13.03

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Schüler und Schülerinnen und begleitende Professoren und Professorinnen des Polgargymnasiums im 22. Bezirk in Wien! Ich denke, Sie sind im Rahmen der politischen Bildung hier (Abg. Knes: Na, die werden Urlaub machen!) und lernen sozusagen die Realität einer Gesetzeswer­dung kennen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Ich persönlich muss Ihnen sagen – ich bin noch nicht so lange in der Politik wie andere hier Anwesende , ich schätze die Diskussionen im Hohen Haus immer sehr, weil sie für Überraschungsmomente, die nicht immer etwas mit den sachlichen Grundlagen ei­ner Diskussion zu tun haben, sorgen.

Ich habe vernommen, Herr Strolz, wie Message Control funktioniert, und Sie haben mir auch meine Motivation bei der Mithilfe an der Konzeption von Deutschförderklassen er­klärt. Ich will – so habe ich es Ihren Ausführungen entnommen – die Kinder aus Sepa­rierungsgründen heraus separieren. Sie haben dafür eine wienerische Phrase verwen­det, die ich so nicht verwende. Woher wissen Sie eigentlich, was meine Motivation des politischen Tuns und Handelns ist? (Abg. Martin Graf: Weil er ein Besserwisser ist!) Warum glauben Sie mir nicht, Herr Strolz, wenn ich sage, wir müssen in dem Bereich etwas tun?

We agree to disagree in vielen Bereichen, aber ich glaube, Frau Cox, in dem Bereich sind wir doch alle einer Meinung. Die entsprechenden Testergebnisse zeigen ganz deutlich, dass ein bildungspolitisches Problem nicht erst seit gestern und vorgestern, sondern seit vielen Jahren besteht. Es wäre, glaube ich, auch im Sinne des Systems insgesamt nicht korrekt, wenn man weiter so schaut und weiter so tut. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Strolz, ich muss noch ein bisschen bei Ihnen bleiben, auch deswegen, weil Ihre Diskussionsbeiträge im Prinzip ja immer ausgesprochen stimulierend sind. Warum nehmen Sie aber nicht zur Kenntnis, dass es jetzt nicht um die 1,1 Millionen Schüler und Schülerinnen geht, die Sie erwähnt haben, sondern um die 35 000 außerordentli­chen Schüler, die neu in das System hineinkommen und nach Kriterien, die nicht im­mer ganz klar sind und dann irgendwie im Unterricht mitschwingen, als a.o. Schüler eingestuft werden? Diese Systematik mit den a.o. Schülern ist zu reformieren. Wir brauchen einheitliche, standardisierte Tests, denn ich glaube, da wird mit Ressourcen so umgegangen, wie es langfristig nicht Bestand haben sollte.

Warum wollen Sie, Herr Strolz, für dieses Deutschförderklassenkonzept keine Eck­punkte haben, sondern alles der Autonomie übergeben? Ich habe eigentlich von Ihnen gelernt, dass es in dieser föderalen Republik dunkle Mächte gibt (Zwischenruf des Abg. Knes) und dass man diesen dunklen Mächten eben nicht alles überlassen, sondern ihnen schon ein paar Eckpunkte zur Hand reichen sollte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Warum, Herr Strolz, nehmen Sie auch nicht zur Kenntnis, dass natürlich die sprachli­che Frühförderung ein ganz wesentliches Konzept unseres Gesamtkonzepts ist? Das steht nicht nur im Regierungsübereinkommen so drinnen, sondern wir sind bei den entsprechenden Vorbereitungsarbeiten für die 15a-Vereinbarung mit den (Heiterkeit des Redners) dunklen Mächten. Wir nehmen dafür auch Geld in die Hand, und wenn es darum geht, Geld zu bekommen, werden dunkle Mächte in der Regel wohl etwas hellhöriger. Es ist ganz klar, Deutschförderklassen sind ein Element (Zwischenruf des Abg. Wurm), das ist nicht alles. Damit wird man nicht alle Probleme lösen können, das wurde auch nie so von mir behauptet, sondern das ist ein Element im Rahmen eines größeren Plans. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Warum nimmt man generell nicht zur Kenntnis, dass es sich – ich betone das immer wieder – bei dem Deutschförderklassenkonzept um eine teilintegrative, altersmäßig ab­gestufte und zeitlich begrenzte Maßnahme handelt? Schüler und Schülerinnen, die dem Unterricht aufgrund mangelnder Deutschkompetenz nicht folgen können, eröffnen eine Deutschförderklasse, aber nicht für immer, sondern für so kurz wie möglich. Wenn sie so kompetent sind, dass sie dem Unterricht folgen können, dann werden sie in den Regelunterricht entlassen.

Wir rahmen das Ganze auch in eine Integration in den Unterricht der weniger sprach­sensiblen Fächer ein, also nicht immer schwarz-weiß denken! Diese Lösung, die vor­geschlagen wird, ist eine differenzierte Lösung, die muss man aber auch zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was mein Haus da vorgeschlagen hat, ist ja auch keine nationale Absurdität, sondern etwas, was es in Finnland, in Schweden, in Dänemark, in den Niederlanden schon gibt. Berlin hat die berühmten Willkommensklassen, das sind Vorbereitungsklassen, so et­was wie Crashkurse, um für den Unterricht fit zu sein. Das ist nichts Absonderliches und Absurdes, sondern ganz offensichtlich folgt das der Logik des dem Unterricht Fol­gens. Wir tun in dem Bereich nichts anderes als internationalen Beispielen, die das schon vorgezeigt haben, nachzuziehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Vielleicht zusammenfassend: Für Kinder, die mit einer an­deren Sprache als Deutsch aufwachsen oder nach Österreich zuwandern, ist eine frühe und qualitätsvolle Deutschförderung im Kindergarten und später in der Schule von zentraler Bedeutung. Dazu bedarf es zum einen eines expliziten Zweitsprachenun­terrichts in Deutsch, insbesondere eben für die neu Hinzugekommenen, und zum an­deren eines sprachsensiblen Unterrichts in allen anderen Fächern. Wir wollen damit nichts anderes als Startnachteile ausgleichen und langfristig für mehr Chancengerech­tigkeit sorgen.

2012, als erstmals die Debatte um Deutschfördermaßnahmen, damals von mir als Vor­sitzendem des Integrationsrates vorgeschlagen, aufgekommen ist, hat Vladimir Vert­lib ein mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller, 1966 im heutigen St. Petersburg ge­boren und 1972 als Sechsjähriger über Israel nach Österreich gekommen – ein sehr le­senswertes Essay über die Art und Weise geschrieben, wie es für jemanden ist, der nicht Deutsch kann und in die Schule hineingeschubst wird.

Er betonte dabei die große Schwierigkeit, ohne Vorbereitung am Unterricht teilnehmen zu können, und er sagt: „Ich war stumm, taub und fremd, aber es gab kaum jemanden, der bereit gewesen wäre, darauf Rücksicht zu nehmen. Kurz gesagt: Es war keine schöne Zeit, und nachträglich betrachtet hätte ich viel dafür gegeben, wenn ich damals einen Crashkurs hätte besuchen können, der die allmähliche Integration in die“ Regel­klasse „beschleunigt hätte“.

So beschreibt es Vladimir Vertlib in „Du fremdes, stummes Kind“, einem, wie gesagt, lesenswerten Essay im „Spectrum“ in der „Presse“ 2012.

Die Stichprobe n ist dabei 1, das ist nicht repräsentativ, das ist klar, das habe ich auch nicht behauptet, aber es ist dennoch interessant, weil es eine andere Perspektive in die Diskussion hineinbringt. Es regt – mich zumindest – zum Nachdenken an. Weg von tra­dierten Vorbehalten und hin zu einer effektiven Förderung im Interesse der schulischen Integration der Kinder!, so lautet mein Plädoyer. Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.12

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Feichtinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.