15.21

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und vor den Fernsehern! Die Matura stellt unzweifelhaft für viele junge Menschen eine wichtige Schnittstelle in ihrem Leben dar. Sie markiert den Abschluss einer zwölfjährigen Schullaufbahn, sie bietet die Grundlage für gute und qualifizierte Jobs und sie ist nicht zuletzt ein Türöffner für die Universitäten und Hochschulen.

Matura heißt ja bekanntlich Reife und Matura bescheinigt Reife und zertifiziert dies auch durch ein öffentliches Dokument. Matura ist daher wichtig und sie betrifft insge­samt – vollkommen korrekt dargestellt – 40 000, 42 000, 44 000 junge Menschen jähr­lich. Wir müssen uns daher ernsthaft, aber auch ernstnehmend damit auseinander­setzen.

Ich darf vielleicht gleich vorwegschicken, dass ich die Debatte, die wir hier führen, durch­aus begrüße, wenngleich ich nicht jede Zeile Ihres Antrages, Herr Strolz, so unterschreiben würde, aber das würden Sie von mir auch mit Sicherheit nicht verlangen. Ich glaube, es ist gar nicht notwendig, eine mediale Debatte zur Legiti­mation der Wichtigkeit in den Antrag aufzunehmen, denn mit welcher Diktion die Me­dien manche Dinge darstellen, ist nicht die Realität und schon gar nicht Ausdruck einer ernsthaften Analyse. Ich hätte es also in Ihrem Antrag weggelassen, aber ich bin ja nicht der Oberlehrer des Herrn Strolz. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Auch eine Überschrift in Ihrem Antrag – „Rückblick, eine Geschichte voller Pannen“ – geht dane­ben, denn das Maturajahr 2018 war kein Jahr voller Pannen, und knapp daneben, muss ich sagen, heißt eben auch: Ziel verfehlt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ. – Abg. Strolz: Das bezieht sich auf die zehn Jahre, die Überschrift!)

Die standardisierte Reifeprüfung ist inzwischen sehr gut organisiert, das ist ja auch ein Verdienst meiner Amtsvorgängerinnen. Dank auch an das Haus – die können das eben: vorher geheim gehaltene Prüfungsfragen für dieses Mal 42 000 Schüler und Schülerinnen zu organisieren und abzugeben. Das ist alles sehr gut organisiert.

Es hat, glaube ich, drei kleine Fälle gegeben: Irgendein Mathematiklehrer hat auf die Uhr geschaut und um eine Stunde zu früh abgebrochen. Das spricht vielleicht nicht für den Lehrer. In einem zweiten Fall sind die falschen Kuverts geöffnet worden, aber es wurden sofort die Ersatzkuverts bereitgestellt. Das ist eine Marginalie. In einem dritten Fall hatte jemand offensichtlich ein zweites Handy. Das Ersthandy wurde abgegeben, dann wurde das Beispiel schnell fotografiert und dem Nachhilfelehrer durchgespielt, aber auch das wurde identifiziert. Ich sage Ihnen also: Der Maturajahrgang 2018 wurde organisatorisch ausgezeichnet abgewickelt.

Ich sage Ihnen auch, dass es mir sehr darauf ankommt, dass diese standardisierte Reifeprüfung eine faire Prüfung ist. Sie kann selektiv sein, sie soll selektiv sein. Ich habe ja auch eingangs gesagt, dass es hier um etwas geht, hier wird sozusagen Reife durch ein öffentliches Dokument zertifiziert. Dabei geht es also schon um etwas, aber es soll fair sein.

Herr Strolz, ich habe sofort, als die schriftlichen Beurteilungen bei der Mathematik-Teilmatura im Haus bekannt geworden sind, eine Pressekonferenz einberufen und gesagt: Wir stehen derzeit bei diesem und jenem Stand, und es schaut so aus, als ob dieses Jahr die standardisierte Reifeprüfung Mathematik, schriftlicher Teil, schlechter ausfällt als im letzten Jahr! Das ist ein vollkommen legitimes Verhalten meinerseits.

In der Zwischenzeit, das wissen die Profis aus dem Schulsystem, fand die Kompen­sationsprüfung statt. Die Kompensationsprüfung ist eine auch sinnvolle Maßnahme, ein Nichtgenügend auf eine Vier oder eine Drei auszubessern, und da sind die Ergebnisse gut ausgefallen. Kompensationsprüfungen finden vor einer Prüfungskommission statt, da gibt es auch eine Art des Dialogs, und man kann dann sagen: Lieber Schüler, liebe Schülerin, meinen Sie das wirklich so? Es ist also eine gewisse Hilfestellung, aber ohne die Lösung eines Beispiels zu geben. So, wie es jetzt ausschaut, werden wir ein normales Maturajahr 2018 hinter uns lassen.

Nichtsdestotrotz, Herr Strolz, bin ich durchaus fürs Nachschärfen, das habe ich auch medial gesagt. Das Produkt ist hier schon einige Jahre auf dem Markt, und es macht nichts, nein, es ist sogar gut, wenn wir nachschauen, ob bestimmte Dinge so funk­tionieren und ob sie auch im Sinne meiner Fairness realisiert sind.

Ich habe daher auch in der Zwischenzeit eine Arbeitsgruppe eingesetzt, das heißt aber nicht, dass die Arbeitsgruppe das Thema schubladisieren soll, ganz im Gegenteil, sie soll es aktiv bearbeiten. Es sind im Wesentlichen vier Punkte, die mir auffallen – als einem, der die Zentralmatura mitverfolgt, auch als Ehemann einer Mathematiklehrerin, die mir jeden Tag von ihren Sorgen erzählt und mich teilhaben lässt. Ich habe dann auch probiert, die Maturaaufgaben zu lösen, das ist nicht ganz so einfach. Manche Dinge fallen einem auf:

Das eine sind sicherlich die Texte. Die Texte sind schwierig formuliert, oft sehr lang und episch breit, bis man dann auf das eigentliche mathematische Problem drauf­kommt. Hier haben, glaube ich, die Autoren und Autorinnen dieser Beispiele vielleicht die Präzision zu ernst genommen oder sie wollten zeigen, dass Mathematik auch ein sehr praktisches Fach sein kann. Da werden die Geschichten vom Fallschirmjäger erzählt, der vergisst, seinen Fallschirm loszumachen und der dann irgendwann ab­stürzt, und man muss berechnen, glaube ich, nach wie vielen Sekunden er sein Amen sagen darf. Auf diese Dinge sollte es ja gar nicht so sehr ankommen, Text und Auf­gabenstellung sollen angeschaut werden.

Wir müssen uns sicherlich das Bewertungsschema anschauen, denn wenn jemand alles richtig macht, aber sich blöd bei einem Rechenfehler verhaspelt, sind das dann aber null Punkte, denn es muss alles richtig sein oder es ist nichts richtig. Diese dichotome Null-eins-Entscheidung ist also schon ein Problem.

Wir müssen sicherlich die Grundkompetenzen durchgehen. Herr Strolz, Sie haben sich für Ihren Antrag ja, denke ich, vorbereitet, und in Mathematik gibt es beispielsweise 50 Grundkompetenzen. Es ist eine Frage, ob jetzt Differentialquotient oder Differen­zenquotient eine Grundkompetenz sein muss – Herr Taschner, Sie werden mir viel­leicht in Ihrer Antwortrede dann auch Antwort geben können. Es ist eine normative Setzung einer Gruppe von Personen gewesen, die gesagt hat, dass das eine Grund­kompetenz ist. Da können wir ohne Weiteres einmal durchschauen, ob das alles so wichtig ist oder ob nicht andere Dinge wichtig sind.

Ich denke auch, dass wir überlegen müssen, ob wir die Sache an den jeweiligen Schul­typ besser anpassen, weil natürlich unterschiedliche Schultypen eine unterschiedliche Mathematik-, Deutsch- oder Englischintensität haben. (Abg. Rosenkranz: Sehr richtig!)

Ich habe eben daher eine Arbeitsgruppe eingesetzt, und die Arbeitsgruppe besteht aus anderen Personen als jenen, die die standardisierte Reifeprüfung gemacht haben, denn sonst kann ich das Ergebnis vorwegnehmen: Die werden sich selbst bestätigen. Man muss eine Sichtweise von außen bekommen, und da sitzen Praktiker drinnen, auch Elternvertreter werde ich hineinnehmen, also eine durchaus beachtliche Stake­holdergruppe, und die sollen sich diese wesentlichen vier Fragen, die ich ihnen stelle, durchsehen.

Herr Strolz, da bin ich auch ganz bei Ihnen: Was wir aus der standardisierten Reife­prüfung herausbekommen, ist ein wunderbares Material für eine Evaluierung der jewei­ligen Schulstandorte. Wir wissen dann sehr gut, wo was wie gut funktioniert, Lern- und Lehrkultur können wir nachvollziehen. Das ist ein Datenmaterial, welches ausgewertet wird. Ich sehe es auch so, dass man dies den Schulen zur Verfügung stellen soll, denn Schulen sind ein lernendes System, es wäre traurig, wenn sie es nicht wären. Es ist also auch ein Ansatz dazu, selbst besser zu werden.

Ich wäre beim Abschlanken der Fächer einer Matura ein bisschen vorsichtig, denn wir brauchen dazu auch das Gegenüber, nämlich die Hochschulen, die da sicherlich ein Wörtchen mitreden müssen. Latein ist in manchen Fächern – vielleicht auch nur tra­ditionell bedingt – durchaus etwas, was wesentlich ist. Ich würde auch beim Veröf­fentlichen schulspezifischer Ergebnisse im Boulevard oder in interessierten Zeitungen vorsichtig sein, denn Sie wissen genauso wie ich, dass wir dann einen umgekehrten Effekt haben: Eltern, die es immer gut mit ihren Kindern meinen, schicken ihre Kinder dann nicht mehr dorthin, und die Schulsegregation erhöht sich.

Mein Schlusssatz: Ich habe die Optimierung selbst angekündigt. Der Antrag überrascht mich inhaltlich nicht, ich muss aber auch bei allem Respekt sagen: Ich hätte ihn nicht gebraucht, denn die Prozesse laufen in meinem Ministerium sowieso. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich freue mich auf die weiteren Diskussionsbeiträge. Ich danke Ihnen, Herr Strolz, für Ihr Bildungsinteresse, für Ihr Schulinteresse. Ich bin mir sicher, dass wir uns in der einen oder anderen Gasse im Bereich des Schulsystems wiedersehen werden. Ich darf auch herzlich für das gemeinsame Interesse an einer Optimierung des österreichi­schen Bildungssystems danken. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Gamon ist zu Wort gemel­det. – Bitte.