10.31

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Was verstehen wir unter Gerechtigkeit? – Das ist nicht nur die Frage, die wir heute im Rahmen der Aktu­ellen Stunde diskutieren, sondern im Wesentlichen auch der Kern jeder politischen Aus­einandersetzung in diesem Haus.

Auch wenn es viele womöglich nicht glauben wollen, selbst die schwarz-blaue Bun­desregierung setzt auf die Gerechtigkeitskarte. Sie spricht davon, dass die Ausländer unseren Wohlstand bedrohen, Sozialschmarotzer oder – wie wir es heute gehört ha­ben – Leute, die an der Armutsgrenze leben, die Hängematte ausnutzen wollen oder dass die EU-Bürokraten, -Bonzen uns braven Österreichern nur permanent Prügel vor die Füße werfen. Bei alledem geht es im Kern um Gerechtigkeit oder, besser gesagt, darum, ein Gefühl der Ungerechtigkeit gezielt zu schüren, ohne auch nur in letzter Konsequenz daran zu denken, wie eine gerechtere Zukunft für uns alle möglich wäre.

Es wäre falsch, zu behaupten, diese Bundesregierung würde nicht arbeiten. Ich möchte meine Aussagen so nicht verstanden wissen, denn die Feindbilder, die Sie an die Macht gebracht haben, die kultivieren sich nicht von selbst. Dahinter steckt harte Arbeit, und dies lässt sich sehr gut an der aktuellen Regierungspolitik ablesen. Ich möchte Ihnen auch ein paar Beispiele dazu nennen: Denken wir etwa an die Streichung wertvoller Beschäftigungsprojekte, wie der Aktion 20 000 für ältere arbeits­lose Menschen. Denken wir an Kürzungen der Beihilfe für Lehrlinge in überbe­trieb­lichen Lehrwerkstätten und die Streichung der Mittel für die Ausbildungsgarantie bis 25. Rufen wir uns die geplante Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages in Erin­nerung, die nicht zu mehr Freiheit führen, sondern – im Gegenteil – den Druck auf die Arbeit­neh­merInnen noch mehr erhöhen wird.

Denken wir an die geplante Einführung des Austro-Hartz-IV-Modells, mit der Absicht, langzeitarbeitslose Menschen finanziell auszuhungern, sie zu drangsalieren, sie zu stigmatisieren, anstatt sie zu fördern und ihren Wiedereinstieg in das Berufsleben zu unterstützen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Kassegger: Hörensagen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Oder denken wir an die Reform der Mindestsicherung: Anstatt endlich wieder bundes­einheitliche Standards, bundeseinheitliche soziale Auffangnetze zu schaffen – und keine Hängematten, denn von diesen Beträgen, von denen Sie heute gesprochen haben, ist eine Hängematte weit entfernt; wir reden von einem letzten sozialen Netz zur Unterstützung von Menschen nach Schicksalsschlägen –, kultivieren Sie wiederum Feindbilder. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wieder wird von Ihrer Seite gegen Ausländer, gegen sogenannte Sozialschmarotzer gehetzt und mobilisiert, um letzten Endes was damit zu erreichen? – Sie versuchen, mit Ihrer aktuellen Regierungspolitik – darunter die angebliche Reform der Mindest­sicherung – auf dem Rücken von Kindern, vielen österreichischen Kindern, vielen Kindern, die in Österreich leben, massiv zu kürzen. Eine oberösterreichische Familie mit drei Kindern wird zukünftig 340 Euro weniger erhalten. Ist das gerecht?

Das sind die Fakten, die am Ende übrig bleiben, wenn man durch diese Nebelwand schaut, die durch Ihre Regierungspropaganda erzeugt wird. Das ist ungerecht! Das ist ungerecht, weil es nicht sein kann, dass diese vielen Millionen, die auf der einen Seite eingespart werden – wie wir heute bereits gehört haben –, auf der anderen Seite wiederum für Ihre Wahlspender ausgegeben werden und Sie sich damit Ihre Unter­stützer brav halten. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wer sich mit Sozialkürzungen bei Kindern – auch bei österreichischen Kindern – in unserem Land derart die Finger schmutzig macht, der hat offensichtlich großen Bedarf, dass eine Hand die andere wäscht. Das muss nicht so sein, und ich bitte Sie deshalb erneut um Unterstützung. Schreiben Sie soziale Gerechtigkeit mit uns in der Verfas­sung fest. Hören Sie auf – das ist nicht nur ein Appell an den Herrn Innenminister –, vom hohen Ross herunter auf sozial schwache Menschen hinzutreten. Bekennen Sie sich zur sozialen Gerechtigkeit, denn nur dann, wenn alle BürgerInnen ihren Möglich­keiten entsprechend zum Wohle des Staates beitragen können und ihren Bedürfnissen entsprechend am Wohle des Staates teilhaben können, wird es uns möglich sein, ein gerechtes Leben für alle sicherzustellen.

Unser Antrag liegt vor. – Insbesondere den Frauen von ÖVP und FPÖ möchte ich hier noch sagen: Stehen Sie auch dann selbstbewusst auf, wenn es darum geht, den von Ihren Parteien betriebenen Zukunftsraub für Zigtausende Kinder zu verhindern. Stehen Sie dann auf, wenn aus Ihren Reihen rassistische Zwischenrufe kommen (Beifall bei der Liste Pilz), und nicht nur dann, wenn Sie in pseudofeministischer Manier vor­ge­schickt werden, um unseren Rechtsstaat und seine Entscheidungen infrage zu stellen. Stehen Sie auf, liebe Frauen, stehen Sie auf für Gerechtigkeit! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

10.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf die Schülerinnen und Schüler der Landwirtschaftlichen Fachschule Otterbach recht herzlich im Parlament begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)