15.20

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Bundesministerin­nen! Ja, dem Kollegen von der ÖVP ist da eine kleine Themenverfehlung vorzuwerfen; es geht uns wirklich um die Bekämpfung von Sozialbetrug, die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping. Eigentlich müsste das allen in diesem Haus, den Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien sehr wichtig sein. Ich frage mich ja angesichts Ihrer Maß­nahmen in den letzten Wochen und Monaten wirklich: Was tun Sie gegen Sozialbe­trug? – Und ich muss euch von ÖVP und FPÖ ganz offen sagen: In Wirklichkeit ver­billigt ihr Sozialbetrug! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Im Zuge des Budgetbegleitgesetzes habt ihr ganz still und heimlich hineingeschwindelt, dass es bei Sozialversicherungsmeldeverstößen zu einer Deckelung kommt; egal, ob 50 oder 500 Arbeitnehmer nicht richtig und fristgerecht angemeldet worden sind, macht ihr einfach eine Deckelung der Strafen mit 855 Euro. Das bedeutet, ihr habt versucht, Verstöße gegen Meldebestimmungen, also Sozialbetrug billiger zu machen – und nur weil die SPÖ euch darauf aufmerksam gemacht und gefragt hat, ob ihr das denn wirk­lich wollt, seid ihr zurückgerudert und habt gesagt: Das werden wir noch evaluieren! Bis dato haben wir allerdings noch keine Evaluierung gesehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Kritikpunkt – Kollegin Hochstetter hat es schon angeschnitten – ist das so­genannte Kumulationsprinzip: Egal, wie viele Menschen auf einer Baustelle, in einem Betrieb unterentlohnt werden, man zahlt nur für eine Person Strafe. Ob man nun fünf, 50 oder 100 Leuten 3 Euro oder 4 Euro statt 15 Euro zahlt, man zahlt nur einmal Stra­fe. Wenn das tatsächlich euer Ziel ist, wenn das eure Absicht ist, dann frage ich euch, wie wichtig euch das Thema Sozialbetrug wirklich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben uns in der Regierung davor mit der ÖVP deshalb so bemüht, ein Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz zu schaffen, das das schärfste in Europa ist, weil uns wichtig ist, dass das auch bekämpft wird, denn wir wissen, Österreich ist ein Ziel­land von Entsendungen.

Ich sage euch: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist nicht das Problem, denn das ist eben Europa. Das Problem sind die Entsendungen, das Problem sind die Entsendeunter­nehmen, denen wir Strafen auferlegen, die wir kontrollieren, wobei die Wirksamkeit der Strafbescheide allerdings an der Grenze endet, weil die Sozialunion in Europa, was Strafsanktionen betrifft, nicht funktioniert. Das wisst ihr ganz genau, und da hilft es nichts, wenn man sich hier ans Rednerpult stellt und gewisse Dinge schönredet. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Zur Frage, warum: Frau Bundesministerin, ich ersuche dich wirklich, das Thema So­zialbetrug, Lohn- und Sozialdumping sehr, sehr ernst zu nehmen! Deine Regierung plant da Anschläge, die katastrophal sind. Wenn man sich die Sozialdumpingquote bei den Entsendeunternehmen anschaut (der Redner hält eine Tabelle mit entsprechen­den Angaben in die Höhe), dann sieht man, es zahlt jedes zweite nach Österreich ent­sendende Unternehmen nicht richtig.

Die Kontrollbehörde der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, die Soko Bau, hat im Vorjahr 1 800 ausländische Firmen auf den Baustellen überprüft. 799 davon ha­ben ihre Arbeitnehmer nicht richtig bezahlt. Jedes zweite Unternehmen, das aus der Europäischen Union nach Österreich kommt, zahlt falsch, und deswegen ist das nicht nur eine nationale, sondern eine europäische Problematik. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir gemeinsam - - (Abg. Kassegger: Seit Jahren haben wir das ge­sagt!) – Vollkommen richtig! Wir haben immer gesagt, es wird nicht leicht werden, aber eines muss man jetzt sagen: Die EU war bisher auf beiden Augen blind. (Abg. Kasseg­ger: ... seit Jahren erklärt! – Abg. Belakowitsch: ... seit Jahren gesagt!)

Jetzt bewegt sich die Europäische Kommission erstmals und sagt: Ja, wir machen eine europäische Arbeitsbehörde, damit Strafen auch in Ungarn und in der Slowakei vollzo­gen und sanktioniert werden! Ja, wir schaffen ein elektronisches System, ein Portal, mit dem österreichische Auftraggeber hineinschauen können, ob die Arbeitnehmer aus den EU-Ländern überhaupt in ihrem Herkunftsland, zum Beispiel in Polen, versichert sind! Das ist eine Riesenchance für Österreich während dieser EU-Ratspräsident­schaft, nicht nur die innere Sicherheit, sondern auch die soziale Sicherheit zu forcieren, auch die soziale Sicherheit einzubringen.

Frau Bundesministerin, du hast für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz im Bereich So­ziales, und ich biete dir wirklich unsere Zusammenarbeit an. Wir haben eine Riesen­chance, Dinge, die bereits jetzt im Fluss sind, voranzutreiben – mit einer Arbeitsbehör­de, die Strafen auch entsprechend vollziehen kann und muss. Wir brauchen diesen Schiedsrichter am europäischen Arbeitsmarkt, denn sonst geht es so weiter, wie es auf diesem Blatt Papier (neuerlich eine Tabelle in die Höhe haltend) dargestellt ist. In die­sem Sinne bitte ich um Unterstützung und um eine bestmögliche Lösung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.25

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.