, dann müssten wir die neuen Minister auch wegsperren, denn die haben von der neuen Sprache im Ministeramt keine Ahnung. (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Da müssten wir sie ein Jahr lang unter sich wegsperren, aber ich glaube, den größten Fortschritt machen sie im Miteinander-Tun – und da machen sie auch Fort­schritte, denn ich sehe, dass sie seit Jänner auch Fortschritte gemacht haben, nur nicht ausreichend große, dass es den jungen Menschen in dem Maße zum Vorteil ge­reicht, wie ich es mir wünschen würde.

Wir haben, das stelle ich abschließend noch einmal fest, große Probleme mit der ge­meinsamen Unterrichtssprache Deutsch. Ich würde mir wünschen, dass dies zu 80 bis 90 Prozent bei Schuleintritt funktioniert. Es kann doch keine Raketenwissenschaft sein, es als eines der reichsten Länder auf diesem Planeten zu schaffen, dass 80 bis 90 Prozent der Sechsjährigen die gemeinsame Unterrichtssprache beherrschen – dann müssten wir uns aber folgerichtig zum Beispiel um den Kindergarten kümmern. Davon habe ich in den ersten Monaten noch gar nichts gehört, diese Baustelle haben Sie gar nicht angesprochen. Nein, Sie wollen schnelle Symbolpolitik machen, Sie wollen Pro­bleme bewirtschaften, und nicht Lösungen. Das ist das Bittere, und dass Sie sich als Wissenschaftler dafür hergegeben haben, Herr Minister, das war für mich enttäu­schend. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

12.09

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wendelin Mölzer. – Bitte.