11.32

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmgeräten! Vorab eines noch einmal ganz klar – damit auch klar ist, wofür die Sozialdemokratie steht –: Wir sind für Handelsabkommen, aber wir sind gegen Schiedsgerichte. Das hat unser ehemaliger Kanzler immer gesagt, das haben wir immer gesagt. Dazu stehen wir und dabei bleiben wir auch. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haider.)

Wir sind aus einem ganz bestimmten Grund gegen diese Schiedsgerichte, nämlich weil damit die Rechtsstaatlichkeit Österreichs ausgehebelt wird, meine Damen und Herren. Alle Menschen, die euch, vor allem die Kollegen der FPÖ gewählt haben, sind in Zukunft, obwohl ihr die Mehrheit in diesem Haus habt, nicht mehr vertreten, wenn es um Themen bei Ceta geht. Das muss man sich vor Augen führen. Ihr führt die alle vorne weg.

Zu Kollegen Haubner: Es ist richtig, wir haben über 60 bilaterale Handelsabkommen, aber wir haben sie deswegen mit Schiedsgerichten versehen, weil diese Länder nicht dieselbe Rechtsstaatlichkeit haben wie wir. Das sind Länder wie Aserbaidschan, Algerien, Guatemala, Kasachstan, der Iran und so weiter und so fort. Das sind Länder, wo die Rechtsstaatlichkeit infrage gestellt ist, wo politische Einflussnahme auf die Justiz besteht, wo vermutlich auch Korruption besteht und wo vermutlich kriminelle Geister vorhanden und tätig sind. Mit Ihrer Entscheidung, mit der Entscheidung der FPÖ und der ÖVP, reihen Sie das Land Kanada in die Liste dieser Länder ein. Sie reihen Kanada in eine Liste von Ländern ein, die vordergründig ein Problem haben, rechtsstaatliche Strukturen aufrechtzuerhalten. Ist das wirklich das, was Sie wollen? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Österreich hat ein funktionierendes Rechtssystem, Kanada hat ein funktionierendes Rechtssystem, die EU hat ein funktionierendes Rechtssystem, und deshalb, sage ich ganz ehrlich, ist es vollkommen unverständlich, warum diese Systeme auf das Abstell­gleis wandern sollen. Stattdessen wollen Sie Tribunale einrichten, ein Investitions­schiedsgericht einrichten, die für Streitbeilegungen sorgen sollen. Großkonzerne sollen Österreich klagen können, und Österreich muss dann quasi zusehen, wie die national mühsam erarbeiteten, gut durchdachten Umwelt-, Sozial- und Konsumentenschutz­be­stimmungen einfach vom Tisch weggefegt werden. Das kann es doch wirklich nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie geht es denn dann überhaupt weiter? Wie sicher sind denn dann unsere Stan­dards im Umwelt-, Sozial und Arbeitsbereich noch? Offensichtlich hat es ja die FPÖ früher auch so gesehen, nämlich genau bis zu dem Zeitpunkt, als sie mit Tür­kis/Schwarz ins Bett gegangen ist, sprich, in die Regierung eingetreten ist. Vor einem Jahr noch vehement dagegen, habt ihr, Kollegen von der FPÖ, im letzten Wirtschafts­ausschuss namentlich alle für Ceta in der vorliegenden Form gestimmt, und auch das Volksbegehren ist auf einmal kein Thema mehr gewesen.

Es ist eigentlich bezeichnend: Das ist ein Kompromiss gewesen, damit ihr wieder in Lokalen rauchen dürft. Das war ein Kompromiss, und wie Kollege Kassegger schon richtig gesagt hat: Die Krot haben wir gefressen. – Mir ist es ehrlicherweise wurscht, was ihr für eine Krot fresst, aber da geht es um Österreich, da geht es um uns alle! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Genau deswegen! Genau deswegen!)

Da muss man sich schon die Frage stellen: Ist es euch das wirklich wert, die eigene Linie so offensichtlich über Bord zu werfen und die Menschen, die euch damals gewählt haben, einfach so zu enttäuschen? – Das müsst ihr mit euren Wählern das nächste Mal wirklich selbst ausmachen.

Heute wird aber Folgendes beschlossen: Beschlossen wird das Umgehen der natio­nalen Gerichtsbarkeiten – das ist Fakt –, beschlossen wird heute das Umgehen der Rechtsstaatlichkeit – auch das ist Fakt –, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem am EuGH noch Verfahren laufen und nicht einmal klar ist, ob die Schiedsgerichte EU-konform sind.

Ich verstehe nicht, Frau Ministerin, warum man diese Eile an den Tag legt. Sie sagen, sichere, hoch qualifizierte Abkommen, aber in Wahrheit sind die Vertragsklauseln noch nicht einmal festgelegt. Sie sprechen von sicheren, hoch qualifizierten Abkommen, aber selbst EU-Kommissarin Malmström sagt, es ist notwendig, in verschiedenen Bereichen noch Nachschärfungen und Nachbesserungen zu machen.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Rechtsstaatlichkeit, und diese muss gewahrt bleiben – auch in Zukunft gewahrt bleiben. Das heißt: Ceta in dieser Form? – Nein!

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Zusatzantrag ein:

Zusatzantrag

gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Genehmigung des gegenständlichen Staatsvertrages erfolgt unter der Bedingung, dass folgender völkerrechtlicher Vorbehalt anlässlich der Ratifikation durch Österreich rechtsverbindlich erklärt wird:

„Die Kapitel 8 Abschnitt F (Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) sowie Artikel 13.21 (Investitionsstreitigkeiten im Bereich Finanzdienst­leis­tungen) gelten nicht für von Österreich eingeführte oder aufrechterhaltene Maßnah­men.““

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In diesem Sinne: Ja zu Handelsabkommen, Nein zu Konzerntribunalen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Zusatzantrag

gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker

zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungs­vorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Genehmigung des gegenständlichen Staatsvertrages erfolgt unter der Bedingung, dass folgender völkerrechtlicher Vorbehalt anlässlich der Ratifikation durch Österreich rechtsverbindlich erklärt wird:

„Die Kapitel 8 Abschnitt F (Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) sowie Artikel 13.21 (Investitionsstreitigkeiten im Bereich Finanzdienst­leistungen) gelten nicht für von Österreich eingeführte oder aufrechterhaltene Maß­nahmen.““

Begründung

CETA führt erstmals in einem EU-Handelsabkommen die Möglichkeit für Konzerne ein, Staaten auf Grund von Verletzungen des Abkommens direkt und unter Umgehung der österreichischen Gerichte vor einem internationalen Tribunal zu klagen. CETA selbst räumt Konzernen weitreichende Rechte ein, die eine eindeutige Schlagseite zu Gunsten von Profiten und zu Lasten allgemeiner gesellschaftlicher Interessen haben. Die bisherige Klagetätigkeit auf Grund solcher Konzernklagerechte zeigt, welche negativen Folgen die bloße Möglichkeit solcher Konzernklagen hat. Vor allem verletzen solche Konzernklagerechte einen fundamentalen Grundsatz unseres Rechtsstaates: die Gleichheit vor dem Gesetz. Während es sich die Konzerne richten können und ihr „Recht“ vor ihnen günstig gewogenen Tribunalen durchsetzen können, sind Bürgerin­nen und Bürger auf normale Gerichte verwiesen. Ihnen steht etwa bei Verletzung von ArbeitnehmerInnenrechten oder Verstößen gegen Umweltschutzpflichten nicht die Möglichkeit offen, vor Sondertribunalen Klage zu erheben.

Auch im Rahmen der Europäischen Union gibt es massive Bedenken gegen das System der Konzerngerichte. Im Achmea-Urteil hat der EuGH eindeutig ausge­sprochen, dass Sonderklagerechte für Konzerne dazu führen, dass das Europarecht ausgehöhlt wird und diese daher für unzulässig erklärt. Aktuell steht auf Grund eines belgischen Antrags ein weiteres Urteil des EuGH – diesmal konkret zu den Sonderklagerechten in CETA – bevor. Die damit verbundene Unsicherheit und die Möglichkeit von Nach­verhandlungen nimmt die Bundesregierung jedoch offenbar hin.

Die Bundesregierung begibt sich außerdem ihrer Verhandlungsmöglichkeiten und verzichtet durch eine überhastete Genehmigung von CETA selbst in einem Bereich, der eindeutig nationale Kompetenz ist, auf ihre Einflussmöglichkeiten. Denn Sonder­klagerechte sind seit dem Singapur-Gutachten des EuGH eindeutig alleinige Zustän­digkeit der Mitgliedstaaten. Diese können hier autonom entscheiden.

Es ist daher nötig, diese Handlungsfähigkeit auch wahrzunehmen und Österreich vor den negativen Folgen von Konzernklagerechten zu schützen.

Der Nationalrat hat (vgl. Öhlinger, Art. 50 B-VG Rz 101, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht) und die dort zitierte Staatspraxis, sowie das Gutachten des Verfassungsdienstes, zitiert in Peter Fischer/Gerhard Hafner, Aktuelle österreichische Praxis zum Völkerrecht, ZÖR 1982, 307f) die Möglichkeit, von sich aus die Geneh­migung eines Staatsvertrages von der Erklärung eines völkerrechtlichen Vorbehalts durch den Bundespräsidenten anlässlich der Ratifikation abhängig zu machen:

„Die österreichische Praxis geht – verfassungsrechtlich korrekt – davon aus, dass ein solcher Vorbehalt nicht nur ebenfalls der parlamentarischen Genehmigung bedarf, son­dern auch vom Nationalrat abgeändert und auch auf Initiative (von Mitgliedern) des Nationalrates beschlossen werden darf.“

Das bedeutet, dass der Nationalrat durch Annahme des vorliegenden Antrags bewir­ken kann, dass die CETA-Sonderklagerechte in Österreich keine Wirkung entfalten.

Die mögliche Durchführung einer Volksabstimmung über eine sonderverfassungs­ge­setzliche Ratifikationsermächtigung für CETA bleibt davon unbenommen.

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Präsidentin Doris Bures: Der Zusatzantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Angelika Winzig zu Wort. – Bitte.