17.04

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Der neue Stil dieser Bundesregierung in der Beantwortung parlamentarischer Anfragen ist nicht unbedingt vorbildhaft. Das ist den meisten von uns schon immer klar gewesen, aber, Frau Ministerin, die Substanzlosigkeit Ihrer Antwort auf die Anfrage zum Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene ist schon sehr beschämend.

Es kommt nicht oft vor, dass ich Herrn Präsidenten Sobotka zitiere, aber seine Mah­nung an den Bundeskanzler vor einigen Monaten sollten Sie sich schon zu Herzen nehmen. Das Auskunfts- und Kontrollrecht der Abgeordneten gegenüber der Bundes­regierung ist „Ausdruck des der Verfassung zugrunde liegenden demokratischen Grundprinzips“, und als solches sollten Sie es auch betrachten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Scherak und Noll.)

In der Anfrage, die jetzt zur Diskussion steht, haben die Abgeordneten der SPÖ Sie zur Ausweitung des Diskriminierungsschutzes befragt, also zu einem Thema, das sowohl im Regierungsprogramm als auch in der Arbeit der Regierung mit keinem Wort vorgekommen ist. Daher liegt es nahe, dass Sie dem Parlament und der Öffentlichkeit endlich Auskunft darüber geben, wie Sie und diese Regierung die EU-Rats­prä­si­dentschaft nützen wollen, um dieses Thema voranzubringen. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Neun Fragen und insgesamt 18 Unterfragen haben wir Ihnen gestellt, und ich muss schon sagen, Ihre Antwort hat uns überrascht: vier lapidare Sätze. Wenn die Pläne der Bundesregierung für den Gleichstellungsbereich oder die EU-Ratspräsidentschaft so schnell zusammengefasst werden können, dann spricht das wohl Bände.

Wir haben Sie gefragt, ob Sie die EU-Richtlinie, die Diskriminierung im Privatleben zum Beispiel aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Alters verhindern soll, während der Ratspräsidentschaft vorantreiben werden. Wir haben Sie gefragt, ob sich die Position der Regierung zu dieser Richtlinie von ihren Vorgängerinnen unterscheidet. Wir haben Sie gefragt, bei welchen Terminen im Zuge der Präsidentschaft die Richt­linie Thema sein wird. Wir haben Sie gefragt, wie der Stand der Gespräche mit den vorherigen Vorsitzländern zu diesem Thema ist, und wir haben Sie ausführlich gefragt, wie und in welcher Weise Sie den Diskriminierungsschutz nationalstaatlich umsetzen wollen, wenn es zu keiner europäischen Einigung kommt. Ihre Antwort: vier Sätze. Gerade von einer Regierung, die sonst nicht um Worte und Inszenierungen verlegen ist, hätte ich mir mehr erwartet. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Ich möchte aber auch Ihre KollegInnen in der Regierung für die beeindruckende Ge­schlossenheit bei diesem Thema loben. Sie scheinen mit dem Bundeskanzler, dem Europaminister, der Außenministerin und der Frauenministerin ja so sehr einer Meinung zu sein, dass ihre Antworten auf diese Anfrage fast schon Wort für Wort dieselben sind. Bei so viel Geld, das dieses Kabinett für PressesprecherInnen, für MitarbeiterInnen ausgibt, wäre zumindest im Wording mehr Kreativität drin gewesen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Haben Sie keine anderen Sor­gen?)

Worum geht es eigentlich genau bei dieser EU-Richtlinie, die Ihnen, Frau Ministerin, vier Sätze wert war? – In Österreich dürfen Menschen aufgrund von sechs Gründen in Job und Arbeitswelt nicht diskriminiert werden: wegen ihres Geschlechts, ihrer ethni­schen Herkunft, ihres Alters, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion und Weltan­schauung oder einer Behinderung. Außerhalb der Arbeitswelt, also beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, gilt dieser Schutz nur aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung. Ein entsprechendes Gesetz zur An­gleichung wurde in Österreich bisher stets von den Kolleginnen und Kollegen der ÖVP blockiert.

Obwohl es diesen Schutz in den meisten europäischen Ländern längst gibt, besteht auf EU-Ebene noch keine Verbindlichkeit dafür. Das sollte durch eine EU-Richtlinie gelöst werden, die von der Kommission im Jahr 2008 vorgeschlagen wurde, also schon vor über zehn Jahren. Seitdem wird ihre Umsetzung im Europäischen Rat blockiert.

Unsere Frage an Sie, Frau Bundesministerin, war daher, ob und vor allem wie die Regierung den österreichischen Vorsitz im Rat dazu nützen will, den längst überfälligen Diskriminierungsschutz umzusetzen. Wir haben Sie auch gefragt, warum Österreich diesen Schutz nicht nationalstaatlich umsetzt, so wie es viele unserer Nachbarn getan haben, statt auf eine europäische Lösung zu warten.

Ihre lapidare Antwort – übrigens Wort für Wort auch die Antwort der Frau Frauen­ministerin –: „Im Übrigen gehe ich davon aus, dass Österreich im Bereich der Antidis­kriminierung bereits sehr hohe Standards erreicht hat. Allfällige innerstaatliche Verbes­serungen werden daher anlassbezogen geprüft.“

In einem Punkt muss ich Ihnen recht geben: Österreich hat hohe Standards im Schutz vor Diskriminierung. Das darf aber niemals eine Ausrede dafür sein, zu handeln, wenn diese Standards ganz offensichtlich nicht ausreichen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

Sie wollen anlassbezogen prüfen. Da frage ich mich: Welchen Anlass brauchen Sie denn bitte? – Es passiert leider viel zu oft, dass Menschen zum Beispiel wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden, dass Händchen haltende Jugendliche aus Taxis oder Freibädern geschmissen werden, dass lesbische Paare eine Wohnung nicht bekommen, weil solche Partnerschaften dem Vermieter eben nicht passen. Das beste Beispiel ist wohl das Café Prückel in Wien, wo ein lesbisches Paar aus dem Lokal ge­worfen wurde – nur wegen eines Kusses. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Rosenkranz.)

Verdienen diese Menschen nicht auch den Schutz des Staates? Sehen Sie da keinen Anlass, zu handeln, Frau Bundesministerin? – Wenn Sie es ein bisschen offizieller brauchen, dann schauen Sie sich einmal die Empfehlung des Europarates an! Ecri, die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, hat Österreich 2015 geprüft und glasklar festgestellt, dass es genug Anlässe gibt, diesen Schutz endlich national­staat­lich zu garantieren. Ganz konkret wurden wir damals aufgefordert, endlich ein allge­meines Diskriminierungsverbot für den öffentlichen und privaten Sektor und alle Dis­kriminierungsgründe umzusetzen, und das wäre auch dringend notwendig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Ob und wie Sie so einen Schutz umsetzen wollen, haben wir Sie auch in dieser Anfrage gefragt. Bisher sind ja mehrere Anläufe dazu trotz Sozialpartnereinigung immer an der ÖVP gescheitert. Also, Frau Ministerin, wird Ihre Regierung handeln? Haben Sie vor, Diskriminierungsschutz für alle Gruppen in unserem Land zu garan­tieren, oder wollen Sie dieses Thema weiter ignorieren und aussitzen, so, wie es Ihr Koalitionspartner schon mit der Ehe für alle getan hat?

Am Samstag werden wieder 200 000 Menschen bei der Regenbogenparade um den Ring ziehen. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass auch Sie und diese Regierung dieses Zeichen gegen Diskriminierung und für Vielfalt nicht auf Dauer werden igno­rieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss: Ich kann mir vorstellen, dass Sie in den letzten Monaten mit dem Kampf gegen den Nichtraucherschutz oder den Angriffen auf die Jugendvertrauensräte sehr beschäftigt waren. Frau Bundesministerin, ÖGB-Präsident Erich Foglar hat ges­tern bei der Eröffnung des Bundeskongresses des Österreichischen Gewerkschafts­bundes gesagt, ich zitiere: „Gerade die Gewerkschaftsjugend ist ein Bollwerk gegen Antisemitismus und Wiederbetätigung. Die Abschaffung der Jugendvertrauensräte wäre eine demokratiepolitische Bankrotterklärung!“ (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte Ihnen aber trotzdem eine kleine Lektüre mitgeben (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), den Bericht der Europaratskommission (ein Exemplar des Berichts in die Höhe haltend) über Diskriminierungen in Österreich. Vielleicht finden Sie einmal ein paar freie Minuten, Sie könnten dabei wahrscheinlich etwas lernen. (Abg. Belakowitsch: Steht da die Diskriminierung ... drin?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne wünsche ich Happy Pride! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.14

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort hat sich nun Frau Bundesministerin Mag.a Beate Hartinger-Klein gemeldet. Frau Bundesministerin, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte. (Bundesministerin Hartinger-Klein: Die werde ich nicht brauchen!)